Fußball

Wo bleibt die Pressefreiheit? Nur die Würde des FC Bayern ist unantastbar

Die Medien sind voller Häme und Fake News, diese Botschaft senden die Bosse des FC Bayern. Ihre beispiellose Attacke ist keine Pressekritik, sondern ein gefährlicher Einschüchterungsversuch.

Juan Bernat habe die Fußballer des FC Bayern "fast die Champions League gekostet". Er wirkte im Viertelfinale der vergangenen Saison gegen den FC Sevilla zwar nur in der ersten Halbzeit des Hinspiels mit. Aber da habe dieser Juan Bernat "einen Scheißdreck" gespielt. Und Mesut Özil, der habe in der Nationalmannschaft "seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen." Diese Zitate klingen hart, mehr nach Polemik als respektvoller, fachlicher Fußballkritik, sie sind auch faktisch falsch.

Sie stammen noch nicht einmal von Sportkommentaren, sind keine Einschätzungen von Fußballexperten. Sondern es sind Aussagen von Uli Hoeneß höchstselbst. Ausgesprochen auf einer selbst für FC-Bayern-Verhältnisse beispiellos absurden Pressekonferenz, auf der sich die Bosse auf die Würde des Menschen und das Grundgesetz beriefen (Karl-Heinz Rummenigge), als "große Demokraten" (Uli Hoeneß) lobten - und dabei die entrückte Weltsicht des Fußball-Rekordmeisters und ihr Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit auf erschütternde Weise offenlegten.

Die Botschaft nämlich, die der sportlich gerade akut kriselnde FC Bayern nach vier sieglosen Vereinsspielen und zwei verlorenen DFB-Spielen unter starker Münchner Beteiligung aussandte, war: Pressefreiheit ist ja schön und gut, allzu meinungsstarke Kritik an Mitarbeitern des FC Bayern ist durch sie aber natürlich nicht gedeckt. Der Tenor ihrer undifferenzierten Generalabrechnung mit den Medien, die sie nur in Nebensätzen aufweichten, lautete: Was zu meinungsstark ist, bestimmt nur einer, der FC Bayern.

Die Strafpraxis ist absurd

Die Bayern-Bosse drohten in München tatsächlich damit, ab sofort auf den Vereinskanälen "Ross und Reiter" zu nennen, wenn sie Berichterstattung als "despektierlich", "unverschämt" und "respektlos" empfinden. Was das konkret bedeutet, erlebten die ersten Journalisten direkt bei der absurden Abrechnung in München, auch Fernsehkollegen von n-tv wurden an den Bayern-Pranger gestellt. Dass diese gar nicht für ihre Bayern-, sondern die Nationalmannschafts-Berichterstattung angegriffen wurden und plötzlich Bundestrainer Joachim Löw - in Abwesenheit - herhalten musste, macht ratlos. Ebenso wie die Widersprüche, mit der die Klubchefs die Achtung der Menschenwürde anmahnten, einforderten - und sie gleichzeitig selbst missachteten. Stichwort Bernat, Stichwort Özil.

Selbstverständlich haben die Münchner, und nicht nur sie, das Recht, sich über Meinungen aufzuregen und gegen unsachgemäße, schlecht recherchierte oder wissentlich falsche Meldungen presserechtlich vorzugehen. Eine ehrliche Debatte über Moral und Würde in der schnell schwankenden Berichterstattung, initiiert vom FC Bayern, wer würde das kritisieren? Aber mit ihrer ebenso selbstgerechten wie unsachlichen, gefährlichen und sich widersprechenden Generalabrechnung führen sie diese Strategie ad absurdum.

Bigott, lächerlich, entlarvend

Beispiel (1): Dass Bayern- und DFB-Torwart Manuel Neuer zuletzt zweimal gepatzt hat, darf zwar berichtet werden. Daraus aber die Frage abzuleiten, ob der 32-Jährige nach seiner langen Verletzung noch die unumstrittene Nr. 1 der deutschen Nationalmannschaft sein sollte, definiert der FC Bayern als unbotmäßig. Beispiel (2): Die Münchner empfinden das "Altherren-Urteil" über die Leistungen von Mats Hummels und Jérôme Boateng als zu polemisch und anstandslos - und attestieren Nicht-(Mehr)-Bayern-Spielern quasi im gleichen Atemzug "Dreck"-Leistungen. Ins Verhältnis gesetzt zu der erst vor wenigen Wochen getätigten Hoeneß-Aussage über ein "geisteskrankes" Foulspiel des Leverkuseners Karim Bellarabi, wirken die Beispiele und der mit ihnen hergeleitete mediale Sittenverfall vor allem bigott, lächerlich, entlarvend.

Höchst gefährlich ist indes die angedrohte und bereits umgesetzte Strafpraxis des "Naming and Shaming", die erst vor wenigen Wochen schon andernorts umgesetzt wurde. Mit der von Rummenigge offen geäußerten Drohung, unliebsame Medien an den Vereinspranger zu stellen, nehmen sie Einfluss auf die Berichterstattung. Nachdem sie über viele Jahre die Verbalattacke über die Medien als strategisches Instrument in der Bundesliga eingeführt haben, befeuern sie nun mit ihren Vorwürfen die grassierende Hetze gegen die vermeintliche "Lügenpresse" mit ihren Fake News. Auf die erste kollektive Medienempörung über die Bayern-Schelte könnte die unbewusste Schere im Kopf folgen - was die "Medienkritiker" des FC Bayern einkalkuliert haben werden.

Die Würde des Menschen, das bleibt hängen, ist unantastbar. Solange der Mensch zum FC Bayern gehört.

Quelle: ntv.de

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