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Immer mehr Fälle Kinder-Hepatitis ist noch rätselhaft

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Wegen der schweren Hepatitisverläufe sind Expertinnen und Experten besorgt.

Wegen der schweren Hepatitisverläufe sind Expertinnen und Experten besorgt.

(Foto: imago images/Cavan Images)

In den letzten Wochen wird bei mehr als 150 Kindern in 11 Ländern ein unbekannter, schwerer Hepatitis-Stamm identifiziert. Mindestens ein Kind stirbt an der Infektion. Inzwischen fließen immer mehr Informationen zu den Fällen bei den Behörden zusammen. Was wir wissen und was nicht.

Von wie vielen dieser speziellen Hepatitis-Fälle ist auszugehen?

Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sind bisher 169 Fälle von akuter Hepatitis bei Kindern in 11 Ländern bekannt. Mindestens ein Kind sei an einer Leberentzündung gestorben, 17 Kinder benötigten eine Lebertransplantation, teilte die WHO am Wochenende mit. Noch sei nicht klar, "ob es eine Zunahme von Hepatitis-Fällen oder eine Zunahme des Bewusstseins für Hepatitis-Fälle gegeben hat, die mit der erwarteten Rate auftreten, aber unentdeckt bleiben", so die WHO-Experten.

Wann traten die ersten Infektionen auf?

Die ersten fünf Fälle wurden am 31. März in Schottland von Ärztinnen und Ärzten gemeldet, sagte Meera Chand. Die Direktorin für klinische und neu auftretende Infektionen bei der britischen Gesundheitsbehörde gab am Montag eine Notfallpräsentation auf dem Europäischen Kongress für klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten zu der Entwicklung. Die Medizinerinnen und Mediziner hätten sofort erkannt, dass diese Häufung ungewöhnlich ist. Normal sind in Schottland etwa fünf Hepatitisfälle bei Kindern im ganzen Jahr.

Welche Länder sind bisher betroffen?

Großbritannien hat bisher 114 Fälle gemeldet, teilte die WHO in ihrem Update mit. Spanien hat mit 13 die zweithöchste Zahl von Fällen, gefolgt von Israel mit 12 und den Vereinigten Staaten mit 9. Auch in Dänemark, Irland, den Niederlanden, Italien, Norwegen, Frankreich, Rumänien und Belgien werden geringe Infektionszahlen verzeichnet. Die betroffenen Kinder sind zwischen einem Monat und 16 Jahren alt. In den meisten Fällen sind sie aber unter 10 Jahre alt, viele unter fünf. Möglicherweise gibt es noch mehr Infektionen, die bisher nicht erkannt wurden.

Welche Symptome haben die Erkrankten?

Die große Mehrheit der Kinder hatte keine Vorerkrankungen. Bevor die Kinder Anzeichen einer schweren Hepatitis zeigten, hatten sie Symptome wie Gelbsucht, Durchfall, Erbrechen und Bauchschmerzen, aber kein Fieber. Aikaterini Mougkou, Expertin für antimikrobielle Resistenz beim Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), sagte während der Notfallpräsentation, die Fälle seien "wirklich besorgniserregend".

Was weiß man über den Virenstamm?

Bei den Kindern konnte keines der fünf bekannten Hepatitisviren A , B, C, D und E nachgewiesen werden, so Chand. Weil die Ursache der Infektionen bisher unbekannt ist, liegt auch der Übertragungsweg noch im Dunkeln. "Wir kennen den Übertragungsweg nicht und wissen nicht, wie man ihn verhindern und behandeln kann", sagte Mougkou.

Welche Herkunft vermuten die Experten?

Hepatitis ist eine Leberentzündung und tritt bei gesunden Kindern im Allgemeinen selten auf. Der WHO zufolge werden internationale Reisen oder Verbindungen in bestimmte Länder nach den derzeit verfügbaren Informationen ausgeschlossen. Chand sagte auch, es gebe keine Verbindung zum Wirkstoff Paracetamol, dessen Überdosierung zu Leberversagen führen könne. Ein Zusammenhang mit der Gabe von Corona-Impfstoffen wurde ebenfalls ausgeschlossen, da die meisten Kinder nicht alt genug waren, um geimpft zu werden. Als wahrscheinlichste Erklärung gilt bislang, dass Adenoviren beteiligt sind. Sie werden durch engen persönlichen Kontakt, Husten oder Niesen und das Berühren kontaminierter Oberflächen verbreitet. 75 Prozent der in Großbritannien an Hepatitis erkrankten Kinder wurden positiv auf Adenoviren getestet. Unter Ein- bis Vierjährigen werde zudem gerade ein Höchststand im Fünfjahresvergleich von Adenovirus-Infektionen verzeichnet, so Infektionsexpertin Chand. Ähnliche Beobachtungen gab es der WHO zufolge auch in Irland und der Niederlande.

Wie könnte diese Verbindung zu erklären sein?

Adenoviren sind weit verbreitete Viren, die eine Reihe von Krankheiten wie Erkältungen, Bronchitis und Durchfall verursachen. Sie führen aber mehrheitlich nicht zu schweren Erkrankungen. Möglich wäre, dass eine Kombination aus einem normalen Adenovirus zusammen mit einem anderen Faktor die Erkrankungen nun deutlich schwerer verlaufen lässt. Die Experten vermuten, dass vor allem kleine Kinder durch die Corona-Maßnahmen bisher zu wenig Immunität gegen Adenoviren aufgebaut haben. Auch eine Kombination aus Adenovirus und Sars-CoV2 sei denkbar. Dies könnte zum Beispiel passieren, wenn das Adenovirus auf eine bestehende oder frühere Corona-Infektion trifft. Von den 169 bekannten Hepatitis-Fällen wurde in 20 Fällen Sars-CoV-2 identifiziert. Bei 19 wurde eine Sars-CoV-2- und Adenovirus-Koinfektion nachgewiesen.

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Was wird jetzt unternommen?

Da das Adenovirus eine Infektionskrankheit ist, sollen besonders Kinder regelmäßig und sorgfältig ihre Hände waschen. Ärztinnen und Ärzte sollen verstärkt auf Anzeichen von Gelbsucht bei Kindern achten. Die WHO empfiehlt Bluttests. Durchgeführt werden sollen außerdem Urin-, Stuhl- und Atemwegsproben sowie Leberbiopsien. Auch andere infektiöse und nicht-infektiöse Ursachen müssen gründlich untersucht werden. Die Priorität besteht laut WHO darin, die Ursache dieser Fälle zu ermitteln, um die Kontroll- und Präventionsmaßnahmen weiter zu verfeinern.

(Dieser Artikel wurde am Dienstag, 26. April 2022 erstmals veröffentlicht.)

Quelle: ntv.de, sba

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