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Erster Vogelgrippe-Toter in USA "Die schlimmste Form des Virus, die wir je gesehen haben"

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Seit 2003 wurden weltweit etwa 900 Vogelgrippe-Infektionen beim Menschen gemeldet.

Seit 2003 wurden weltweit etwa 900 Vogelgrippe-Infektionen beim Menschen gemeldet.

(Foto: picture alliance / BSIP)

In den USA greift die Vogelgrippe weiter um sich. Neben Wildvögeln, Geflügel und Milchkühen infiziert das Virus auch immer mehr Menschen. Einer dieser Fälle endet nun zum ersten Mal tödlich. Ist das ein Grund zur Sorge? Experten schätzen die Lage ein.

Das Vogelgrippe-Virus H5N1 breitet sich in den USA derzeit unaufhaltsam unter Wildvögeln, Geflügel und Milchkühen aus. Mittlerweile haben sich auch Dutzende Menschen infiziert. Eine dieser Infektionen endete jetzt tödlich: Ein 65-Jähriger starb in Louisiana, nachdem er mit Wildvögeln in Kontakt gekommen war, wie die örtlichen Behörden mitteilen.

Es ist der erste Todesfall in den USA im Zusammenhang mit H5N1 - eine beunruhigende Entwicklung. Bislang verliefen Infektionen in der Regel mild. Ein Grund zur Sorge?

"Wir untersuchen den Stammbaum dieses Virus seit etwa 25 Jahren, und dies ist wahrscheinlich die schlimmste Form des Virus, die wir je gesehen haben", sagt Richard Webby, Virologe der Weltgesundheitsorganisation WHO, gegenüber CNN. "Die Tatsache, dass es hier schließlich zu einer tödlichen Infektion geführt hat, ist tragisch, aber nicht überraschend."

"Risiko immer noch gering"

Eine erhöhte Gefahr für die öffentliche Gesundheit sehen Experten trotzdem nicht: Es gebe keine Anzeichen dafür, dass sich das Virus von Mensch zu Mensch verbreitet. Und die Behörden von Louisiana haben keine weiteren Fälle im Bundesstaat festgestellt. "Ich denke immer noch, dass das Risiko gering ist", sagt auch Virologe Diego Diel von der Cornell University der "New York Times". "Es ist jedoch wichtig, dass die Menschen wachsam bleiben und den Kontakt mit kranken Tieren, krankem Geflügel, krankem Milchvieh und auch den Kontakt mit Wildvögeln vermeiden", fügt er hinzu.

Schließlich folgt die Todesnachricht auf einen alarmierenden Bericht der US-Gesundheitsbehörde CDC Ende Dezember: Virusproben des nun verstorbenen Patienten wiesen Mutationen auf, die die Ausbreitung von Mensch zu Mensch erleichtern könnten. Aufgrund der Veränderungen kann der Erreger offenbar die oberen Atemwege des Menschen leichter infizieren. Diese besorgniserregenden Mutationen wurden bei den Vögeln, denen die Person ausgesetzt war, hingegen nicht festgestellt, so die Behörde. Dies deute darauf hin, dass sie sich bei der Person nach der Infektion entwickelt haben müssen. Ein erster Hinweis, dass sich H5N1 möglicherweise an den Menschen anpasst.

Schwerer Krankheitsverlauf bei Teenager

Eine der Mutationen wurde auch in Virenproben eines 13-jährigen kanadischen Mädchens nachgewiesen, das ebenfalls schwer an Vogelgrippe erkrankt war. Sie musste intensivmedizinisch betreut und künstlich beatmet werden. Inzwischen hat sie sich aber erholt. Sowohl sie als auch der verstorbene Patient aus Louisiana waren mit der D1.1-Gruppe des Vogelgrippe-Virus infiziert - einem Stamm, der bei Wildvögeln und Geflügel zirkuliert. Er unterscheidet sich von der Variante, die sich unter Milchkühen in den USA ausbreitet.

Ob dieser H5N1-Stamm generell schwerere Erkrankungen bei Menschen auslösen kann, ist bislang allerdings unklar. D1.1-Infektionen wurden auch bei Arbeitern in Geflügelfarmen in Washington festgestellt. Diese Fälle verliefen jedoch deutlich milder.

"Das gefährdet uns alle"

Die meisten Experten gehen daher davon aus, dass es sich sowohl bei dem kanadischen Teenager als auch dem Verstorbenen in Louisiana um Einzelfälle handelt. "Wir haben die verfügbaren Informationen über die Person, die in Louisiana gestorben ist, sorgfältig geprüft und kommen weiterhin zu dem Schluss, dass das Risiko für die Allgemeinbevölkerung gering bleibt", resümiert auch das CDC.

Dennoch: Einige Fachleute betrachten die beiden Fälle als Warnung, dass sich das Virus in gefährliche neue Formen verwandeln könnte. "Sie sollten uns daran erinnern, dass das H5N1-Grippevirus ein gefährliches Virus ist und bleibt", sagt James Lawler, einer der Direktoren des Global Center for Health Security der University of Nebraska, der "New York Times".

"Je weiter das Virus verbreitet ist, insbesondere bei Infektionen bei Menschen und anderen Säugetieren, desto höher ist das Risiko, dass das Virus Mutationen annimmt, die es für Krankheiten und Übertragungen beim Menschen anpassen", sagt er. "Das gefährdet uns alle."

Sorge vor Vermischung

Dieses Risiko ist besonders hoch, da die USA aktuell mit einer schweren Grippesaison zu kämpfen haben. Eine der größten Sorgen von Experten weltweit ist, dass sich das Vogelgrippe-Virus durch eine Vermischung mit herkömmlichen Grippeviren stärker Menschen infizieren und so auch von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Das kann passieren, wenn eine Person gleichzeitig mit einem herkömmlichen Grippevirus und H5N1 infiziert ist. "Ein Szenario, das wir unbedingt verhindern müssen", mahnte Leif Erik Sander, Infektiologe an der Berliner Charité, bereits im Sommer.

"Die Entwicklung des Virus ist besorgniserregend, zeigt aber auch, wie wichtig es ist, jede mögliche Übertragung zu verhindern, um das Risiko einer weiteren Übertragung auf andere zu verringern", sagt jetzt auch Mikrobiologin und Immunologin Seema Lakdawala von der Emory University im Interview mit CNN. So sollten Menschen, die Hühner und andere Vögel in ihren Hinterhöfen halten, vorsichtig sein, ebenso wie Mitarbeiter von Milch- und Geflügelfarmen.

Hohe Sterblichkeitsrate

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H5N1 grassiert bereits seit mehreren Jahren. Seit 2003 wurden weltweit etwa 900 Vogelgrippe-Infektionen beim Menschen gemeldet - und etwa die Hälfte endete laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tödlich. Das würde bedeuten, dass die Sterblichkeitsrate bei 50 Prozent liegt - ein sehr hoher Wert, wahrscheinlich zu hoch. Experten glauben nicht, dass H5N1 tatsächlich die Hälfte der Menschen tötet, die es infiziert. "Da schwere Krankheitsverläufe eher gemeldet werden als leichte, werden leichte Erkrankungen kaum in diese Zahl einbezogen", sagt Infektiologe Scott Roberts von der Yale University.

Einige epidemiologische Modelle besagen, dass die tatsächliche Zahl der Infektionen bei Menschen um das Zehnfache höher sein könnte als die dokumentierten Fälle. Damit läge die Sterblichkeitsrate immer noch bei 5 Prozent. Eine Untersuchung aus dem Jahr 2008 schätzte den realen Wert auf 14 bis 33 Prozent. So oder so ist die Gefahr, die von H5N1 ausgeht, Experten wie Sander zufolge nicht von der Hand zu weisen. Zum Vergleich: Die Sterblichkeitsrate für den ursprünglichen Stamm des Coronavirus SARS-CoV-2 wurde auf etwa 2,6 Prozent geschätzt.

Quelle: ntv.de

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