Meer mit Drogen verseucht Schmerzmittel Fentanyl in Delfinen nachgewiesen


Delfine sind bereits zahlreichen Umweltstressfaktoren ausgesetzt.
(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)
Erst Haie auf Kokain, jetzt Delfine auf Fentanyl: Forschende finden erstmals Spuren des starken Schmerzmittels in Meeressäugern im Golf von Mexiko. Sie sehen das als Beweis, dass immer mehr Drogen und Arzneimittel in die Meere gelangen. Eine besorgniserregende Entwicklung.
Nur wenige Monate nachdem Kokain in den Körpern von Haien vor der Küste Südamerikas nachgewiesen wurde, haben Forschende nun Fentanyl und andere Drogen in Dutzenden von Delfinen im Golf von Mexiko gefunden. Dies zeige erneut, dass immer mehr Arzneimittel und Drogen ins Meer gelangten, schreibt das Forschungsteam von der Texas A&M University-Corpus Christi (TAMU-CC) in ihrer Studie, die im Fachjournal "iScience" veröffentlicht wurde. Eine besorgniserregende Entwicklung: "Diese neuen Mikroverunreinigungen stellen ein wachsendes globales Problem dar, da sie weltweit in Süßwasserökosystemen, Flüssen und Ozeanen nachgewiesen wurden", sagt Studienautorin Dara Orbach laut einer Mitteilung.
Im September 2020 stießen Forschende der TAMU-CC bei einer routinemäßigen Untersuchung auf einen toten Delfin, der im Golf von Mexiko trieb. Das Team brachte das Tier in sein Labor. Zwei Jahre später, als der Kadaver für eine Hormon-Speck-Analyse verwendet wurde, stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Beunruhigendes fest: Eine Analyse ergab über 3000 Substanzen im Delfin-Speck, darunter Beruhigungsmittel, Entspannungsmittel - und Fentanyl.
Das synthetische Opioid Fentanyl ist ein extrem potentes Schmerzmittel, das immer häufiger als Rauschgift missbraucht wird. Es ist rund 50-mal stärker als Heroin und hat in den USA zu einem massiven Drogenproblem geführt. Das Rauschgift ist nach Angaben des US-Justizministeriums die häufigste Todesursache von Menschen zwischen 18 und 49 Jahren.
Bioindikator für Gesundheit des Ökosystems
Nach ihrer initialen Entdeckung untersuchten die Forschenden 89 weitere Delfine, 83 davon waren lebende Tiere. Das Schmerzmittel Fentanyl fand das Team dabei in 24 der Proben, darunter in allen postmortalen Proben der sechs verendeten Delfine. Auch das Beruhigungsmittel Meprobamat und das Skelettmuskelrelaxans Carisoprodol wurden im Walspeck nachgewiesen.
Da Delfine kein Meerwasser trinken, könnten die Tiere die Chemikalien über ihre Nahrung aufgenommen oder über ihre Haut absorbiert haben, vermuten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Darüber hinaus wurden einige der mit Medikamenten versetzten Gewebeproben bereits 2013 entnommen, was darauf hindeute, dass dies kein neues Phänomen ist.
"Delfine werden in der Schadstoffforschung aufgrund ihres lipidreichen Specks, der Schadstoffe speichern kann, oft als Bioindikatoren für die Gesundheit des Ökosystems verwendet", erklärt Studienautorin Orbach. Der 2020 gefundene Delfin trieb in der Nähe von Robstown County, dem Ort der größten Beschlagnahmung von flüssigem Fentanyl in der Geschichte der USA. "Dies ist etwas, das wir wirklich im Laufe der Zeit beobachten müssen, damit wir sicherstellen können, dass die Fentanylkonzentration nicht ansteigt", so Orbach.
Stressfaktoren nehmen zu
Obwohl die genauen ökologischen Auswirkungen von Arzneimittelspuren noch unklar sind, sind sich die Forschenden sicher: Die Verschmutzung durch Arzneimittel sei ein weiterer Punkt auf der langen Liste, der vom Menschen verursachten Stressfaktoren für Meere und deren Bewohner. Dazu zählen unter anderem Plastik, chemische Verschmutzungen, Baggerarbeiten, Schiffsverkehr, Lärmbelästigung und Klimawandel.
Vor kurzem wies eine Studie nach, dass die Delfine im Golf von Mexiko immer noch unter gesundheitlichen und reproduktiven Folgen der katastrophalen Auswirkungen der Deepwater-Horizon-Ölkatastrophe von BP im Jahr 2010 leiden. Außerdem ist bekannt, dass Umweltstressoren das Immunsystem von Delfinen und Walen beeinträchtigt, schreibt das Forschungsteam in der aktuellen Studie. Dies könne sich auf ihre Gesundheit auswirken, zu Problemen bei der Fortpflanzung führen oder gar zum Tod.
"Diese Tiere sind ständiger Lärmbelästigung, Schiffsverkehr, Baggerarbeiten, Algenblüten, Ölverschmutzungen und Chemikalien ausgesetzt", sagt Orbach. "Wenn immer mehr Faktoren hinzukommen, sind die Defline irgendwann so anfällig, dass sie nicht mehr reagieren können." Das könne für die Population schlimme Folgen haben. Die Biologin fordert daher dringend weitere Forschung zu den Langzeitauswirkungen von Arzneimitteln im Meer.
Quelle: ntv.de