Vorteil menschlicher Vorfahren Welche Haarstruktur am besten vor Hitze schützt
06.07.2023, 15:18 Uhr Artikel anhören
Wahrscheinlich veränderte sich die Haarstruktur, als der evolutionäre Vorteil durch dichte Locken nicht mehr benötigt wurde.
(Foto: imago/MITO)
Blond oder brünett, kraus oder glatt: Haare können sehr vielfältig sein. Zur evolutionären Funktion der Kopfhaare besteht in der Wissenschaft noch keine Einigkeit. Forschende machen sich daran, herauszufinden, welche Haarstruktur die größten schützenden Effekte für den Kopf bringt - und werden fündig.
Dichte, dunkle Locken auf dem Kopf haben für die menschlichen Vorfahren einen echten Überlebensvorteil gebracht, vor allem unter der Sonne Afrikas. Das hat ein Forscherteam der University of Southern California und der Pennsylvania State University herausgefunden. "Das Gehirn ist ein großes und sehr wärmeempfindliches Organ, das selbst viel Wärme erzeugt", erklärt die Anthropologin Tina Lasisi von der Pennsylvania State University laut einem Bericht in "National Geographic". Das Team um Lasisi wollte wissen, wie verschiedene Haarstrukturen zur Thermoregulation des Kopfes beitragen. Dazu führten sie mehrere Experimente mit einer Puppe und verschiedenen dunklen Perücken durch. "Wir denken, dass es evolutionär wichtig gewesen sein könnte - insbesondere in einer Zeit, in der die Gehirngröße unserer Spezies zunahm", wird Lasisi zitiert.
Zunächst wurde der Kopf einer Schaufensterpuppe mit Strom auf konstante 35 Grad Celsius gebracht, was der Temperatur der menschlichen Kopfhaut entspricht. Danach wurde der Kopf mit Lampen bestrahlt, als Simulation für die Sonne, und drei verschiedenen Windstärken ausgesetzt. Diese sollten das Stehen, Gehen und Rennen unserer Vorfahren simulieren. Die Umgebungstemperatur betrug bei jedem der Experimente 30 Grad Celsius bei einer Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent. Zustände, wie sie höchstwahrscheinlich menschliche Vorfahren, sogenannte Hominini, vor Tausenden Jahren im Bereich von Äquatorialafrika vorfanden. Zudem wurden Daten mit feuchter und trockener Kopfhaut erhoben. Das sollte Zustände wie beim Schwitzen nachahmen.
Die Puppe wurde dann den verschiedenen Parametern ausgesetzt. Dabei war der Kopf einmal kahl und wurde danach mit Echthaarperücken mit glattem und mit gewelltem sowie mit stark gelocktem Haar bedeckt. Die Forschenden maßen dann den Strom, der aufgewendet werden musste, um den Kopf der Puppe bei 35 Grad Celsius zu halten. Durch frühere Untersuchungen konnte bereits geklärt werden, dass sich auf der Kopfhaut von Menschen ohne Haare mindestens doppelt so stark Schweiß bildet wie auf behaarter Kopfhaut.
Dichte Locken und Wind
Bei der Auswertung der aktuellen Ergebnisse stellte das Forschungsteam fest, dass prinzipiell alle Haartypen den Kopf vor Hitze schützen. Den besten Schutz sahen sie jedoch bei der Echthaarperücke mit dichten Locken. Die künstliche Kopfhaut darunter erwärmte sich den Forschenden zufolge kaum und gab bei stärkerem Luftzug sogar Wärme ab. Gleichzeitig haben dichte Locken offenbar eine isolierende Wirkung, denn das stark gelockte Haar liegt nicht flach auf der Kopfhaut. Es entsteht ein Abstand zwischen Haaren und der Kopfhautoberfläche. Bei dieser Haarstruktur benötigt man also die geringste Energie zum Schwitzen und damit auch zur Aufrechterhaltung der Temperatur des Kopfes.
Lasisi und das Team schließen daraus, dass menschliche Vorfahren mit dieser Haarstruktur einen echten Überlebensvorteil hatten, denn Schwitzen ist ein aufwendiger Prozess, bei dem der Körper Energie, Wasser und Elektrolyte verliert. Die Haarstruktur könnte also direkt geholfen haben, lange Phasen ohne Wasser zu überstehen.
Die Fachleute halten es sogar für möglich, dass stark gelocktes Kopfhaar ein wesentlicher Faktor war, der dem Homo sapiens als direkten Vorfahren des Menschen dabei half, sich gegenüber den vor rund 40.000 Jahren ausgestorbenen Neandertalern und Denisova-Menschen durchzusetzen. Damit solche Aussagen belegt werden können, sind genetische Beweise und weitere Untersuchungen nötig, denn unklar sei bisher, in welcher Phase der menschlichen Evolution sich die Haare zu locken begannen. Die aktuellen Studienergebnisse wurden in "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht.
Quelle: ntv.de, jaz