Erfolgreiche Tests Spezielle Straßenlaternen verringern Insektensterben
25.06.2024, 13:26 Uhr Artikel anhören
Hunderte Eintagsfliegen schwirren unter einer Straßenlaterne.
(Foto: picture alliance / dpa)
Geht am Abend die Straßenbeleuchtung an, dann sieht man vor allem im Sommer massenhaft Insekten darum kreisen. Die meisten von ihnen sterben. Wie man Straßenbeleuchtung in Zukunft insektenfreundlicher machen kann, testet ein Forschungsteam an mehreren Orten in Deutschland mit Erfolg.
Straßenlaternen und Leuchtwerbung werden für Insekten immer wieder zu tödlichen Fallen: Das künstliche Licht zieht sie in den Bann. Wenn sie die Lampen umschwirren, sterben manche Insekten vor Erschöpfung. Andere werden im Licht zur leichten Beute für Räuber oder gelangen ins Innere der Lampen, wo sie verbrennen oder gefangen bleiben und sterben. Durch gezieltes Abschirmen der Lichtquellen kann das Insektensterben reduziert werden, zeigt nun eine im Fachmagazin "Communications Biology" vorgestellte Studie.
Das Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin hat dazu spezielle Straßenlaternen entwickelt und getestet. Diese geben weniger Streulicht zur Seite sowie nach oben hin ab. Im Vergleich mit konventioneller Straßenbeleuchtung habe sich gezeigt, dass bei Einsatz der neuen Laternen weniger Insekten in den aufgestellten Fallen gelandet seien, berichten die Forscherinnen und Forscher. Neben der Begrenzung des Lichtausfalls wurde dem Bericht zufolge auch das Dimmen der Helligkeit getestet.
Dimmen hilft kaum
Bisherige Studien zur Reduktion der Beleuchtungsstärke hätten gemischte Ergebnisse geliefert, berichten die Autorinnen und Autoren. In ihrem eigenen Projekt habe das Dimmen des Lichts keinen signifikanten Einfluss auf die Insekten gezeigt. Deutliche Unterschiede habe aber die Begrenzung des Lichtausfalls ergeben.
Die Tests wurden in kontrollierter Versuchsumgebung im brandenburgischen Sternenpark Westhavelland sowie in drei Gemeinden in Baden-Württemberg durchgeführt. Dabei seien die Standorte so ausgewählt worden, dass eine Bandbreite von städtischen, stadtnahen und ländlichen Umgebungen abgebildet wurde.
Während einer vierjährigen Versuchszeit (2019-2022) auf dem Gelände im Westhavelland wurden demnach 7240 Insekten gefangen, darunter Mücken, Eintagsfliegen und Käfer. 3296 Tiere landeten in den Fallen an den konventionellen Straßenlaternen, 2130 wurden von den gedimmten Laternen angezogen. Die neu entwickelten, gezielt und abgeschirmt strahlenden Leuchten zogen dagegen mit 566 Insekten deutlich weniger Tiere an als die anderen Leuchten - hier wurden nur etwa 1,3 Mal mehr Insekten gefangen als in den dunklen Kontrollfallen.
Die Versuche an den Straßen in Baden-Württemberg wurden im Jahr 2022 durchgeführt. In dem Jahr landeten dem Bericht zufolge 1553 Insekten in den Fallen. Im Vergleich zogen die konventionellen Leuchten an den drei Standorten jeweils etwa doppelt so viele Insekten an wie die maßgeschneiderten Lampen. Konventionelle, gedimmte Leuchten kamen hier nicht zum Einsatz.
Wie wirkt Licht auf Insekten?
"Wir sind eigentlich von einer allgemeinen Dosis-Wirkungs-Beziehung in Bezug auf das Flugverhalten der Insekten zum Licht ausgegangen. Es hat sich aber gezeigt, dass die Reduktion der unerwünschten Lichtemission durch räumliche Begrenzung und Abschirmung viel wirksamer ist als die Reduktion der Beleuchtungsstärke", sagte Erstautor Manuel Dietenberger vom IGB.
Nach Angaben der Forschenden sind rund die Hälfte aller Insektenarten in Deutschland nachtaktiv. Wie genau Insekten auf Straßenbeleuchtung reagieren, ist bislang nicht eindeutig geklärt. Dem IGB zufolge wird vermutet, dass zumindest einige Arten im Nahbereich nicht direkt auf das Licht zufliegen, sondern ihren Rücken zur helleren Hemisphäre ausrichten, um die Flugkontrolle zu behalten. Es sei deshalb möglich, "dass die tatsächliche Anzahl der in Fallen gefangenen Insekten an der Lichtquelle nur einen Bruchteil der betroffenen Insekten darstellt", heißt es in der Studie.
Problematisch für die Insekten sei vor allem blaues, kaltes Licht, sagte Laura Breitkreuz, Referentin für Biodiversität und Entomologie beim Naturschutzbund (NABU). Das ähnele dem Licht, das vom Mond reflektiert werde. Die Tiere könnten den Mond dann nicht mehr als Orientierungsquelle nutzen.
Bundesgesetz für mehr Insektenschutz
Bundesweit traten im März 2022 neue Regelungen für den Schutz von Insekten vor nächtlicher Beleuchtung in Kraft. So gilt etwa in Naturschutzgebieten ein Verbot für neue Straßenbeleuchtungen und für leuchtende Werbeanlagen. Das sei ein Anfang, doch der nächtliche Insektenschutz habe in vielen Regionen nach wie vor keinen hohen Stellenwert, sagte Breitkreuz. "Dabei ist es relativ einfach, da etwas zu machen."
Es helfe schon, statt weißen LED-Lichtern wärmeres, gelbes Licht zu nutzen. Im eigenen Garten könnten Zeitschaltuhren, eine Verteilung des Lichts auf viele kleinere Lichtquellen und nach unten gerichtete Lampen helfen. "Und dann sollte man natürlich überlegen, ob man wirklich jedes Licht in der Nacht anlassen muss." Als Vorbild nannte die NABU-Expertin das hessische Fulda, wo sehr auf die nächtliche Lichtverschmutzung geachtet werde. "Das ist wunderbar für die Insekten." Im "Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt" ist neben den Vorgaben zur Lichtverschmutzung auch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln geregelt.
Quelle: ntv.de, Rabea Gruber, dpa