Wissen

Tödliche Duftfalle Plastikgeruch zieht Seevögel an

Verendete Sturmschwalbe mit Plastikteilchen im Magen.

Verendete Sturmschwalbe mit Plastikteilchen im Magen.

(Foto: Sarah Youngren/dpa)

Plastikteilchen im Meer richten viel Unheil an. Sie werden nicht nur wegen ihrer Form und Größe für Nahrung gehalten, sie verströmen auch noch einen für viele Meeresvögel angenehmen Duft. Das verführt diese zusätzlich, sie zu fressen. "Geruchsfalle" nennen Forscher das.

Das duftet nach einer Shrimps-Mahlzeit: Plastikmüll im Meer sieht für viele Vögel nicht nur so aus wie Futter, sondern riecht auch danach. Er verströmt den für sie angenehmen Geruch von Dimethylsulfid, wie Forscher der University of California in Davis berichten. Plastik bilde so für bestimmte Küstenvögel eine gefährliche "Geruchsfalle", schreibt das Team um Matthew Savoca im Fachmagazin "Science Advances". Die Forscher untersuchten Meeresvögel aus der Gruppe der Röhrennasen, zu denen Albatrosse und Sturmvögel zählen. Viele davon haben einen feinen Geruchssinn, den sie bei der Futtersuche nutzen.

Plastik im Meer bildet nicht nur eine "Geruchsfalle" für Vögel, sondern auch für viele andere Meerestiere.

Plastik im Meer bildet nicht nur eine "Geruchsfalle" für Vögel, sondern auch für viele andere Meerestiere.

(Foto: imago/OceanPhoto)

Um herauszufinden, wonach Plastik im Meer riecht, setzten die Forscher Kügelchen aus drei verbreitete Plastiksorten ins Meer vor der kalifornischen Küste. Damit das Experiment nicht zur Meeresverschmutzung beiträgt, hingen die Kugeln in feinen Netzen an Bojen und kamen nach drei Wochen wieder an Land. Sie wurden dann im Robert Mondavi Institute for Wine and Food Science der University of California untersucht, das eigentlich auf Lebensmittelaromen spezialisiert ist. Dort ermittelten Chemiker, dass die Untersuchungsobjekte Dimethylsulfid ausströmten. Es stammte von Algen, die die Perlenoberfläche bedeckten. An Plastik im Meer setzen sich generell gerne solche Biofilme ab.

Wie eine "Glocke, die zum Fressen läutet"

Koautorin Gabrielle Nevitt hatte zuvor schon belegt, dass der Geruch dieser Substanz viele Röhrennasenvögel normalerweise zu ihrer Nahrung leitet. Dimethylsulfid werde freigesetzt, wenn Algen etwa von Kleinstkrebsen wie Krill verspeist würden. Krill wiederum sei die Lieblingsspeise vieler Vögel. "Obwohl die Algen selbst nicht nach Fressen riechen, verbreiten sie dessen Geruch, während sie gefressen werden, was für die Vögel einer Glocke gleicht, die zum Fressen läutet", schreibt die Universität in einer Mitteilung. Die schwefelhaltige Verbindung Dimethylsulfid (DMS) ist mitverantwortlich für den Meeresgeruch.

Wenn Vögel zu viel Plastik fressen, können sie verhungern, weil ihre Mägen davon verstopft sind.

Wenn Vögel zu viel Plastik fressen, können sie verhungern, weil ihre Mägen davon verstopft sind.

(Foto: imago/JOKER)

Die Anziehungskraft von Dimethylsulfid korreliert sehr stark mit der Vorliebe der Vogelarten für Kleinstkrebs (Krill). Vögel, die Dimethylsulfid als Hinweis auf Futter nutzen, fressen nach Angaben der Forscher rund sechsmal so viel Plastik wie solche, die das nicht tun. Sie hatten Plastikmahlzeiten von mehr als 13.000 Vögeln aus 55 Studien analysiert. Plastik kann sich im Magen der Vögel ablagern. Wenn sie zu viel davon fressen, können sie verhungern, weil ihre Mägen von Plastikteilchen verstopft sind.

"Geruchsfalle" für viele Meerestiere

Plastik im Meer bilde nicht nur eine "Geruchsfalle" für die genannten Vögel, sondern auch für viele andere Meerestiere vom Zooplankton bis zu Walen, die auf Dimethylsulfid reagieren, schreiben die Forscher. Das US-Team schlägt unter anderem vor, Plastik zu entwickeln, an dem sich keine Biofilme anhängen können.

Weltweit gelangen nach Angaben von Greenpeace jährlich bis zu 13 Millionen Tonnen Plastikabfälle vom Land ins Meer. Die Organisation ruft jeden Menschen auf, Plastik zu vermeiden. Es gibt zudem diverse Ansätze, den Müll aus dem Meer zu holen: Berühmt wurde der Niederländer Boyan Slat mit seinem Projekt The Ocean Cleanup - das von ihm entwickelte Gerät aus kilometerlangen Fangarmen auf der Meeresoberfläche soll 2020 auf dem Pazifik Müll in einen Trichter leiten. Vielen erscheint das Projekt unrealistisch. Doch der erste kleine Prototyp schwimmt seit Juni in der Nordsee. Zudem hat Slat einen Preis des UN-Umweltprogramms erhalten.

Kleinere Projekte sind bereits gestartet: Im September wurde der in einer Lübecker Werft gebaute Katamaran "Seekuh" getauft. Zwischen den jeweils zwölf Meter langen Rümpfen ist eine bewegliche Netzkonstruktion angebracht, die auf der Wasseroberfläche treibende Kunststoffteile abfischt. Die EU fördert ein Projekt namens "MareLitt" gegen Müll in Europas Meeren, bei dem beispielsweise Geisternetze in der Ostsee geborgen werden.

Quelle: ntv.de, Simone Humml, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen