Zahlen aus den USA Gürtelrose-Impfstoff könnte Demenz verzögern
30.07.2024, 18:34 Uhr Artikel anhören
Von Shingrix sollte man innerhalb von zwei bis sechs Monaten nach der ersten Impfung eine zweite Dosis bekommen.
(Foto: IMAGO/Beautiful Sports)
Demenz ist eine gefürchtete Erkrankung des Alters, die in Zukunft immer mehr Menschen betrifft. Forschende bekommen nun Hinweise darauf, dass ein relativ neuer Zoster-Impfstoff nicht nur die Gürtelrose verhindern, sondern auch die Demenz aufhalten könnte.
Die Anwendung des Gürtelrose-Impfstoffes Shingrix hat zu einem Rückgang der Demenzerkrankungen bei Geimpften ab 65 Jahren in den USA geführt. Das fanden Forscher der University of Oxford heraus. Der Effekt war bei Frauen und Männern feststellbar, fiel jedoch bei Frauen stärker aus, schreiben die Forschenden zu ihren Ergebnissen, die in der Fachzeitschrift "Nature Medicine" veröffentlicht wurden.
Durch die Einführung des neuen Impfstoffs Shingrix, der seit 2017 in den USA angewendet wird, ergab sich eine gute Ausgangssituation für die Forschung. Bisher hatte man immer nur die Möglichkeit, die Nebeneffekte von Gürtelrose-Impfstoffen bei Geimpften mit denen von Nichtgeimpften zu vergleichen. Weil man weiß, dass Menschen, die sich impfen lassen, insgesamt gesundheitsbewusster leben, waren diese Forschungsergebnisse fehleranfällig und deshalb nur bedingt aussagekräftig. Doch durch die Neuzulassung von Shingrix konnte das Forschungsteam nun die Nebeneffekte der verschiedenen Impfstoffe einander gegenüberstellen.
Daten aus elektronischen Krankenakten
Da es bereits vorher Hinweise auf vor Demenz schützende Wirkungen von Gürtelrose-Impfstoffen gab, nahm das Team um Paul Harrison nun die Wirkungen des neuen Impfstoffs Shingrix genauer unter die Lupe. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten die Daten der elektronischen Krankenakten von mehr als 200.000 Personen im Alter ab 65 Jahren, die sich gegen Gürtelrose impfen ließen.
Dafür wurden aus den Daten der Krankenakten zunächst zwei Gruppen gebildet, die sich in ihren Eigenschaften, der Aktenlage zufolge, so ähnlich wie möglich waren. Bei der ersten Gruppe handelte es sich um knapp 104.000 Senioren, die sich zuvor mit dem herkömmlichen Impfstoff Zostavax gegen Gürtelrose impfen ließen. In der zweiten Gruppe, mit genauso vielen Senioren, wurden alle mit Shingrix geimpft. Der Zeitraum der Nachbetrachtung dauerte sechs Jahre nach der letzten Impfdosis.
Bei der Auswertung der Daten stellten die Forscher fest, dass bei denen, die sich mit Shingrix impfen ließen, die Demenzdiagnose um 17 Prozent später gestellt wurde als bei denen, die mit Zostavax impfen ließen. Das bedeutet: Die Shingrix-Geimpften lebten also im Durchschnitt 164 Tage länger ohne Demenzdiagnose.
In einem weiteren Untersuchungsschritt verglichen die Forscher die Ergebnisse der beiden Gürtelrose-Impfstoffe mit verschiedenen Impfstoffen gegen Grippe, Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten. Auch dabei zeigte sich, dass Shingrix mit einer Verzögerung der Demenz um 14 bis 27 Prozent am besten abschließt. "Die Ergebnisse sind faszinierend und ermutigend. Angesichts der großen und steigenden Zahl der Betroffenen ist alles, was das Demenzrisiko senken könnte, zu begrüßen", wird Harrison laut Mitteilung der Uni dazu zitiert.
Ursache von Schutzwirkung noch unklar
Wie es zu der Schutzwirkung kommt, können die Forscher bisher nicht sagen. "Eine Möglichkeit ist, dass eine Infektion mit dem Herpes-Zoster-Virus das Demenzrisiko erhöhen könnte. Durch die Hemmung des Virus könnte der Impfstoff dieses Risiko verringern. Alternativ enthält der Impfstoff auch Chemikalien, die möglicherweise separate positive Auswirkungen auf die Gesundheit des Gehirns haben", sagt John Todd, der ebenfalls an der Untersuchung beteiligt war.
Bevor man den Vorschlag machen kann, den Gürtelrose-Impfstoff als Demenz-Verzögerer einzusetzen, sind weitere Untersuchungen nötig. Dennoch sollten sich Menschen vor einer Ansteckung mit dem Varizella-Zoster-Virus, der zur schmerzhaften Gürtelrose und bei manchen auch zu schmerzhaften Nervenentzündungen führen kann, mit einer Impfung schützen. In Deutschland wird eine Impfempfehlung mit zwei Dosen für alle ab 60 Jahren und alle ab 50 Jahren, die eine Grunderkrankung wie Diabetes oder rheumatoide Arthritis oder ein geschwächtes Immunsystem haben, empfohlen. In besonderen Fällen können auch Erwachsene ab 18 Jahren geimpft werden.
Quelle: ntv.de, jaz