Partikel verändern unser Wetter Mikroplastik verschmutzt jetzt auch unsere Wolken


Japanische Forscher haben im Wolkenwasser des Fuji in großer Höhe Mikroplastik entdeckt.
(Foto: IMAGO/Pond5 Images)
Plastik hält unendlich lange, das macht es so beliebt. Doch nicht richtig entsorgt, verschmutzt der Kunststoff die entlegensten Winkel der Erde: Zum ersten Mal haben Wissenschaftler jetzt sogar Mikroplastik in Wolken entdeckt. Dort können die winzigen Teilchen sogar Wetter und Klima beeinflussen.
Mikroplastik sind Kunststoffpartikel mit einer Größe von fünf Millimetern bis zu 1000 Nanometern. Winzige Körnchen, die teilweise in Kosmetik oder Düngemitteln zu finden sind, mittlerweile aber auch unsere Meere, die Luft, unseren Regen und längst auch Körper verschmutzen. Die kleinen Teilchen entstehen auch, wenn Plastikmüll wie Einkaufstüten oder Plastikflaschen in der Umwelt landet und dort zerfällt.
Zum ersten Mal haben japanische Wissenschaftler diese Plastikteilchen jetzt auch in Wolken entdeckt. Auf dem höchsten Berg Japans, dem Fuji, und auf dem Berg Oyama haben sie Feuchtigkeit aus Wolken gesammelt und analysiert. Dabei entdeckten die Forscher neun verschiedene Arten von Polymeren, zum Beispiel Polyamid und Polycarbonat und eine Art von Gummi.
Diese Ergebnisse sind für Melanie Bergmann keine Überraschung. Die Meeresbiologin am Alfred-Wegener-Institut hat schon 2019 im Schnee der Arktis, der Schweizer Alpen oder auch in Eisschollen hohe Konzentrationen an Mikroplastik nachgewiesen. "Das hatte ich mir schon gedacht. Es liegt nahe, dass es von oben heruntergekommen ist und vorher in der Luft war", sagt Bergmann im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".
Ozeane schicken Mikroplastik in die Luft
Die Mikroplastik-Teilchen sind über verschiedene Wege in die Wolken gekommen. Einer sind wahrscheinlich die Ozeane. Die Forscher haben in dem Wolkenwasser Polyethylen nachgewiesen, das von Luftmassen aus der Nähe der Meeresoberfläche transportiert wird - das deutet darauf hin, dass es wahrscheinlich aus Mikroplastik im Meer stammt. Es wurde möglicherweise durch die Gischt der Ozeane in die Luft getragen. Weitere Quellen für die Plastikkörnchen im Himmel sind Mülldeponien, Kunstrasen oder auch Kleidung.
"Das meiste Mikroplastik entsteht tatsächlich durch Abrieb von Autoreifen, durch den Verkehr wird das dann aufgewirbelt", erklärt Bergmann. "Das, was auf den Boden fällt, wird wieder in die Luft gewirbelt und durch Wind weiter vertrieben. Man sieht ja manchmal sogar Plastiktüten mit dem Wind fliegen. Und bei kleinen Partikelchen geht das natürlich viel besser. Man hat selbst Saharastaub Tausende Kilometer entfernt im Ozean auf Messbojen gefunden. So verhält es sich bei Mikroplastik-Teilchen auch."
Ein überraschendes Ergebnis der Studie ist, dass Kunststoffe eigentlich hydrophob sind, also Feuchtigkeit abstoßen. Die japanischen Wissenschaftler haben aber im Wolkenwasser viele hydrophile - also wasserliebende - Polymere gefunden. Wasserliebend werden sie, wenn sie längere Zeit lang ultraviolettem Licht ausgesetzt sind, in der oberen Atmosphäre. Dann altern sie, brechen auf und zerfallen. Das setzt außerdem Treibhausgase frei und trägt zur globalen Erwärmung bei.
Wolken aus Plastik
Die Mikroplastik-Teilchen können somit zu Wolkenkernen werden, erläutert Bergmann im Podcast: "An denen kann sich Wasser gut anlagern und das könnte Wolkenbildung begünstigen. Wenn viele solche Teilchen in der Atmosphäre vorhanden sind, dann kann das natürlich zu mehr Wolken führen."
Das könne dafür sorgen, dass sich das Wetter und auch das Klima verändert, "in Gebieten, die sehr verschmutzt sind, zum Beispiel über Städten", sagt Bergmann. Wolken können abkühlend wirken, weil sie die Sonnenstrahlung reflektieren. Sie können aber auch dafür sorgen, dass Wärme in der Nähe der Erde bleibt - sie heizt sich auf.
Wenn die Plastikteilchen Wasser in der Luft binden, landet aber auch weniger davon auf der Erde: "Wenn mehr Wasserdampf in der Atmosphäre gebunden wird, dann fließt es weniger auf terrestrischen Gebieten und gelangt auch weniger ins Grundwasser", sagt Elke Fischer im "Wieder was gelernt"-Podcast. Sie leitet die Arbeitsgruppe Microplastic Research am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit an der Universität Hamburg. Eine verstärkte Wolkenbildung hätte eine Veränderung des Wasserhaushalts und auch des Strahlungshaushalts zur Folge.
Proben möglicherweise kontaminiert
Elke Fischer findet die Forschungsergebnisse aus Japan nicht 100-prozentig überzeugend. Die gefundenen Mikropartikel müssen nicht unbedingt aus Wolken stammen. In der freien Atmosphäre zu messen, sei schwierig, sagt sie. Die Teilchen könnten auch schon vorher dort gewesen sein - die Regentropfen könnten sie herausgewaschen haben. Oder die vielen Bergsteiger haben sie auf den Fuji gebracht.
Außerdem könnten die Proben kontaminiert worden sein, weil alle Mikroplastik-Forscher in ihrer Arbeit auf Plastik angewiesen sind. Daraus sind sowohl die Geräte zum Probensammeln gemacht, als auch die Flaschen zum Transport, oder die Labore. Eigentlich müsste alles durch andere Materialien wie Glas, Edelstahl, Keramik oder Holz ersetzt werden, sagt Fischer. Selbst das Wasser aus der Leitung sei mit Mikroplastik verseucht.
Insgesamt seien in 44 Proben nur 70 Partikel gemessen worden. Das seien "bedenklich niedrige Konzentrationen", merkt Fischer im Podcast an. Man könne das Ergebnis nur eingeschränkt beurteilen, "weil man nicht weiß, was eine Kontamination aus dem Plastik ist, was hier zur Probenahme und zur Analytik genutzt wurde."
Mikroplastik beschäftigt Forscher weltweit auch noch die nächsten Jahrzehnte. Elke Fischer und ihr Team wollen als Nächstes den Regen in italienischen Wäldern auf Mikroplastik untersuchen.
Jeden Tag werden 2000 Müllwagen voller Plastikmüll in Ozeane, Flüsse und Seen gekippt. Landen die kleinen Plastikteilchen in Wolken, transportieren die sie diese sie in die entlegensten Bereiche der Erde. Runter kommt "Plastikregen" - der fast alles kontaminiert, was wir essen und trinken.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de