Kunststoff im Fluss untersucht Plastikmüll begünstigt antibiotikaresistente Krankmacher
02.11.2023, 14:57 Uhr Artikel anhören
Nahezu in allen Gewässern haben Forschende Plastikmüll nachgewiesen.
(Foto: IMAGO/CHROMORANGE)
Plastikmüll ist ein globales Umweltproblem. Wie die Kunststoffabfälle in Flüssen auch zum Gesundheitsrisiko für Menschen werden können, erklärt ein Forschungsteam, das die dort ansiedelnden Mikroorganismen genau unter die wissenschaftliche Lupe genommen hat.
Gemeinschaften aus Mikroorganismen, die auf Plastikmüll in Flüssen wachsen, könnten nicht nur potenzielle Krankheitserreger beherbergen, sondern auch antimikrobielle Resistenzgene: Diese verleihen Bakterien die Fähigkeit, gegen Antibiotika resistent zu werden. Vor allem verwitterter Kunststoff scheint entsprechende Mikroben anzuziehen, so das Ergebnis einer internationalen Studie, die im Fachblatt "Microbiome" veröffentlicht wurde.
Seevögel, die in Kunststoffnetzen verenden, Meeresschildkröten, die sich nicht aus Plastiktüten befreien können, und immer wieder Berichte über Müllberge selbst auf den entlegensten Inseln in den Ozeanen: Dass der zunehmende Plastikeintrag in die Gewässer der Erde eine Belastung für Natur und insbesondere Tierwelt ist, drückt sich nicht zuletzt in solchen Bildern aus.
"Opportunistische Erreger" nachgewiesen
Eine neue Studie legt nun allerdings nahe, dass der Plastikmüll im Wasser auch zum Gesundheitsrisiko für Menschen werden könnte. Deren Autoren deponierten Plastikfolie-Stückchen für eine Woche im britischen Fluss Sowe und das an einer Stelle, die sich einen Kilometer flussabwärts einer Kläranlage befand. Die Hälfte der Folienproben war neu, die andere sechs Monate in einem Ofen erhitzt worden, um den natürlichen Verwitterungsprozess zu simulieren. Als Kontrollprobe platzierten die Forschenden auch Holzstäbchen im Fluss und analysierten dann die mikrobiellen Gemeinschaften, die sich auf allen Proben und im Flusswasser selbst fanden.
Wie die Forschungsgruppe feststellte, enthielten alle untersuchten Proben potenziell krankheitserregende Bakterien, die sich allerdings unterschieden: So fanden sich auf den Kunststoffproben die Stäbchenbakterien Pseudomonas aeruginosa, Acinetobacter und Aeromonas, die unterschiedlichste Infektionen auslösen können und teilweise gegen viele Antibiotika resistent sind. Diese Bakterien sind auch als opportunistische Erreger bekannt, was bedeutet, dass sie für gesunde Menschen keine Gefahr bedeuten, für solche mit geschwächtem Immunsystem aber ein Risiko darstellen können. Im Gegensatz dazu enthielten die Proben des Flusswassers andere potenziell pathogene Bakterien, nämlich vor allem Escherichia, Salmonellen, Klebsiella und Streptokokken.
Krankenhauskeim auf verwittertem Plastikmüll
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten die Mikroorganismen auch auf sogenannte antimikrobielle Resistenzgene: Diese legen die Grundlage für Antibiotika-Resistenzen. Tatsächlich fanden sie in den Mikroben aller Proben derartige Resistenzgene. Allerdings unterschieden sich die Arten von antimikrobiellen Substanzen, gegen die diese Gene Resistenz verleihen, je nachdem, ob die entsprechenden Mikroben aus den Kunststoff- und Holzproben oder aus den Wasserproben extrahiert worden waren.
Einen weiteren Unterschied entdeckte das Forschungsteam, als es die mikrobiellen Gemeinschaften auf den neuen Plastikfolien mit denen auf den künstlich verwitterten verglich. Auf letzteren kam besonders häufig das Bakterium Pseudomonas aeruginosa vor, welches zur Gruppe der weltweit gefürchteten Krankenhauskeime gehört und Lungenentzündungen verursachen kann.
Wie die Studienautoren vermuten, könnte das darauf zurückzuführen sein, dass zerfallende Kunststoffe größere Mengen an organischen Verbindungen freisetzen, die das mikrobielle Wachstum stärker fördern als neue Kunststoffe. Ebenso fanden sich bei den Bakterien auf den verwitterten Plastikfolien häufiger antimikrobielle Resistenzgene, was die Forschenden bislang nicht erklären können.
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Plastikmüll im Süßwasser von potenziellen Krankheitserregern besiedelt wird, die sich von denen im umgebenden Wasser unterscheiden", fassen die Studienautoren zusammen. Weitere Untersuchungen sollten die möglichen Risiken untersuchen, welche die Kunststoffverschmutzung mit ihrer Fähigkeit, potenziell pathogene Mikroben mit antimikrobiellen Resistenzgenen zu beherbergen, für die menschliche Gesundheit und die Verbreitung der Resistenzgene in der Umwelt darstellen könnten.
Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa