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Unsichtbar und unbezahlt "Die Erfindung der Hausfrau"

Auch heute noch ist Hausarbeit oft unbezahlt und wird nicht wertgeschätzt.

Auch heute noch ist Hausarbeit oft unbezahlt und wird nicht wertgeschätzt.

(Foto: picture alliance / United Archives)

Die Pandemie zeigt: Die Last von Hausarbeit und Kindererziehung liegt immer noch weitgehend auf den Schultern von Frauen. Evke Rulffes zeigt in ihrem neuen Buch, was sich historisch geändert hat - und was nicht.

Noch einen Kuchen für die Geburtstagsfeier backen. Schnell noch eine Wäsche einwerfen, bevor der Besuch kommt. Morgens noch das Pausenbrot schmieren. Das natürlich neben einem Job, einer Karriere. Heute ist die Hausarbeit unsichtbarer denn je - sie wird einfach erwartet, ohne Entlohnung, ohne Anerkennung. Und sie wird auch heute noch überwiegend von Frauen gemacht. Warum das so ist, zeigt Evke Rulffes in ihrem neuen Buch "Die Erfindung der Hausfrau". Das sehr gut recherchierte Sachbuch geht bis ins 17. Jahrhundert zurück, um die Entstehung des Leitbildes der "guten Mutter" zu untersuchen.

Rulffe stützt sich bei ihren Beobachtungen größtenteils auf Christian Friedrich Germershausens einst sehr populären Ratgeber "Hausmutter", der erstmals 1778 erschien. Obwohl einige der Ratschläge aus heutiger Sicht absurd klingen, wurde das Buch mehrfach nachgedruckt und sogar ins Russische übersetzt. Rulffe gelingt es, dieses gewaltige Werk von fünf Bänden sehr sorgfältig und detailliert in einer verständlichen Weise zu analysieren.

Ratgeber aus dem 18. Jahrhundert

Die "Hausfrau" wird von Germershausen als die Betriebsleiterin des Hauses bezeichnet. Mit amüsanten Auszügen aus dem Ratgeber - der ohnehin interessant ist, weil ein Mann aufschreibt, wie die "Hausfrau" zu arbeiten hat - beschreibt Rulffe, wie man damals den Beruf der Mutter heute als Betriebsmanagement bezeichnen würde. Der Ratgeber geht jedoch darüber hinaus. Germershausen schreibt beispielsweise fast 100 Seiten über Schwangerschaft und Geburt: "Alles, was Furcht machen kann, muss sorgfältigst vermieden werden", schreibt er. Mit solchen Zitaten bringt Rulffe den Leser oder die Leserin oft zum Schmunzeln über ein Thema, das sonst als eher trocken gelten könnte.

Bis ins 18. Jahrhundert wird der Haushalt also sowohl von der Frau als auch vom Mann geführt. Mit der Französischen Revolution kommt es zu einer ersten großen Entwicklung in der Funktion der Hausfrau. Durch den Wandel von der Ständegesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft konnten sich viele Familien keine Dienstboten mehr leisten. "Das bedeutet, dass die Ehefrau unentgeltlich - vorher wurde sie bezahlt - immer mehr diese Dienstleistungen übernehmen muss. Der Lebensstandard lässt sich nur durch die Ausbeutung der Ehefrau halten", schreibt Rulffe.

Und darüber hinaus: Die Entwicklung von einer Kultur der "Zweckehe" zur Liebesheirat hat die Funktion der Ehefrau erheblich verändert. Was früher als Arbeit und Aufgabe galt, bekommt im 19. Jahrhundert eine andere Bedeutung. Liebesheiraten führen dazu, dass unbezahlte Hausarbeit aus reiner Liebe zu den Kindern und dem Ehemann geleistet wird.

Die Liebesheirat und die unbezahlte Hausarbeit

Die Verankerung der sogenannten Hausfrauenehe im Bürgerlichen Gesetzbuch zu Beginn des 20. Jahrhunderts verpflichtete dann auch die Frau zur Führung des Haushalts ohne Gegenleistung. Frauen waren aber sowieso mehr oder weniger abhängig von ihren Ehemännern geworden. Denn ohne die Möglichkeit, ein Bankkonto zu eröffnen oder einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, verloren sie viel Macht über ihr Einkommen.

Die Hausarbeit beginnt ihren Wert zu verlieren. Die Frau ist nicht mehr die Betriebsleiterin, wie zu Zeiten von Germershausens Buch. Schließlich muss sie nicht mehr arbeiten gehen und sollte froh sein, "nur" noch die Hausarbeit zu erledigen. Die Hausarbeit verschwindet völlig aus dem öffentlichen Leben. Sie ist kein Gesprächsthema mehr und soll möglichst leise und fernab der Öffentlichkeit erledigt werden. Anders als früher, als die Frau noch auf dem Hof mithelfen musste, wird dies im 20. Jahrhundert nicht mehr von ihr erwartet - es ist sogar verpönt, wenn die Frau von den Geschäften ihres Mannes weiß.

Gleichberechtigung mit Kindern

Die Hausfrau von heute sieht vielleicht nicht mehr so aus wie noch vor zwei Generationen. Die Hausarbeit wird mittlerweile zwischen den Partnern aufgeteilt. Doch das ändert sich oft, wenn das erste Kind da ist: "Paare, die eine gleichberechtigte Partnerschaft führen wollen, stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn Kinder geboren werden", schreibt Rulffes. Die Wiener Scheidungsanwältin Helene Klaar etwa hat die Erfahrung gemacht, dass die meisten Ehen am Zusammenspiel von zweitem Kind und 40-Stunden-Woche scheitern. Denn die Aufteilung von Kinderbetreuung, Hausarbeit und Karriere ist oft einfach nicht möglich.

Als Lösungsvorschlag wird häufig die Forderung nach einer Entlohnung der Hausarbeit angeführt. Dies sei eine zentrale Forderung des westdeutschen Feminismus in den 1970er Jahren gewesen, schreibt Rulffes. Doch die Autorin sieht die Lösung nicht in der Bezahlung von Hausarbeit. Das Buch sei kein "Plädoyer für eine Rückkehr zur Dienerschaft und die Verschiebung der Ausbeutung von der Hausfrau/ Mutter zurück zu unterbezahlten Putzfrau", schreibt sie. Vielmehr geht es ihr darum, die Wertschätzung und Anerkennung von Haus- und Pflegearbeit zu erhöhen. "Im Grunde wäre ich dafür, dass alle in Teilzeit gehen und Hausarbeit einfach anerkannt wird."

Quelle: ntv.de

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