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Influenza-Variante im AnmarschNeue Virusmutation könnte heftige Grippewelle auslösen

27.11.2025, 17:13 Uhr
imageVon Hedviga Nyarsik
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Grippeviren mutieren ständig - mal mehr mal weniger stark. (Foto: IMAGO/BSIP)

Rekordzahlen in Australien, steigende Fälle in Europa: Die sogenannte Subklade K des H3N2-Virus zeigt weltweit eine ungewöhnlich starke Dynamik. Gesundheitsbehörden warnen: Diese Grippesaison könnte früher einsetzen und härter ausfallen als sonst.

Die Grippe schlägt in diesem Jahr früher und auch heftiger zu, lange bevor die kalte Jahreszeit ihren Höhepunkt erreicht. Das befürchtet zumindest das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). "Wir beobachten, dass die Influenzadiagnosen in diesem Jahr viel früher als üblich ansteigen", wird Edoardo Colzani, Leiter der ECDC-Abteilung für Atemwegsviren, in einer Mitteilung seiner Behörde zitiert. Verantwortlich ist die neue Variante Subklade K des Influenza-A-Stamms H3N2.

Influenzaviren verändern sich zwar ständig, doch bei diesem Stamm ist die Mutationsrate zuletzt besonders hoch gewesen, sagen Fachleute. "Durch die zahlreichen Veränderungen scheint sich H3N2 derzeit gegenüber anderen Influenza-A-Viren wie H1N1 durchzusetzen", sagt Gülşah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg der "Süddeutschen Zeitung". Besorgniserregend sei dabei, dass H3N2-Infektionen häufiger zu Lungenentzündungen führen. Bereits die schwere Grippesaison 2022/23, die mit besonders vielen Todesfällen einherging, sei von H3N2 dominiert worden, so die Expertin.

Wie der Blick in die Kristallkugel

Aber wie schwer wird denn die Grippewelle in dieser Saison? Ein Blick nach Australien verheißt nichts Gutes. Da dort die Jahreszeiten entgegengesetzt verlaufen, gilt das Land als eine Art Frühwarnsystem: Was auf der Südhalbkugel passiert, wiederholt sich oft wenige Monate später im Norden. Und diesmal fiel die Grippesaison in Australien besonders heftig aus. Mit über 400.000 laborbestätigten Fällen verzeichnete das Land einen neuen Allzeitrekord. Besonders betroffen waren Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren - rund jede dritte bestätigte Infektion betraf diese Altersgruppe.

In Deutschland gibt es bislang nur wenige Fälle der Subklade K. In anderen Ländern der nördlichen Hemisphäre hat sie sich die Variante bereits durchgesetzt. So berichten beispielsweise die USA und Japan über steigende Fallzahlen. Innerhalb Europas kursiert das Virus inzwischen in Norwegen, Island, Liechtenstein und Großbritannien. Die Grippesaison im Vereinigten Königreich begann fünf Wochen früher als sonst. Nach bisherigen Daten breitet sich die Grippe dabei ungewöhnlich schnell aus. Der R-Wert, der angibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt, liegt nicht, wie in gewöhnlichen Jahren, bei etwa 1,1, sondern bei 1,4. Das heißt: 100 Infizierte stecken statt 110 aktuell eher 140 Menschen an.

Eine Erklärung dafür könnte laut Adam Finn, Professor für Pädiatrie an der University of Bristol, sein: Die Bevölkerung ist weniger immun gegen die Ausbreitung des Grippevirus. Der sich derzeit ausbreitende Virusstamm sei zwar nicht völlig neu, aber "neu genug, um sich effizienter zu verbreiten, da unsere Immunität aus früheren Infektionen und Impfungen nicht so gut darauf abgestimmt ist", erklärt der Experte dem britischen Science Media Center. H3N2 habe im Sommer offenbar mehrere neue Mutationen bekommen.

Impfstoffe schützen trotzdem

Wie kann man sich auf eine heftige Grippewelle am besten vorbereiten? "Eine Impfung ist derzeit eine der wirksamsten Methoden, um sich selbst und Ihre Mitmenschen in diesem Winter vor schweren Erkrankungen zu schützen", rät ECDC-Experte Colzani. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) Menschen über 60 Jahren, Personen mit Vorerkrankungen, Schwangeren und medizinischem Personal zur Impfung. Aber auch andere können sich beraten lassen, ob eine Impfung womöglich sinnvoll ist.

Die alljährliche Herausforderung bei den Influenzaimpfstoffen besteht darin, dass diese lange im Voraus produziert werden müssen und daher nicht perfekt zu den später zirkulierenden Stämmen passen. "Deshalb passen die Impfstoffe nie hundertprozentig", sagt Virologin Gabriel. Das gelte auch in diesem Jahr. Dennoch: "Sie werden gut genug sein, um die Gefahr für einen schweren Krankheitsverlauf zu senken", versichert die Expertin.

Vorläufige Daten aus Großbritannien stützen ihre Einschätzung. Demnach konnten die Impfungen bei Erwachsenen die Rate der Krankenhausaufenthalte um 30 bis 40 Prozent senken, bei Kindern um 70 bis 75 Prozent. "Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Impfung nach wie vor ein wirksames Präventionsmittel gegen die zirkulierende Influenza A(H3N2) ist", schreiben die Autorinnen und Autoren.

Also doch kein Grund zur Sorge? Experten sind vorsichtig. "So früh in der Saison sind alle Einschätzungen noch sehr hypothetisch", sagt Infektiologin Susanne Herold von der Uniklinik in Gießen, der "Zeit". Zu Beginn einer Grippesaison treffen die Viren zunächst eher Kinder und junge Erwachsene - Gruppen, die statistisch seltener schwer erkranken. Erst wenn ältere Menschen vermehrt betroffen sind, wird sich zeigen, wie gefährlich die Subklade K tatsächlich ist und wie gut der Impfschutz sie abwehrt. "Wie schwer eine Grippewelle verläuft und wie gut die Impfung schützt, kann man mit Gewissheit immer erst im Nachhinein sagen", sagt auch Gabriel.

Quelle: ntv.de

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