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Bizarres Wesen aus der Urzeit Rätsel um Tully-Monster teilweise gelöst?

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Die Zähne legen nahe, dass Tullimonstrum ein Jäger war.

Die Zähne legen nahe, dass Tullimonstrum ein Jäger war.

(Foto: Illustration by Sean McMahon / Yale University)

Tullimonstrum gregarium - bloß eine Laune der Natur? Zumindest könnte man das angesichts des merkwürdigen Aussehens des Urzeit-Lebewesens meinen. Bis heute weiß niemand genau, was das Tully-Monster eigentlich ist. Forscher rücken des Rätsels Lösung nun ein Stück näher.

Es sieht aus, als wäre es von einer anderen Welt: In 309 Millionen Jahre altem, versteinertem Schlamm entdeckt Fossiliensammler Francis Tully in den 1950er Jahren Fossilen eines sonderbaren Wesens. Es hat einen fischähnlichen, etwa 30 Zentimeter langen Körper mit seitlich abstehenden Stielaugen, einen pfeilförmigen Flossenschwanz und eine rüsselartig stark verlängerte Schnauze mit Zähnen. Tullimonstrum gregarium, das nach seinem Entdecker benannt wurde, breitet Paläontologinnen und Paläontologen seitdem Kopfzerbrechen. Die große Frage ist, welchen Platz das Tully-Monster im Stammbaum des tierischen Lebens eingenommen hat.

Zunächst gilt das bizarre Lebewesen als eine Art Urzeit-Borstenwurm. Eingehende Analysen seiner Anatomie enthüllen jedoch einige Merkmale, die überraschend Wirbeltieren ähnelten. 2016 ordnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Tullimonstrum daher als einen Vorläufer der Neunaugen und damit als frühes Wirbeltier ein. Doch mehrere Paläontologen, darunter auch Tomoyuki Mikami vom Nationalmuseum für Natur und Wissenschaft in Tsukuba bei Tokio, bleiben skeptisch. "Die seltsame Morphologie passt zu keinem bekannten Tierbauplan", sagt Mikami.

Tomoyuki Mikami und sein Team verwenden hochauflösenden 3D-Laserscanners und Mikro-Röntgentomografie, um die Form des Tully-Monsters im Detail zu analysieren.

Tomoyuki Mikami und sein Team verwenden hochauflösenden 3D-Laserscanners und Mikro-Röntgentomografie, um die Form des Tully-Monsters im Detail zu analysieren.

(Foto: Tomoyuki Mikami)

Offenbar doch kein Wirbeltier

Er und sein Team haben das rätselhafte Tier daher nun genauer untersucht. Sie analysierten 153 fossile Exemplare des Tully-Monsters mithilfe eines hochauflösenden 3D-Laserscanners und mittels Mikro-Röntgentomografie. Dabei konzentrierten sie sich vor alle auf die Kopfregion, da sich dort am ehesten charakteristische, für seine Zuordnung hilfreiche Merkmale verbergen könnten.

Das Ergebnis: Das Tully-Monster ist offenbar doch kein Wirbeltier. Die Strukturen wiesen auf eine Form von wirbellosen Tieren hin, schreiben die Forscherinnen und Forscher im Fachjournal "Palaeontology". "Der wichtigste Punkt ist, dass das Tully-Monster eine Segmentierung im Kopfbereich hatte, die sich über seinen Körper fortsetzte. Dieses Merkmal ist bei keinem Wirbeltierstamm bekannt", erklärt Studienautor Mikami.

"Hinweise für Verständnis der Evolutionsgeschichte"

Obwohl sich das Forschungsteam also sicher ist, dass das Tully-Monster kein urtümliches Wirbeltier ist, wie bisher angenommen, ist das Geheimnis des rätselhaften Lebewesens immer noch nicht komplett gelüftet. Viele Fragen bleiben offen.

Was war Tullimonstrum tatsächlich für ein Tier? Dazu können die Autoren der Studie nur Vermutungen anstellen. Für wahrscheinlich halten sie, dass das Tully-Monster zu den Urmündern (Protostomia) gehörte. Diese Tiergruppe umfasst heute unter anderem Würmer, Insekten und Schnecken. Die Forscherinnen und Forscher wollen aber auch nicht ausschließen, dass das Tully-Monster zu den wirbellosen Chordatieren gehört haben könnte. Damit könnte es ein früher, exotischer Seitenzweig der Stammeslinie sein, zu der heute Lanzettfischchen und Seescheiden gehören. Die stehen den eigentlichen Wirbeltieren immerhin näher als Würmer oder Weichtiere.

Eine eindeutige Zuordnung lässt sich laut der Studie aber nach wie vor nicht treffen. Umso wichtiger ist es Mikami zufolge, dass weiter an den mysteriösen Tully-Monstern geforscht wird. "Es gab viele interessante Tiere, die nie als Fossilien erhalten geblieben sind", sagt er. "In diesem Sinne ist die Erforschung der Fossilien des Tully-Monsters wichtig. Sie können wichtige Hinweise für das Verständnis der Evolutionsgeschichte des Lebens liefern."

Quelle: ntv.de

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