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Untersuchung von Tierärzten Vogelgrippe breitet sich unbemerkt unter Menschen aus

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Keine Symptome, aber Antikörper: Tierärzte infizieren sich in den USA unbemerkt mit Vogelgrippe. (Archivfoto)

Keine Symptome, aber Antikörper: Tierärzte infizieren sich in den USA unbemerkt mit Vogelgrippe. (Archivfoto)

(Foto: picture alliance/dpa)

Die USA kämpfen weiter gegen die Vogelgrippe. Eine neue Studie zeigt, dass das Virus weiter verbreitet ist als bisher angenommen - auch unter Menschen. Besonders beunruhigend ist die unentdeckte Infektion bei einem Tierarzt in Georgia.

Die Vogelgrippe hält die USA weiter in Atem - aber auch weltweit blicken Wissenschaftler und Experten mit Sorge nach Nordamerika, wo sich H5N1 anscheinend unaufhaltsam in Viehbetrieben verbreitet. Jetzt veröffentlicht die US-Gesundheits- und Seuchenbehörde CDC eine neue Studie, die für Aufsehen sorgt: Offenbar ist das Virus weiter verbreitet als bisher angenommen - nicht nur bei Kühen, sondern auch bei Menschen.

Die Studie wurde im vergangenen September auf einer Veterinärkonferenz durchgeführt. Die Tierärzte praktizierten in 46 verschiedenen Bundesstaaten sowie in Kanada. Von den 150 an der Studie teilnehmenden Tierärzten gaben 25 an, mit Kühen gearbeitet zu haben, bei denen entweder bekannt war, dass sie mit H5N1 infiziert waren, oder bei denen zumindest ein Verdacht bestand.

Das Ergebnis: Drei der 150 Tierärzte wurden positiv auf Antikörper gegen das Virus getestet. Keiner dieser drei Tierärzte hatte jedoch mit Kühen gearbeitet, bei denen Verdacht auf Vogelgrippe bestand. Einer hatte allerdings Kontakt mit infiziertem Geflügel. Obwohl alle drei H5N1-Antikörper im Blut hatten, erinnerte sich keiner von ihnen, grippeähnliche Symptome gehabt zu haben. Besonders besorgniserregend ist die unentdeckte Infektion bei einem der Tierärzte, der nur mit Kühen in Georgia und South Carolina gearbeitet hatte. Keiner der beiden Bundesstaaten hatte bislang Vogelgrippefälle in seinen Milchviehbeständen gemeldet.

Die Frage nach dem Wie

Diese Ergebnisse zeigen, dass "wir das Ausmaß dieses Ausbruchs in den USA nicht kennen", kommentierte Seema Lakdawala, Virologin an der Emory University, die Studie gegenüber der "New York Times". "Es gibt eindeutig Infektionen, die wir nicht bemerken."

Lakdawala zeigte sich zudem überrascht, dass keiner der 25 Tierärzte, die wussten, dass sie mit infizierten Kühen gearbeitet hatten, positiv auf Antikörper getestet wurde. Es sei aber möglich, dass diejenigen, die wussten, dass sie Kontakt mit infizierten Tieren haben werden, "mehr Vorsichtsmaßnahmen trafen", sagte sie. Schließlich trug keiner der drei Tierärzte, die positiv auf Antikörper getestet wurden, laut CDC Masken oder Schutzbrillen. Solche Vorsichtsmaßnahmen werden bei der Arbeit mit gesunden Tieren in nicht betroffenen Regionen nicht empfohlen, heißt es in der Studie.

Wie genau sich die betroffenen Tierärzte infizierten, ist noch unklar. Studien zufolge wird H5N1 hauptsächlich über die Milch übertragen - wahrscheinlich in erster Linie über das Melkgeschirr. Mit diesem haben Tierärzte in der Regel aber deutlich weniger Kontakt als etwa Landwirte, die den Großteil ihrer Arbeitszeit am Melkstand verbringen. Über die Atemluft geben infizierte Tiere den Erreger vermutlich nicht weiter.

Der CDC-Bericht zeigt, dass dennoch "genug Virus entweder direkt vom Tier auf den Tierarzt übertragen wurde oder durch Berühren von Oberflächen, um den Tierarzt zu infizieren", sagte Erin Sorrell, leitende Wissenschaftlerin am Johns Hopkins Center for Health Security bei CNN. Sie fordert eine stärkere Überwachung, "damit wir Ausbrüche in landwirtschaftlichen Betrieben besser erkennen und die Menschen schützen können".

"Wir haben keinen riesigen Eisberg"

Die neuen Erkenntnisse hätten aber auch einen positiven Aspekt, sagte Jennifer Nuzzo, Leiterin des Pandemic Center an der Brown University, dem Sender. Die CDC-Forscher hätten keine Hinweise auf eine große Anzahl von Infektionen gefunden, die nicht erkannt wurden. "Wir haben keinen riesigen Eisberg mit leichten Infektionen übersehen, der uns möglicherweise glauben machen würde, dass dieses Virus viel milder sein könnte als in der Vergangenheit", so Nuzzo.

H5N1 grassiert bereits seit mehreren Jahren. Seit 2003 wurden weltweit etwa 900 Vogelgrippe-Infektionen beim Menschen gemeldet - und etwa die Hälfte endete laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tödlich. Das würde bedeuten, dass die Sterblichkeitsrate bei 50 Prozent liegt - ein sehr hoher Wert, wahrscheinlich zu hoch. Experten glauben nicht, dass H5N1 tatsächlich die Hälfte der Menschen tötet, die es infiziert. "Da schwere Krankheitsverläufe eher gemeldet werden als leichte, werden leichte Erkrankungen kaum in diese Zahl einbezogen", erklärte vor kurzem der Infektiologe Scott Roberts von der Yale University.

Einige epidemiologische Modelle besagen, dass die tatsächliche Zahl der Infektionen bei Menschen um das Zehnfache höher sein könnte als die dokumentierten Fälle. Damit läge die Sterblichkeitsrate immer noch bei 5 Prozent. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2008 schätzte den realen Wert auf 14 bis 33 Prozent. So oder so ist die Gefahr, die von H5N1 ausgeht, Experten zufolge nicht von der Hand zu weisen. Zum Vergleich: Die Sterblichkeitsrate für den ursprünglichen Stamm des Coronavirus SARS-CoV-2 wurde auf etwa 2,6 Prozent geschätzt.

Neue Virus-Variante in Kühen entdeckt

Die größte Sorge ist, dass sich das Virus an den Menschen anpassen könnte. Noch gibt es keine Mensch-zu-Mensch-Übertragungen. Doch wie bei jedem schnell mutierenden Virus erhöht jede Lücke in der Eindämmung die Wahrscheinlichkeit, dass H5N1 gefährliche Mutationen entwickelt. "Wenn Fälle häufiger auftreten als wir nachverfolgen können, besteht die Gefahr, dass wir kleine Veränderungen übersehen, die es dem Virus ermöglichen, sich viel leichter beim Menschen auszubreiten", sagte Lauren Sauer, Forscherin für Infektionskrankheiten an der Universität von Nebraska, gegenüber dem Sender NPR.

Erst vor wenigen Tagen wurde bei Milchkühen in den USA eine neue Virus-Variante entdeckt, mit der zuvor nur Vögel infiziert waren. Das alarmierte Wissenschaftler weltweit, denn die neue Variante weist eine Mutation auf, die eine Virusvermehrung in Säugetieren erleichtern könnte. Was das für Menschen bedeutet, ist bislang allerdings unklar.

Fest steht: "Die Entwicklung des Virus ist besorgniserregend, zeigt aber auch, wie wichtig es ist, jede mögliche Übertragung zu verhindern, um das Risiko einer weiteren Übertragung auf andere zu verringern", sagte Virologin Lakdawala. So sollten Menschen, die Hühner und andere Vögel in ihren Hinterhöfen halten, vorsichtig sein, ebenso wie Mitarbeiter von Milch- und Geflügelfarmen.

Quelle: ntv.de

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