"Sehe keinen, der stärker ist" Der FC Bayern platzt vor Stolz und Selbstvertrauen
09.03.2023, 08:15 Uhr
Mit einem tüchtigen Rums ist der FC Bayern ins Viertelfinale der Champions League eingezogen.
(Foto: IMAGO/HMB-Media)
Der FC Bayern besteht die Achtelfinal-Kraftprobe in der Champions League mit Lionel Messi und Kylian Mbappé mit Bravour. Zwei Siege ohne Gegentor nähren die Hoffnung auf den Titel. Trainer Julian Nagelsmann hegt für die kommenden Wochen einen Wunsch.
Kaum war der Schlusspfiff ertönt, kaum war Paris St. Germain mit einem kräftigen Tritt in den Milliarden-Hintern aus der Champions League gekickt worden, da transformierte sich die riesige Anspannung des FC Bayern nicht nur in Erlösung, sondern direkt in ein monströses "Mia san mia". Was das, dieses legendäre "Mia san mia" genau ist, das weiß ja niemand so ganz genau. Thomas Müller hatte vor dem Achtelfinal-Rückspiel erklärt, dass es sich dabei um die "behaarte Brust der Bajuwaren" handeln würde. Will heißen: Der FC Bayern ist der FC Bayern, stets von sich überzeugt und in dieser Überzeugung nicht zu schlagen.
Und wenn das "Mia san mia" eben das ist, dann hatte es an diesem Mittwochabend tatsächlich massiv dazu beigetragen, dass die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann auch das Rückspiel ohne Gegentor bestritt und mit 2:0 (0:0) gewann. Das ist durchaus bemerkenswert, denn auf der anderen Seite standen mit Lionel Messi und Kylian Mbappé ja die Nummern eins und zwei der aktuellen Fifa-Weltfußballerwertung. Und um dieses Spiel ohne Gegentor zu gewinnen, mussten die Münchner nur einmal das Glück strapazieren. In der ersten Halbzeit, nach 38 Minuten, bügelte Matthijs de Ligt mit einer Monstergrätsche einen Dribbling-Bock von Torwart Yann Sommer aus, der erleichtert versprach: "Ich werde ihm einen LKW Schweizer Schokolade vor die Türe stellen." Der Ballverlust "war Herzinfarkt", sagte Sportvorstand Hasan Salihamidžić. Aber: Ist ja nochmal gut gegangen.
Nagelsmann schwärmte von der Heldentat des Niederländers: "Der Matthijs, der liebt verteidigen, es gibt so viele Verteidiger, die da aufhören zu laufen, weil sie sagen, ist schon vorbei. Neun von zehn bleiben stehen." De Ligt lief weiter. Warum? "Never give up, das ist mein Moto", sagte er, also niemals aufgeben: "Ich bin ein Verteidiger, der immer alles gibt." Sommer, so viel zur Ehrenrettung, rettete später nochmal stark und das vor den Augen von Manuel Neuer, der erstmals seit seinem fatalen Skiunfall wieder im Stadion zu Gast war.
Sonderlob für "Weltklasse"-Stanisic
Die Münchner stehen im Viertelfinale, das ist beileibe keine Sensation. Aber es ist ein Umstand, der die Macher und den Trainer massiv erleichtert. Zwar hatte Uli Hoeneß, der im Stadion mit bösen Blut-Plakaten attackiert worden war, gesagt, dass ein K.o. gegen Paris St. Germain ganz anders zu bewerten wäre, als die Peinlichkeit im Viertelfinale der vergangenen Saison. Da war der große FC Bayern noch gegen den Dorfklub FC Villarreal gescheitert. Aber dennoch war in München niemand bestrebt, ein Scheitern in der ersten K.-o.-Runde schönzureden. Und das müssen sie ja auch nicht. Im Gegenteil: Die Münchner dürfen sich über eine überragende Abwehrleistung freuen, in der sich Ergänzungsspieler Josip Stanisic ein "Weltklasse"-Lob von Nagelsmann verdiente, in der aber auch de Ligt und Dayot Upamencano überragend wachsam agierten. "Sensationell. Das hat dem Josip nicht jeder zugetraut, so ein Spiel zu machen. Das war unglaublich stark, hat jeden Zweikampf gewonnen." Mbappé und Messi? Nur Schatten.
Während die Münchner Fußballer mit äußerst glücklichen und zufriedenen Mienen in die Nacht entschwanden, verdrückten sich die gepeinigten Superstars von PSG ähnlich unauffällig wie in den 90 Minuten zuvor auf dem Spielfeld aus der Allianz Arena. "Man sieht, dass man mit Geld alleine nicht alles machen kann", sagte Präsident Herbert Hainer, es war im überragenden Glücksgefühl des Sieges ein kleiner Seitenhieb gegen das reichlich aus Katar alimentierte PSG. Das wirkte allerdings mindestens ein kleines bisschen unangebracht: Denn auch die Münchner lassen sich (zumindest noch) vom Emirat finanzieren, über den Großsponsor Qatar Airways.
Und so wuchs nicht nur der Stolz binnen 90 Minuten in gigantische Höhen, sondern auch das Selbstvertrauen. "Ich habe immer gesagt, dass wir eine exzellente Mannschaft haben, die mit jeder in Europa mithalten kann", jubilierte Hainer und fügte äußerst selbstbewusst hinzu: "Wir haben alle Chancen, ich sehe keinen, der stärker ist als wir." Wenn PSG die internationale Benchmark ist, worüber sicher zu streiten wäre, dann hat Hainer sicher recht. Und so liegt die Wahrheit wahrscheinlich ein bisschen mehr in der Mitte: Verstecken muss sich das Team des Rekordmeisters nicht, aber es braucht in den großen Duellen eben "diese maximale Gier und Emotionalität" gepaart "mit der Qualität", die wir haben. Dann können wir alles erreichen. Wenn wir allerdings nur zocken wollen, dann gibt es auch viele Mannschaften in der Bundesliga, die uns wehtun können."
Bayern wächst in solchen Spielen zu ganzer Größer
Nicht immer war das in dieser Saison mit den großen und galligen Leistungen gelungen, ganz besonders schlecht sogar zum Start ins neue Jahr. Binnen weniger Wochen war in der Bundesliga ein Neun-Punkte-Vorsprung auf den BVB verspielt worden. Aber es ist eben so: Während sich die Borussen an ihrer spektakulären Siegesserie in der Bundesliga berauscht hatten, verließ sie in der Königsklasse das Spielglück, gegen ein überlegenes Chelsea aber auch wegen einer höchst umstrittenen VAR-Intervention. Aber das ist dann eben (noch) der Unterschied: Der FC Bayern wächst in solchen Momenten zu ganzer Größer, Borussia Dortmund verzwergt sich.
Der starke Leon Goretzka sah sich nach dem beeindruckenden Erfolg im Duell der katarischen Günstlinge sogar "ein bisschen an die Zeit unter Hansi erinnert", als 2020 mit Trainer Flick sogar alle sechs Titel gewonnen wurden. Vor allem wegen des Zusammenhalts auf dem Platz: "Wenn du ausgespielt wurdest, war sofort der nächste da." Die Räume wurden beeindruckend verdichtet oder zugelaufen. Platz für das Tempo von Mbappé gab es kaum bis gar nicht. Was für eine Meisterleistung, auch von Nagelsmann, für den dieses Duell sicher das Wichtigste in seiner bisherigen Amtszeit in München war. Seine Freude darüber drückte er so aus: "Ich freue mich, im gleichen Boot zu sitzen, das heute schneller gerudert wurde als das von Paris."
"Es schreit sicher keiner Juhu, wenn er uns kriegt"
Hainers These, so sagte Nationalspieler Goretzka, würde er unterschreiben, wenn die Mannschaft immer so spiele. "Mia san mia" eben, hier und dort und überall. "Es schreit sicher keiner Juhu, wenn er uns kriegt", meinte Kapitän Thomas Müller: "Wir haben alle acht Spiele gewonnen. Gegen keine Laufkundschaft, sondern gegen Barcelona, Inter Mailand oder Paris. Wir haben den FC Bayern sehr gut verkauft."
Der erstaunliche Eric Maxim Choupo-Moting (61. Minute), der von der Verlegenheitslösung vor der Saison zu einem absoluten Schlüsselspieler geworden ist und Robert Lewandowski längst vergessen gemacht hat, und der zuletzt extrem formschwache (und nun spät eingewechselte) Serge Gnabry (89.) dokumentierten bei der Neuauflage des Endspiels von 2020 den Unterschied mit ihren Toren. "Man wünscht sich vielleicht als Zuschauer, dass noch mehr Torchancen durch tolle Spielzüge rausgespielt werden, aber wenn zwei Mannschaften wirklich versuchen und dann auch diszipliniert verteidigen ist das nicht ganz so einfach, gerade in so einem Spiel mit so viel Druck", bekannte Müller. "Da geht es einem nicht so leicht von der Hand, man macht den ein oder anderen Tiefenlauf weniger, denkt dabei an den möglichen Ballverlust. Das passiert automatisch."
Um so besser gelang das offensive Spiel beim Führungstor. "Da haben wir einfach mal zugeschnappt. Verratti ist ein Spieler mit weltklasse Ballbehandlung, wie oft er sich aus engen Situationen löst ist schon super. Wir wussten aber auch, da kann man mal eine Beute machen, und die haben wir auch gemacht." Mindestens genauso bemerkenswert aber war die Defensivperformance der Münchner. Die Mannschaftsleistung sei "ganz klar"der Schlüssel zum Erfolg gewesen, sagte Salihamidžić und verwies auf eine "überragende zweite Halbzeit". Der Sportvorstand kündigte beseelt an, die Chefetage werde noch "ein Glas Wein trinken". Bis ins Endspiel am 10. Juni sei es aber "ein weiter Weg". Aber nun eben einer, der voller Stolz und Selbstvertrauen begangen wird.
Quelle: ntv.de