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Großes Rätsel des UniversumsErstmals Hinweis auf Dunkle Materie entdeckt?

26.11.2025, 12:07 Uhr
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Gamma-Strahlungskarte unserer Milchstraße. Der horizontale graue Balken entspricht dem Bereich der galaktischen Ebene, der aus der Analyse ausgeschlossen wurde, um die Messung nicht zu verfälschen. (Foto: Tomonori Totani, The University of Tokyo)

Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach der postulierten Dunklen Materie, die den Großteil des Kosmos ausmachen soll. Ein Astrophysiker aus Tokio spürt nun verräterische Gammastrahlung auf. Ist er dem kosmischen Phantom auf die Spur gekommen?

Etwa 85 Prozent der Materie im Kosmos ist "dunkel": Sie verrät sich nur über ihre Schwerkraft, sendet aber im Gegensatz zu normaler Materie keine Strahlung aus. Doch es gibt eine kleine Ausnahme: Wenn die bislang mysteriösen Teilchen der Dunklen Materie miteinander kollidieren, können sie sich gegenseitig vernichten und dabei energiereiche Gammastrahlung erzeugen.

Der japanische Astrophysiker Tomonori Totani hat jetzt einen Überschuss an Gammastrahlung aus dem Halo der Milchstraße aufgespürt, der mit den theoretischen Vorhersagen dieser sogenannten Annihilations-Strahlung übereinstimmt. Die Teilchen der Dunklen Materie hätten etwa die 500-fache Masse von Protonen, so der Wissenschaftler im Fachblatt "Journal of Cosmology and Astroparticle Physics".

"Es wäre das erste Mal, dass wir Dunkle Materie gewissermaßen sehen", erläutert Totani, der an der Universität Tokio tätig ist. "Und es würde zeigen, dass die Dunkle Materie aus Teilchen besteht, die nicht im Standardmodell der Physik enthalten sind." Dieses Standardmodell enthält alle bekannten Elementarteilchen und beschreibt, wie sie miteinander in Wechselwirkung treten. Doch es gibt eine Lücke: Die Schwerkraft, die im Universum eine entscheidende Rolle spielt, ist nicht enthalten. Versuche, die Schwerkraft mit einzubeziehen, liefern stets zusätzliche Teilchen - nach denen weltweit mit großen Beschleunigeranlagen gefahndet wird. Bislang jedoch ohne Erfolg.

Seltsame Bewegungen machten Auftakt

Solche bislang unbekannten Teilchen könnten zugleich eines der großen Rätsel der Astronomie lösen, eben die Dunkle Materie. Bereits in den 1930er Jahren stieß der Schweizer Astronom Fritz Zwicky bei der Vermessung des Coma-Galaxienhaufens auf ein seltsames Phänomen: Die Galaxien bewegten sich zu schnell. Die Schwerkraft aller im Haufen vorhandenen Materie würde nicht ausreichen, um die Galaxien bei derart hohen Geschwindigkeiten festzuhalten - der Haufen müsste sich rasch auflösen. Doch dafür gab es keine Anzeichen.

Es müsse also, so folgerte Zwicky, zusätzlich eine große Menge an unsichtbarer Materie in dem Galaxienhaufen geben. "Dunkle Materie" nannte der Forscher diesen hypothetischen Anteil und zunächst dachten er und seine Fachkollegen an ausgebrannte Sterne oder nichtleuchtende Gaswolken. Doch im Verlauf jahrzehntelanger Forschung zeigte sich: Es kann sich dabei nicht um normale Materie handeln. Auch Vermessungen der kosmischen Hintergrundstrahlung zeigten schließlich, dass 85 Prozent der Materie im Kosmos aus bislang unbekannten Teilchen bestehen muss.

Fund vor 15 Jahren - und dann Ernüchterung

Zahlreiche Kandidaten mit unterschiedlichen Eigenschaften werden unter den Experten diskutiert, darunter insbesondere die sogenannten WIMPs, schwach wechselwirkende massereiche Teilchen. Solche Teilchen besitzen eine für Physiker interessante Eigenschaft: Wenn zwei von ihnen zusammenstoßen, vernichten sie sich gegenseitig und es wird Strahlung frei. Verschiedene Projekte haben nach dieser im hochenergetischen Gammabereich auftauchenden Strahlung gesucht - und vor fünfzehn Jahren schienen die Forscher tatsächlich fündig geworden zu sein.

Beobachtungen mit dem 2008 gestarteten Gammasatelliten Fermi zeigten Strahlung aus dem Zentrum der Milchstraße, die zunächst als Annihilations-Strahlung Dunkler Materie interpretiert wurde. Doch der Jubel kam zu früh: Schon bald erkannten die Wissenschaftler, dass sich diese Strahlung auch mit Neutronensternen erklären lässt - und davon gibt es im galaktischen Zentrum vermutlich viele.

Kleiner Überschuss beobachtet

Totani hat daraus eine Lehre gezogen. Er hat seine Suche nach der verräterischen Strahlung auf Regionen des Himmels beschränkt, in denen es nur wenige Neutronensterne geben sollte. Der Forscher hat die seit 15 Jahren gesammelten Daten des Weitwinkelteleskops LAT von Fermi genutzt, um die Gammastrahlung aus dem Halo der Milchstraße, abseits sowohl von ihrem Zentrum als auch von ihrer sternenreichen Scheibe zu untersuchen.

Sorgfältig modellierte Totani alle bekannten Quellen von hochenergetischer Strahlung, zog diese von der gemessenen Strahlung ab - und erhielt einen kleinen, aber signifikanten Überschuss. Dieser Gamma-Überschuss deckt den Energiebereich von 2 bis 200 Giga-Elektronenvolt ab und zeigt ein deutliches Maximum bei 20 Giga-Elektronenvolt. Und eine solche Energieverteilung erwarte man gerade für die gegenseitige Vernichtung von WIMPs, die 500-mal schwerer sind als Protonen, die elektrisch geladenen Bausteine von Atomkernen.

Fachwelt bleibt vorsichtig zurückhaltend

Kann man also dieses Mal sicher sein, tatsächlich Dunkle Materie zu sehen? Totani hat seine Ergebnisse bereits vor der Veröffentlichung auf mehreren Konferenzen seinen Fachkollegen vorgestellt. Da der Forscher einen guten Ruf sowohl als theoretischer Kosmologe als auch als Praktiker für die Auswertung großer Datenmengen besitzt, stießen seine Resultate auf großes Interesse. Trotzdem reagiert die Fachwelt vorsichtig - schließlich hat man beim galaktischen Zentrum schon einmal zu früh gejubelt. Aber auch Totani selbst spricht behutsam nur von einem "möglichen" Nachweis der Dunklen Materie.

Nun müssen andere Forschungsgruppen erst einmal seine Ergebnisse unabhängig reproduzieren. Aber auch, wenn sich der Gammaüberschuss bestätigt, bleibt die Möglichkeit, dass übersehene astrophysikalische Phänomene die Strahlung erzeugen. "Ein Signal aus dem Halo bedeutet für sich allein keinen eindeutigen Beweis von Dunkler Materie", betont Totani. Er empfiehlt daher, insbesondere in Zwerggalaxien nach dieser Gammastrahlung zu suchen. Da die Bedingungen dort völlig anders sind als in der Milchstraße, wäre seiner Ansicht nach der Nachweis der gleichen Art von Gammastrahlung ein ganz wichtiges Indiz dafür, dass sie von Teilchen der Dunklen Materie stammt.

Quelle: ntv.de, Rainer Kayser, dpa

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