Es wird nicht reichen G20 nicht auf Klimaschutz-Kurs
11.11.2019, 05:58 Uhr
Den wirtschaftlichen Schaden des Klimawandels beziffern die Forscher mit jährlich gut 129 Milliarden Euro - allein für die G20-Länder.
(Foto: imago/Steinach)
Forscher attestieren den größten 20 Industrienationen, dass diese ihre Klimaziele wohl erreichen werden. Allerdings seien die Zielwerte zu niedrig angesetzt für einen wirksamen Klimaschutz. Die Erderwärmung werde so nicht gebremst. Für Deutschland machen die Experten zwei Schwachstellen aus.
Die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sind allesamt noch nicht auf Kurs für eine Umsetzung des Pariser Klimaabkommens - und Deutschland zählt auch innerhalb der G20 nicht zu den Vorreitern. Das ist das Ergebnis eines Berichts, den die internationale Initiative Climate Transparency heute vorstellen wird. Zusammengerechnet nähmen die klimaschädlichen Emissionen der 20 größten Volkswirtschaften der Welt weiterhin zu, heißt es in dem "Brown-to-Green"-Report. Auf Kurs für das 1,5-Grad-Ziel ist dem Bericht zufolge auch kein anderes Land der Gruppe.
Die Autoren weisen den G20-Staaten eine "Schlüsselrolle" im Kampf gegen die Erderwärmung zu. Schließlich seien sie zusammen für rund 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Rund die Hälfte der G20-Staaten sei immerhin auf "gutem Weg, die selbst gesetzten nationalen Klimaziele zu erreichen oder gar zu überbieten", heißt es in dem Report. Damit könnten sie ihre bislang für das Pariser Klimaabkommen gemachten und "ausnahmslos zu schwachen Zusagen" im kommenden Jahr erhöhen. Das Abschneiden Deutschlands im G20-Vergleich sei hingegen "gleich in mehreren Bereichen schwach", kritisierten die Autoren.
Zu viel Verkehr mit dem Auto
Zwei der größten Problembereiche sind dem Bericht zufolge Gebäude und der Verkehr. In beiden Sektoren gehöre Deutschland zu den "Negativbeispielen". Mit Pro-Kopf-Emissionen im Gebäudebereich von mehr als drei Tonnen liege Deutschlands Wert rund 50 Prozent über dem EU-Schnitt und sogar doppelt so hoch wie der G20-Durchschnitt. Bei der Sanierung des Gebäudebestands müsste das Tempo dem Bericht zufolge verfünffacht werden, um auf einen wirklich klimafreundlichen Kurs zu kommen. Lediglich bei Neubauten seien die Standards in Deutschland vergleichsweise gut, allerdings weiter nicht ausreichend zum Erreichen der angestrebten Klimaziele.
Im Bereich Verkehr liegt Deutschland dem Bericht zufolge bei den Emissionen direkt hinter den großen Flächenstaaten USA, Kanada, Australien und Saudi-Arabien. Hierzulande werden demnach im Schnitt 84 Prozent der gereisten Kilometer mit dem Auto zurückgelegt - ein G20-Spitzenwert. Bei Elektroautos droht Deutschland dem Bericht zufolge den Anschluss zu verlieren. So hätten die USA, Kanada und Südkorea Deutschland bei den Marktanteilen für neu zugelassenen E-Autos überholt.
In den Bericht ist das neue Klimapaket der Bundesregierung noch nicht eingeflossen. Es sei aber in jedem Fall "wahrscheinlich, dass Deutschland ohne massive Nachbesserung seine Klimaziele deutlich verfehlen wird", erklärte die Ko-Autorin des Berichts, Lena Donat von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch.
130 Milliarden Euro Einbußen - pro Jahr
Ein zwiespältiges Bild ergibt sich dem Bericht zufolge bei der Energiegewinnung. 2018 habe die Energieversorgung aus umweltfreundlichen Quellen zwar um fünf Prozent zugenommen, wegen insgesamt steigender Nachfrage verharre der Anteil der fossilen Energieträger bei den G20-Ländern aber auf 82 Prozent.
Der Report hat erstmals auch die Schäden und Verluste durch den Klimawandel betrachtet: Durch Extremwetterereignisse kamen demnach von 1998 bis 2017 in den G20-Ländern mehr als 260.000 Menschen ums Leben, die Sachschäden beliefen sich auf rund 2,65 Billionen US-Dollar (2,4 Billionen Euro). Deutschland gehöre in den G20 neben Russland, Frankreich, Italien und Indien zu den am stärksten betroffenen Staaten, hieß es. Extreme Wetterereignisse kosten in den G20-Staaten dem Report zufolge jährlich rund 16.000 Menschenleben und führen zu wirtschaftlichen Einbußen von rund 129 Milliarden Euro.
Im Pariser Klimaabkommen haben sich fast alle Länder der Welt vorgenommen, die Erderhitzung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen - viele Staaten und Experten halten das 1,5-Grad-Ziel für notwendig. Um knapp ein Grad hat sich die Erde schon erwärmt. Wenn die Staaten nur ihre aktuellen Klimaschutz-Zusagen erfüllen, dürften es Klimaforschern zufolge bis Ende des Jahrhunderts 3 Grad werden - mit katastrophalen Folgen für Gletscher und Polareis, Korallenriffe, Artenvielfalt - und auch für die Menschheit. Nach den Maßstäben des 1,5-Grad-Berichts des UN-Klimarats müssten die G20-Staaten ihren Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 um mindestens 45 Prozent im Vergleich zu 2010 reduzieren, wie die Experten im "Brown to Green"-Report erläutern. Bis 2070 dürften sie unterm Strich keine Treibhausgase mehr ausstoßen.
Der Bericht wurde mit Blick auf die UN-Klimakonferenz veröffentlicht, die vom 2. bis zum 13. Dezember in Madrid stattfindet. Im Pariser Klimaabkommen hatte die internationale Gemeinschaft 2015 vereinbart, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Von der Erfüllung dieses Ziels ist die Menschheit nach derzeitigem Stand allerdings weit entfernt. Bis 2020 sollen die Vertragsstaaten Zusagen zur Anhebung ihrer nationalen Klimaschutzziele machen.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP