
Fast schon Kunst.
(Foto: picture alliance / Matthias Koch)
Der FC Bayern schafft gegen das Starensemble von Paris Saint-Germain den Einzug ins Champions-League-Viertelfinale. Innenverteidiger Matthijs de Ligt verhindert, dass das Spiel schon früh in die falsche Bahn läuft, Lionel Messi und Kylian Mbappé sind in der zweiten Hälfte abgemeldet.
Was ist in der Allianz-Arena passiert?
Was wurde im Vorfeld nicht darüber philosophiert: Der FC Bayern trifft auf die beste Offensivreihe des europäischen Klubfußballs - nur ohne Neymar. Was bedeutet der Ausfall des Brasilianers? Ist PSG jetzt chancenlos? Ist es vielleicht sogar eine Stärkung für die Franzosen? Schließlich könnte Paris für den offensiven Freigeist einen Spieler einwechseln, der in der Rückwärtsbewegung stärker ist und sie damit besser gegen Konter absichert.
Zumindest nagte der Ausfall Neymars nicht am Selbstvertrauen der Pariser. Die Franzosen waren zwar mit der 0:1-Hypothek aus dem Hinspiel angereist, doch die großen Fragen trieben eher den deutschen Rekordmeister um: Was wird aus der Bayern-Ära von Trainer Julian Nagelsmann, sollte der 34-Jährige nach dem überraschenden Viertelfinal-Aus im vergangenen Jahr gegen den FC Villarreal nun im Achtelfinale scheitern? Spätestens Bayern-Boss Oliver Kahn klärte das vor dem Spiel, der Coach würde auch im Falle einer Niederlage bleiben. Gegen Paris dürfe man schon mal ausscheiden, so der frühere Weltklassetorwart.
Daraus folgte die zweite Frage: Wie verhindern die Münchner eigentlich diese befürchtete Niederlage? Oder anders: Wie behält man Kylian Mbappé im Zaum? Nagelsmann entschied sie für die wenig überraschende Lösung: Gegen den 24-jährigen Wunderstürmer sollte nicht etwa City-Leihgabe João Cancelo ran, sondern Eigengewächs Josip Stanisic in Zusammenarbeit mit Dayot Upamecano. Der Plan ging auf: Mbappé fand vor allem in der zweiten Hälfte praktisch keine Lücken mehr, kam kaum in gefährliche Situationen.
Und so kann sich der FC Bayern darüber freuen, nicht nur das Viertelfinale erreicht zu haben, sondern mit dem französischen Starensemble schon einen der ärgsten Konkurrenten um den Henkelpott ausgeschaltet zu haben. Dabei sah das nicht so sicher aus: In der ersten Hälfte mussten sich die Münchner förmlich ins Spiel kämpfen. Messi, der sich häufig ins Mittelfeld fallen ließ, wurde wahlweise von Thomas Müller und Joshua Kimmich abgegrätscht - oder er zerschellte eben am Bizeps am Leon Goretzka. Und die Münchner konnten sich auch beim souveränen Innenverteidiger Mathis de Ligt bedanken. Nach dem gescheiterten Strafraum-Dribbling von Yann Sommer grätscht de Ligt den Ball von der Linie. Paris wähnte sich schon in Führung, doch stattdessen treibt die Heldentat des Niederländers die Bayern an.
Unseren Spielbericht gibt es hier.
Teams und Tore:
München: Sommer - de Ligt, Stanisic, Upamecano - Coman (86. Gnabry), Kimmich, Musiala (82. Mané), Goretzka, Davies - Müller (86. Cancelo), Choupo-Moting (68. Sané). - Trainer: Nagelsmann
Paris: Donnarumma - Ramos, Hakimi, Marquinhos (36. Mukiele/46. Bitshiabu), Danilo, Mendes (82. Bernat) - Ruiz Pena (76. Zaire-Emery), Ferreira (82. Ekitike), Verratti - Messi, Mbappé. - Trainer: Galtier
Schiedsrichter: Daniele Orsato (Italien)
Tore: 1:0 Eric Maxim Choupo-Moting (61.), 2:0 Serge Gnabry (89.)
Zuschauer: 75.000 (ausverkauft)
Gelbe Karte: - Achraf Hakimi.
Bayerns Erfolg im Spielfilm
1. Minute: Ist das schon ein Vorgeschmack für das, was kommen wird? Es dauert keine 26 Sekunden, da gewinnt Stanisic das erste Duell des Abends gegen Mbappé an der Mittelllinie.
14. Minute: Ups, da liegt der Ball zum ersten Mal im Bayern-Tor. Was war passiert? Es war wirklich kein anspruchsvoller Spielzug der Pariser: langer Hafer aus der eigenen Abwehr auf Mbappé. Der gewinnt zwar das Laufduell gegen Upamecano, dennoch ist Sommer eher am Ball. Der PSG-Angreifer und der Bayern-Torwart stoßen zusammen, der Ball ist plötzlich frei. Mbappé schiebt ein, aber: Stürmerfoul.
22. Minute: Das muss wehgetan haben. Messi zerschellt im Zentrum an Goretzka und fällt zu Boden. Der Deutsche kommt jedoch sehr zum Unmut der Pariser ohne Gelbe Karte davon.
25. Minute: Die Bayern jetzt mit Glück. Mendes nimmt über die linke Mbappé-Seite Tempo auf. Er spielt den Ball in die Mitte, da kommt Messi im Sechzehner zum Abschluss. Doch Außenverteidiger Davies wirft sich dazwischen und verhindert Schlimmeres.
32. Minute: MUSIALA! Der 20-Jährige bekommt Ball mit dem Rücken zum Tor, dreht auf, lässt dabei Danilo stehen und zieht aus spitzem Winkel ab. Donnarumma ist zur Stelle. Es gibt Ecke.
38. Minute: Die Bayern jetzt mit noch mehr Glück. Sommer geht im eigenen Sechzehnmeterraum ins Dribbling, verliert aber den Ball. Der geistesgegenwärtige de Ligt sorgt jedoch dafür, dass Paris das nicht zur Führung nutzen kann. Der Niederländer wirft alles rein, um das Tor zu verhindern – und kratzt den Ball von der Linie. Die Grätsche feiert er (durchaus zurecht) wie ein Finaltor.
Halbzeit: Das war doch besser als im Hinspiel. Viel Tempo, viele Chancen, viele sehenswerte kleine Aktionen. Bayern ist etwas zurückhaltender, PSG hat die besseren Möglichkeiten. Aber auch die Münchner kommen hin und wieder tatsächlich vors Tor.
52. Minute: Tooooooooor, Bayern im Freudentaumel, die Tormusik läuft schon. Flanke Musiala auf Choupo-Moting, der lässt den Ball über den Kopf laufen. Müller lauert am zweiten Pfosten, geht zum Ball, war im Abseits. Tor zählt nicht. Es bleibt beim 0:0.
60. Minute: TOOOOOOR für die Bayern! Jetzt aber wirklich: Choupo-Moting trifft. Die Bayern pressen hoch, das Tor ist eine Co-Produktion von Müller und Goretzka. Sie bedrängen Verratti, der verliert den Ball an der eigenen 16er-Kante. Müller legt quer, Tor, Mr. Choupo schiebt ein.
64. Minute: Der Sommer ist da! Also zumindest auf der Linie. Ecke PSG, Sergio Ramos kommt zum Kopfball und der Bayern-Torwart rettet.
69. Minute: Das war die Chance zur Entscheidung. Konter der Bayern, Coman und Sané sind mit Zwei-gegen Eins in Überzahl, spielen die Situation aber unsauber aus. Nagelsmann kocht an der Seitenlinie.
89. Minute: TOOOOOOR für die Bayern! Das ist jetzt wirklich die Entscheidung. Konter. Tor. Der eingewechselte Cancelo - das sagt schon was, wenn man so einen bringen kann – dribbelt über das halbe Feld, sieht Gnabry auf der linken Seite. Die City-Leihgabe spielt diagonal in die Spitze und der deutsche Nationalspieler schiebt trocken ein.
94. Minute: Toooooooor Mane. Aber Halt: Die Fahne geht wieder hoch, der Senegalese steht mit der Fußspitze im Abseits. PSG ist mittlerweile komplett abgemeldet. Kurz darauf ist Schluss.
Was war gut?
Die de Ligt'sche Heldentat ist auch an Nagelsmann nicht vorbeigegangen. Die Grätsche in der 38. Minute, sie hat die Bayern möglicherweise davor bewahrt, doch gegen PSG auszuscheiden. Es sind hypothetische Fragen: Was wäre gewesen, wenn dieses Dribbling von Sommer in einem Gegentor gemündet wäre? Was wäre gewesen, wenn Vitinha den Patzer des Torwarts in etwas Zählbares für PSG umgemünzt hätte?
Dass es für Bayern dann wohl nicht gut ausgehen hätte, das war wohl auch de Ligt in diesem Moment bewusst. Und so feierte sich der Niederländer für die Rettungsaktion in bester Nico-Schlotterbeck-Manier. Der Dortmunder rettete ähnlich sehenswert im vergangenen Sommer, als er damals mit Freiburg gegen RB Leipzig im DFB-Pokal-Finale stand. Solche Rettungsaktionen ließen sich auch im Pariser Louvre aufhängen.
Sonderlob gab es deshalb auch vom Trainer. "Neun von Zehn auf der Welt bleiben stehen, weil sie denken, es ist schon vorbei", sagte Nagelsmann bei DAZN. "Er hat einfach Bock, zu verteidigen", ergänzte er weiter, und Sommer, der sich im Strafraum verdribbelt hatte, bedankte sich. "Unfassbar" sei die Rettungstat gewesen, sagte der Schweizer. "Ich habe es ja schon ein paar Mal gesagt, ich werde ihm einen Lastwagen Schweizer Schokolade vor die Haustür stellen, weil er überragend mitdenkt."
Ohnehin konnte sich die gesamte Bayern-Defensive sehen lassen. Allen voran Stanisic: Der Kroate wurde schon vor dem Spiel von allen Seiten mit Lob überschüttet. Im Duell gegen mit Mbappé zahlte er diese Vorschusslorbeeren allesamt zurück. Über seine Seite ist besonders nach der Pause praktisch nichts mehr angebrannt.
Was war weniger gut?
Es ist eine der ersten Lektionen, die junge Fußballerinnen und Fußballer mit auf den Weg bekommen: Dribbelt nicht am eigenen Sechzehner! Dann ist es schon etwas erstaunlich, dass es in einem Champions-League-Achtelfinale gleich zweimal vorkommt, dass erfahrende Profis genau das machen. Zum einen ist da Bayern-Torwart Yann Sommer, der bewiesen hat, dass er zumindest in dieser Beziehung kein Manuel Neuer ist. Auf der anderen Seite war es Verratti. Sein Dribbling an der eigenen Box endete im 1:0 - nur eben für die Bayern, weil er dort von Leon Goretzka und Thomas Müller erfolgreich in die Zange genommen wurde.
Was war noch weniger gut? Es lässt sich nicht anders sagen, aber: die zweite Hälfte von Mbappé und Messi. Während beide vor der Pause noch hin und wieder echte Gefahr ausstrahlten, nahm das nach Wiederanpfiff deutlich ab. Gerade Mbappé, von DAZN-Experte Sandro Wagner zum menschlichen Hochgeschwindigkeitszug TGV getauft, lauerte zwar an der Mittellinie, aber nur selten erreichte er sein Ziel. Ähnlich bei Messi: Der argentinische Weltmeister war vor allem in der ersten Hälfte damit beschäftigt, sich ins Mittelfeld fallen zu lassen und von dort Angriffe einzuleiten. In den zweiten 45 Minuten hat dann damit einfach aufgehört.
Und was sagen die Beteiligten?
Julian Nagelsmann (Trainer FC Bayern München) zum Spiel: "Es ist normal, dass wenn man das Hinspiel 1:0 gewinnt, dass der Gegner ein bisschen mehr aufkommen möchte. Die haben natürlich eine brutale Qualität. Es war klar, dass wir die Zuschauer und die talentfreien Bereiche im Fußball brauchen. Ich finde wir haben sehr leidenschaftlich gespielt und sind als Wir aufgetreten. Das ist ein Schlüssel gegen PSG, das haben wir gemacht und sie geknackt."
Nagelsmann zu de Ligts Rettungsaktion: "Yann vergisst den Spieler im Rücken. Das habe ich gerade eben schon im Trainerbüro gesagt: Der Matthijs, der liebt verteidigen, es gibt so viele Verteidiger, die da aufhören zu laufen, weil sie sagen, ist schon vorbei. Neun von zehn bleiben stehen."
Nagelsmann zu Josip Stanisic: "Stani möchte ich hervorheben, der ein sehr gutes Spiel gemacht hat. Sensationell. Das hat ihm nicht jeder zugetraut so ein Spiel zu machen. Das war unglaublich stark, hat jeden Zweikampf gewonnen. Wir hatten auch Mbappe über die weitesten Strecken im Griff."
Thomas Müller (FC Bayern München) zum Spiel: "Man muss natürlich ehrlich sein, dass man im Fußball sich manchmal durch Fleiß das Glück verdient. Wir hatten den einen Moment, als Yann den Ball verliert und Matthijs auf der Linie klärt. Wenn da das 1:0 fällt, weiß man auch nicht, wie die beiden Mannschaften drauf reagieren. Aber gerade in der zweiten Halbzeit haben wir die Scheu abgelegt und waren klarer im Verteidigen, weniger in den Halb-halb-Situationen, wo man nicht weiß, sollen wir draufstürzen oder bleiben. Dementsprechend haben wir auch in der zweiten Halbzeit das bessere Spiel gemacht und auch verdient gewonnen. Wir haben zwei oder drei Konter noch schlecht ausgespielt, aber gerade die Zweikampfführung haben wir heute sehr gut gemacht."
Der Tweet zum Spiel
Quelle: ntv.de