"2004 war voll der Tiefschlag" Max Mutzke will noch einmal zum "Grand Prix"
15.02.2024, 15:47 Uhr Artikel anhören
Definitiv das bekannteste Gesicht im deutschen ESC-Vorentscheid: Max Mutzke.
(Foto: NDR / Gaby Gerster)
Exakt 20 Jahre ist es her, dass Max Mutzke Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) vertreten hat. Nun wirft er seinen Hut noch einmal in den Ring. Mit ntv.de spricht er über den deutschen Vorentscheid, Stefan Raab und seinen - wie bitte? - enttäuschenden achten Platz 2004.
ntv.de: Kaum zu glauben, aber wahr: In diesem Jahr ist es tatsächlich exakt 20 Jahre her, dass du für Deutschland am Eurovision Song Contest (ESC) teilgenommen hast …
Max Mutzke: Die Verwunderung darüber, wie lange das schon her ist, ist genau der Effekt, den ich haben wollte! Oft sagen mir Leute: "Ich weiß noch genau, was ich damals gemacht habe, als du beim Grand Prix warst. Das war toll. Wie lange ist das her? Acht, neun Jahre?" Wenn ich ihnen dann sage, dass es fast 20 Jahre her ist, können sie es gar nicht glauben. Sie sind fast sauer darüber, sich noch so gut daran erinnern zu können und dabei 20 Jahre älter geworden zu sein. (lacht)
Ist es dann ein Zufall, dass du genau zum 20-jährigen Jubiläum deinen Hut erneut beim ESC in den Ring werfen möchtest oder hast du das Jubiläum dafür bewusst gewählt?
Tatsächlich wollte ich das Jubiläum feiern - mit einer großen Tour, einem Buch und einem Album. Dass das Jahr jetzt mit vielen Schlagzeilen wie "Max Mutzke nach 20 Jahren noch mal beim Grand Prix" beginnt, ist natürlich super. Aber eigentlich war das nicht geplant. Schon 2004 war der Grand Prix an sich nicht meine Welt. Ich war mit meinem Vater viel in Jazzclubs und auf Konzerten unterwegs, auf denen vor allem R'n'B, Funk, Fusion, Blues und eben Jazz gespielt wurde. Nach 2004 wollte ich dann auch den Stempel nicht so haben und habe zum Beispiel 19 Jahre bewusst auch keine Interviews mehr zum Grand Prix gegeben.
Was hat dich umgestimmt?
Das war der Moment, als mich meine Freundin Barbara Schöneberger im vergangenen Jahr gefragt hat, ob ich für die Pre- und Post-Show nach Liverpool kommen möchte. Ich wollte erst nein sagen, aber sie überredete mich: "Du bist der Einzige, den ich singen lasse. Sing einfach ein Beatles-Medley und noch deinen alten Song." Als ich dann mit meiner Lebensgefährtin und Freunden nach Liverpool gefahren bin, hat mich das total verzaubert. Die Stadt war voller Menschen - alle waren für den Grand Prix da. Diverser kann man sich eine Stadt nicht vorstellen. Es war unglaublich bunt und voller Liebe. Das klingt kitschig, aber genau so war es.
Und das hat dich dann motiviert …
Ja, denn in Liverpool habe ich begriffen, was diese Veranstaltung mit den Menschen macht. Und wir leben in einer Zeit, in der wir genau so etwas brauchen. Die Welt lässt uns gerade glauben, wir Menschen kämen nicht miteinander aus, Diversität funktioniere nicht, Multikulti erst recht nicht. Rechtsradikale Ansichten und Antisemitismus erscheinen plötzlich wieder salonfähig, Parteien wie die AfD gewinnen an Zustimmung und Propaganda zielt darauf ab, unsere Demokratie auszuhöhlen. Aber in Liverpool wurde mir bewusst: Die Menschen können sehr wohl gut, tolerant und friedlich miteinander umgehen. Dann kam der Gedanke hinzu: Hey, nächstes Jahr ist das 20-Jährige! Das wäre doch ein guter Anlass, um noch einmal teilzunehmen.
Wenn du heute an deine ESC-Teilnahme 2004 zurückdenkst - wie erinnerst du dich daran?
Das war für mich ein unglaublicher Flash in allen Belangen, der ja schon mit meiner Teilnahme an der Castingshow "Stefan sucht den Super-Grand-Prix-Star" von Stefan Raab begonnen hat, ehe ich dann den eigentlichen Vorentscheid gewinnen konnte. Es war irre, aus der Schule heraus in diese Welt abzutauchen, über viele Wochen so einen Erfolg zu haben und in den Charts zu sein. Das Ganze auch noch mit einem Evergreen als ersten Song, der heute noch im Radio läuft und den die Leute immer noch mitsingen können.
Mit "Can't Wait Until Tonight" bist du dann beim ESC in Istanbul schlussendlich Achter geworden …
Und das war für mich eine totale Enttäuschung! Die Leute sagen ja immer: "Der respektable achte Platz von Max Mutzke …" Für mich dagegen war das voll der Tiefschlag. Bis dahin hatte ich ja den totalen Höhenflug. Und es hieß: "Der Typ gewinnt, weil er so singt, wie er singt. Und weil der Song so gut ist, wie er ist." Aber so war es dann doch nicht.
Du hast Stefan Raab angesprochen, der nicht ganz unwichtig für deine ESC-Teilnahme damals und damit auch deine Karriere war. Dass er sich aus dem Rampenlicht zurückgezogen hat, ist auch schon neun Jahre her. Viele vermissen ihn. Du auch?
Ich muss ihn nicht vermissen, weil ich Kontakt zu ihm habe. Ich habe ihn auch angerufen, um ihm zu sagen, dass ich in diesem Jahr wieder am Vorentscheid teilnehmen werde. Er meinte: "Darüber musst du mich doch nicht informieren!" Aber ich sagte zu ihm: "Doch, Stefan! Unsere Zeit damals war so intensiv, wir hatten so viel Spaß und haben so viele Jahre so eng zusammengearbeitet. Das alles hatte seinen Ursprung in diesem Istanbul-Event. Deswegen wollte ich dir Bescheid geben, damit du es auch von mir persönlich erfährst." Das fand er ganz toll. Jetzt bin ich gespannt, was er zum Song sagt. Dazu hat er sich nämlich noch nicht geäußert, weil wir uns seitdem nicht mehr gehört haben.
Der Song heißt "Forever Strong". Im Gegensatz zu "Can't Wait Until Tonight", der komplett aus der Feder von Stefan Raab stammte, hast du ihn selbst zusammen mit mehreren anderen Songwritern geschrieben. Macht es das für dich noch einmal anders oder ist das letztlich egal?
Nein, das ist überhaupt nicht egal! Schon bei meinem ersten Album habe ich viele der Songs mit Stefan Raab gemeinsam geschrieben. Und seitdem nehme ich nahezu keine Fremdsongs mehr an. Das kommt vielleicht in drei Jahren einmal vor. Bei "Forever Strong" hatte ich die Idee, wie der Song klingen muss, und wusste, wen ich mir dazu holen muss, damit das funktioniert: Justin Balk, Simon Oslender und Sebastian Schubert. Mit Justin habe ich nach der Zusammenarbeit mit Stefan fast alle meine Songs geschrieben. Simon ist ein Wunderkind am Klavier - ihn brauchte ich für die Klavier-Attitude des Songs. Und Sebastian war als Produzent dabei.
Wie sollte der Song denn klingen?
Ich wollte einen traditionellen Song mit großer Melodie. Er sollte aber nicht klingen wie aus den Siebzigern, sondern schon wie ein Song von heute. Er sollte musikalisch hochwertig sein und nicht nur cool produziert.
Du bist jetzt einer von neun Acts im Vorentscheid. Insgesamt soll es knapp 700 Bewerbungen gegeben haben ...

(Foto: picture alliance / Eibner-Pressefoto)
Auf der Suche nach Musik von Max Mutzke? Songs, Alben und Infos von ihm gibt es auf RTL+ Musik.
Und ich hätte es fast vergessen. (lacht) Mein Manager hat mich kurz vor Ablauf der Anmeldefrist daran erinnert: "Max, willst du da jetzt mitmachen? Es ist kurz vor Weihnachten und in einer Woche ist der Laden zu." Dann habe ich mich erst mal mit meiner Familie besprochen - das ist ja auch mit viel Arbeit verbunden und wegen meines 20-jährigen Jubiläums habe ich gerade eh so viele Termine. Ich war letztes Jahr schon so viel weg, das wollte ich meiner Familie und mir nicht noch mal antun. Es ist schrecklich, meine Kinder so lange nicht zu sehen.
Was hat deine Familie gesagt?
Sie hat mich voll unterstützt: "Hey, es ist das 20-Jährige! Es ist schon ein echt besonderes Momentum und wenn sie noch einen Platz frei und Bock auf dich haben, musst du es machen!"
Wie ging es dann weiter?
Ich habe angerufen und gefragt, ob überhaupt noch Platz im Vorentscheid ist. Mir wurde gesagt: "Ja, wir sind noch im Auswahlverfahren und fänden es megainteressant, dich dabei zu haben. Können wir mal deinen Song hören?" Aber den hatte ich noch gar nicht. (lacht) Es hieß: "Okay, du hast noch drei Tage Zeit. Wenn wir den Song dann nicht haben, bist du raus." Dann habe ich mich mit Justin, Simon und Sebastian hingesetzt und an "Forever Strong" gearbeitet. Was für ein Glück, dass sie so spontan Zeit hatten! Und auch sonst ist alles echt gut gelaufen. Wir waren sehr schnell auf dem Punkt - und der Song hat es dann auch in den Vorentscheid geschafft. Stefan Raab hat damals schon gesagt: "Einen guten Song schreibst du in zehn Minuten, für einen schlechten brauchst du Wochen."
Du hast dir deine Konkurrenten und Konkurrentinnen im Vorentscheid ja sicher auch schon einmal angesehen. Was sagst du zu ihnen?
Ja, ich habe mir natürlich alle angeschaut und angehört. Ich finde, die, die jetzt dabei sind, können mit Selbstbewusstsein sagen, dass ihr Song in diesem Umfeld einzigartig ist. Alle Songs, inklusive meinem, sind sehr unterschiedlich. Dass darauf geachtet wurde, finde ich ganz toll. Zu sagen, wer gewinnt, fällt da sehr schwer. Schlager zum Beispiel ist überhaupt nicht meine Musik. Ich verstehe ihn nicht und er löst bei mir nichts aus. Aber wir kommen nun mal aus dem Land des Schlagers, sodass Marie Reim durchaus gewinnen könnte. Den Song "Katze" finde ich wiederum total stylisch. Meinem Song würde ich aber zugutehalten, dass er von allen den größten Grand-Prix-Moment haben könnte.
Wie meinst du das?
Ich wollte einen Song mit Pathos haben. Ich habe das Lied genau für diesen Moment geschrieben. Ich habe an die Inszenierung gedacht, an das Licht und daran, wie man den Herzschlag in dieser Situation verarbeiten kann. Das war bei "Forever Strong" alles in meinem Kopf. Deshalb denke ich, dass das Lied eine Chance hat. Aber ich würde mich auch nicht wundern, wenn es dann doch anders kommt.
Du wirst im Vorentscheid auf jeden Fall der bekannteste Teilnehmer sein …
Ob es ein Vor- oder ein Nachteil sein wird, dass ich der Max Mutzke bin, der vor 20 Jahren schon mal dabei war, weiß ich nicht. Ich glaube, das nimmt sich nichts, zumal ja auch noch eine Jury an der Abstimmung beteiligt ist. 2004 habe ich selbst als Newcomer alle anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Sabrina Setlur über Scooter bis Laith Al-Deen im Voting in den Boden gestampft. Ein Newcomer kann eine ganz krasse Energie mitbringen, von der die Leute so geflasht sind, dass sie sagen: "Ich will, dass genau diese Person zum Grand Prix fährt." Dann ist das auch richtig so.
Du sagst, der ESC sei eigentlich gar nicht deine Welt. Hast du dich in den vergangenen 20 Jahren nie hingesetzt und ihn geschaut, vielleicht sogar mit Freunden, Chips und einer eigenen Liste zur Bewertung der Beiträge?
Nein, überhaupt nicht. Nicht einmal. Klar, meine eigene Teilnahme war überragend und echt besonders für mein Leben. Aber es war auch eine unglaublich aufreibende Zeit. Das ganze Team war total nervös. Stefan Raab ist extrem ehrgeizig, das hat er lange bewiesen. Jemanden im Rücken zu haben, der diesen Druck aufbaut, ist nicht nur angenehm. Nicht falsch verstehen: Stefan war ganz fein zu mir, hat mich wirklich gut geführt und auch beschützt. Trotzdem kann es gut sein, dass ich jetzt auf die Bühne komme und alte Emotionen getriggert werden, die auch immer von Stress überlagert waren. Ich glaube, von diesem ganzen Komplex wollte ich nach 2004 Abstand gewinnen. Das hat sich erst jetzt mit Liverpool geändert.
Aber zumindest einen Berührungspunkt mit dem ESC hattest du: In der Show, in der Lena 2010 zur deutschen ESC-Teilnehmerin gewählt wurde, hat ihre Konkurrentin Jennifer Braun mit "I Care For You" ein von dir geschriebenes Lied gesungen - und verloren. Hast du das Lena inzwischen verziehen?
(lacht) Ich hatte nie das Gefühl, ihr das verzeihen zu müssen. Aber genau daran lässt sich der Unterschied zu einem Song wie "Forever Strong" verdeutlichen. Ich hatte "I Care For You" damals für mich geschrieben, das Lied aber nicht mit auf mein Album genommen. Solche Songs kommen oft auf eine Art Börse und andere Acts greifen dann darauf zu - so wie damals Jennifer Braun. Das Lied hat super zu ihr gepasst, aber es war eigentlich nie für einen Anlass wie den Grand Prix gedacht. Lena Meyer-Landrut wiederum war damals für den Grand Prix so bestechend, wie es auf eine andere Art auch Conchita Wurst war. Bei Lena hatte man damals schon das Gefühl: Da stimmt ganz vieles. Sie hat verdammt gute Karten. Das hat sie dann auch bewiesen.
Wenngleich du den ESC in den vergangenen Jahren nicht verfolgt hast, hast du dir vielleicht Gedanken darüber gemacht, weshalb es für Deutschland zuletzt so schlecht bei ihm gelaufen ist. Auch Lord of the Lost landeten in Liverpool für viele überraschend und unverdient auf dem letzten Platz. Hast du eine Erklärung dafür?
Nein, gar nicht. Lord of the Lost verkörpern mit ihrem androgynen Auftreten und ihrem Style ja echt viel von dieser Grand-Prix-Welt. Ihre Musik ist besonders, auch wenn das ebenfalls nicht meine Musik ist. Ich dachte mir, sie würden polarisieren. Das bedeutet zwar, niemals Erster zu sein, aber eben auch niemals Letzter. Deshalb hatte ich sie irgendwo im Mittelfeld, wenn nicht sogar im vorderen Drittel gesehen. Dass sie ganz hinten gelandet sind, stellt mich auch vor ein Rätsel.
Du hast gesagt, der achte Platz sei für dich 2004 eine totale Enttäuschung gewesen. Solltest du nun wirklich zum ESC-Finale in Malmö fahren - was wäre dein Ziel?
Mir würde es schon gefallen, in der Zeitung zu lesen: "Er macht es noch mal und er macht es noch besser." Es wäre also schön, wenn es besser als Platz acht wäre. Aber jetzt geht es natürlich erst einmal darum, überhaupt nach Malmö zu kommen.
Das Schöne bei dir ist: Egal, ob das mit dem ESC klappt und egal, welcher Platz es im Fall der Fälle wäre - du fällst auf keinen Fall ins Bodenlose. Du hast nicht nur deine 20-jährige Karriere im Rücken, sondern bist seit Kurzem auch noch Kinderbuch-Autor …
Das Kinderbuch war ein Traum! Es ist nur entstanden, weil ich so viel von meinen Kindern weg war, dass wir gesagt haben: Wenn uns nur so wenig Zeit vom Tag zusammen bleibt, verabreden wir uns einfach in der Nacht im Paradies der Träumer. Mit diesem Ritual habe ich meine Kinder jahrelang ins Bett gebracht. Und auch nach dem Aufstehen habe ich ihnen dann immer erzählt, was wir nachts so erlebt haben, weil sie es ja meistens vergessen hatten. (lacht) Eine befreundete Therapeutin meinte schließlich: "Bitte bring das als Kinderbuch heraus."
War das eine einmalige Sache oder wird das womöglich noch ein zweites Standbein für dich?
Das Buch ist jedenfalls unglaublich gut angekommen. Deshalb wäre ich voll dafür, irgendwann noch mal ein weiteres zu schreiben. Eine Idee dafür hätte ich schließlich auch schon.
Mit Max Mutzke sprach Volker Probst
Quelle: ntv.de