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Straßenmusiker fährt zum ESC "Alle sind geil" - aber Isaak ist am geilsten

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Ein würdiger Sieger: Isaak.

Ein würdiger Sieger: Isaak.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool)

"Was ist denn hier los?", fragt sich nicht nur Grand-Prix-Legende Mary Roos im Vorentscheid zum Eurovision Song Contest. Barbara Schöneberger ohne Unterwäsche, Florian Silbereisen mit Katzen-Fetisch und vor allem ein echter Fight ums Ticket nach Malmö. Den gewinnt am Ende Isaak.

Wer live erfahren wollte, wer Deutschland in diesem Jahr beim Eurovision Song Contest (ESC) vertreten wird, war als Nachteule klar im Vorteil. Erst gegen 0.30 Uhr stand fest, wer beim Finale am 11. Mai im schwedischen Malmö die Kohlen aus dem Feuer holen und den deutschen ESC-Fluch ein für alle Mal beenden soll. Sein Name: Isaak. Sein Song: "Always On The Run". Aber wir sind hier ja nicht auf der Flucht. Deshalb schön der Reihe nach.

Hatte die ARD den Vorentscheid ohnehin schon ins Spätprogramm verbannt, ging es aufgrund eines "Brennpunkts" im Ersten zum Tod von Kreml-Gegner Alexej Nawalny sogar noch ein bisschen später los als eigentlich gedacht. Vielleicht deshalb wäre Grand-Prix-Legende Mary Roos nach viel Jubel, Standing Ovations und "Mary, Mary"-Rufen des Studio-Publikums kurz nach Beginn der Sendung auch schon am liebsten ins Bett gegangen. "Ich habe meinen Höhepunkt heute gehabt", erklärte die 75-Jährige, die neben Sängerin Alli Neumann sowie den Entertainern Florian Silbereisen und Riccardo Simonetti zu den Talkgästen auf der Couch von Moderatorin Barbara Schöneberger zählte. Dann allerdings hätte sie eine Menge verpasst. Das war letztlich auch ihr klar. "Was ist denn hier los?", fragte sich Roos irgendwann im Eifer des Gefechts.

Ein Gefecht, in dem thematisch nicht nur so schwere Geschütze wie die Unterhosen-Farben von Silbereisen (grün) und Simonetti (rot) aufgefahren wurden, sondern die wieder mal in bester Moderationslaune aufgelegte Schöneberger auch zum Gegenangriff blies: "Ich trage keine Unterwäsche." Darüber hätte sicher auch Silbereisen gerne schallend laut gelacht, doch Zahnschmerzen hielten den Traumschiff-Kapitän im Zaum. Weniger im Griff hatte er sich indes, als er im Laufe der Show einen regelrechten Fetisch für Miezekätzchen zu entwickeln schien - animiert vom Beitrag "Katze" des Duos Galant, das neben acht weiteren Acts im Vorentscheid antrat.

"Lass es alles raus"

Doch auch sonst war die Show ordentlich munitioniert. Schauspieler Mathieu Carrière war da, um seinen nach eigener Aussage "besten Kumpel" NinetyNine ("Love On A Budget") zu unterstützen, auch wenn der gefühlt sein Urenkel sein könnte. Sängerin Michelle schaute vorbei, um Töchterchen Marie Reim bei deren Auftritt mit dem Schlager "Naiv" gute Tipps mit auf den Weg zu geben: "Lass es alles raus." Conchita Wurst und Rea Garvey absolvierten ein Intermezzo auf der Couch, um dort - nicht nur, aber auch - mit Schöneberger anzubandeln: "Wie geil schaust aus schon wieder?" Aber natürlich ging es ihnen vor allem darum, Kandidat Floryan ("Scars") den Rücken zu stärken, den sie über ihre Castingshow "Ich will zum ESC!" in den Vorentscheid gehievt hatten. Und schließlich fanden sich auch die deutschen ESC-Teilnehmer des vergangenen Jahres von Lord of the Lost für ein bisschen Smalltalk auf der Bühne im Berliner Fernsehstudio ein.

Harmonie pur - aber wo war beim Abba-Medley eigentlich Ryk?

Harmonie pur - aber wo war beim Abba-Medley eigentlich Ryk?

(Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool)

Den wirklich allergrößten Fight lieferten sich jedoch tatsächlich die Kandidatinnen und Kandidaten für das Ticket nach Malmö, auch wenn es vordergründig nicht danach aussah. "Alle sind geil", warf etwa Marie Reim mit Blick auf die Konkurrenz die Harmonie-ka an. Im Pausenprogramm fanden sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem gemeinsamen Abba-Medley zusammen. Alle, bis auf Ryk ("Oh Boy"). Weshalb der von vielen als Favorit gehandelte Sänger die Teambuilding-Maßnahme schwänzte, blieb ungeklärt. Dafür lagen sich Isaak und Max Mutzke, der nach 20 Jahren als Grandseigneur des Vorentscheids noch einmal ein ESC-Comeback feiern wollte, freundschaftlich in den Armen, als schlussendlich feststand: Die Entscheidung wird zwischen ihnen fallen.

Die Entscheidung in einem der besten deutschen Vorentscheide, die es seit Langem gab - von den zwei, drei schwächeren Ausreißern NinetyNine, Leona ("Undream You") und Floryan mal abgesehen. Simonetti brachte es ziemlich genau auf den Punkt: "Ich finde, dass man live auf jeden Fall spürt, dass da richtige MusikerInnen auf der Bühne stehen." Tatsächlich war vor allem das Niveau der Gesangsleistungen bei den überwiegend noch unbekannten Teilnehmerinnen und Teilnehmern in diesem Jahr außergewöhnlich hoch.

Kein Sex mit der Ex!

Am höchsten war es aber zweifelsohne beim prominenten Stimmwunder Max Mutzke. Dennoch war es richtig, dass ihm das Publikum am Ende die Entscheidung abnahm: Max, don't have sex with your Ex - und lege dich mit deinem musikalisch einfach nicht wirklich starken Song "Forever Strong" nicht noch einmal mit dem ESC ins Bett. Vor Mutzke erhielt stattdessen Isaak die meisten Stimmen im Televoting, den auch die ebenfalls zu 50 Prozent an der Abstimmung beteiligten Jurys ganz vorn gesehen hatten. Eine Debatte über den Sinn und Unsinn der angeblichen Expertengremien, deren Meinungen ansonsten wie Kraut und Rüben auseinandergingen, erübrigt sich damit in diesem Jahr - zum Glück.

Nicht Mutzke, nicht Ryk und auch nicht Bodine Monet, die mit ihrem Ethno-Pop-Song "Tears Like Rain" im Vorfeld ebenfalls hoch gehandelt worden war, sollen es nun also richten, sondern Isaak Guderian aus Espelkamp, den manch einer allenfalls in Castingshows wie "X Factor" oder "Show Your Talent" schon mal gesehen haben könnte. Oder in der Fußgängerzone. Denn Isaak hangelt sich auch als Straßenmusiker durchs Leben.

"Vielleicht war es die Ruhe, die ich mir bewahrt habe. Vielleicht war eine Menge Glück mit im Spiel. Vielleicht war ich einfach nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich kann es nicht sagen", antwortete Isaak auf einer spontanen Pressekonferenz nach seinem Sieg auf die Frage, weshalb er sich seiner Meinung nach gegen die starke Konkurrenz durchsetzen konnte. Dass die Entscheidung auf ihn gefallen ist, ist jedoch durchaus nachvollziehbar. Isaak kann nicht nur richtig gut singen, "Always On The Run" ist auch ein treibender und verdammt eingängiger Pop-Song, der ebenso gut aus der schwedischen Hit-Schmiede stammen könnte. Mit anderen Worten: Es könnte in Malmö echt damit klappen, die rote Laterne endlich mal wieder aus gebührendem Abstand zu betrachten.

Isaak hat keine Angst

Aber Achtung! Die Gesetzmäßigkeiten des ESC sind auch 2024 nicht weniger unergründlich als in all den Jahren zuvor. Isaak zeigt sich mit Blick auf eine mögliche Pleite dann auch unerschrocken: "Ich habe keine Angst davor. Ich mache, was ich am besten kann und ich mache es so gut, wie ich kann. Und wenn es der letzte Platz wird, dann ist es so. Aber ich peile den ersten an!"

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Und sollte die Reise doch mal wieder im Keller enden, könnte sich Isaak getrost die Jungs von Lord of the Lost zum Vorbild nehmen. Sänger Chris Harms erklärte kurz vor Beginn des Vorentscheids im Gespräch mit ntv.de: "Für alle, die sich fragen, was wir durch diesen letzten Platz beim ESC verloren haben: Wir haben nichts verloren, nur gewonnen. Und wir würden es wieder machen, selbst wenn wir wüssten, dass wir noch mal Letzter werden." Durch den ESC hätte die Band "Millionen Fans" gewonnen, sodass die Hallen inzwischen doppelt oder dreimal so groß seien, wenn Lord of the Lost ab März ihr 15-jähriges Bestehen auf Tour feiern und dann sogar in den USA und Kanada auftreten werden.

"Wir spielen einen Abend vor dem ESC-Finale in Malmö", plauderte zudem Gitarrist Pi aus. Ein Ritual, das die Gruppe auch in den kommenden Jahren an den jeweiligen Austragungsorten des Wettbewerbs fortsetzen will. "Wir wollen nämlich die ESC-Community nicht verlieren", so Harms. Die ESC-Community, der nun auch Isaak angehört - egal, auf welchem Platz er am 11. Mai letztlich landen wird.

Quelle: ntv.de

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