
Omar Marmoush in einem Trikot, das er nicht mehr tragen wird.
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Früher war die Welt des deutschen Fußballs einfach: Bayern München wird Deutscher Meister und Borussia Dortmund hält sämtliche Transferrekorde. Alles verändert sich. Jetzt ist Leverkusen Meister und die Eintracht vom Main stellt neue Bestmarken auf. Der neue Rekordhalter muss jetzt gegen einen Fluch kämpfen.
Die Transfer-Saga um Omar Marmoush ist beendet. Am Ende zog sie sich in die Länge. Der Abschied in Frankfurt nach dem Spiel gegen Dortmund, die Verkündung knapp eine Woche später. Der moderne Fußball und all die Verpflichtungen vor der Verkündung. Medizincheck, Social Media, das richtige Timing für den größten Impact. Jetzt aber steht es fest: Der Ägypter wird Eintracht Frankfurt verlassen und ab sofort für den Premier-League-Giganten Manchester City auflaufen.
Am vergangenen Freitag hatte Marmoush sich von den Fans stilvoll feiern lassen. Die Eintracht hatte den Angreifer beim 2:0 (1:0) gegen Borussia Dortmund nicht einmal mehr aufgeboten, im Stadion weilte er jedoch noch. Nach emotionalen Minuten verschwand er und hinterließ ein gewaltiges Erbe in seiner alten Heimat. "Du wirst Omar nicht eins zu eins ersetzen können", sagte Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche im Gespräch mit RTL/ntv. Eintracht Frankfurt erhält für den 25-jährigen Marmoush nach Informationen von RTL/ntv eine Ablöse von 75 Millionen Euro, die durch mögliche Prämien noch auf 80 Millionen Euro anwachsen kann - ein neuer Wintertransferrekord in der Fußball-Bundesliga.
Der bisherige Rekord stand bei rund 64 Millionen Euro, die Arsenal im Januar 2018 für den damaligen BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang und Chelsea ein Jahr später für BVB-Angreifer Christian Pulisic zahlten. Doch nicht nur in der Bundesliga-Tabelle hat Eintracht Frankfurt dem letztjährigen Finalisten der Champions League den Rang abgelaufen, auch auf dem Transfermarkt haben sie die Borussia nun überholt.
In Frankfurt zeigte man sich mit den Zahlen und den Verhandlungen mit dem "sehr professionellen Klub" aus der Premier League höchst zufrieden. Am Ende gehe es, sagte Krösche, "nicht darum, die eigenen Vorstellungen durchzubringen", sondern vielmehr um einen angemessenen Preis für den Spieler im jeweiligen Marktumfeld. "Wenn du Profis auf der anderen Seite hast, dann können sie das einschätzen und wissen, dass die Zahlen und die Summen, die wir letztendlich nennen, jetzt keine aus der Welt gegriffenen sind, sondern dass man sich die schon herleiten kann", sagte der Frankfurt-Boss: "Und dann wirst du immer Lösungen finden."
Am Mittellandkanal werden Wunderstürmer geboren
Bis zu seinem ablösefreien Wechsel zu Eintracht Frankfurt im Sommer 2023 war Marmoush maximal ein Versprechen. Einlösen konnte es der 35-malige Nationalspieler Ägyptens selten. Auf seinen Stationen in Wolfsburg, seinem ersten Klub in Europa, sowie in Stuttgart und beim FC St. Pauli gelangen ihm gerade einmal neun Pflichtspieltreffer in 90 Pflichtspielen, dazu kamen weitere neun Assists. Es waren Werte, die niemand auf Autogrammkarten drucken würde. Doch das war schon bei einem anderen Afrikaner so, der jung an den Mittellandkanal wechselte und von dort auszog, um Europa zu erobern. Sein Name: Victor Osimhen, der bei der SSC Napoli zwischenzeitlich zu den besten Stürmern der Welt gehörte und momentan bei Galatasary in der Türkei geparkt ist.

Gekas trifft im Dezember 2010 im Spiel gegen Mainz. Auf seine 14 Treffer in der Hinrunde folgten nur noch zwei in der Rückrunde und der Frankfurter Abstieg als Randalmeister.
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Auch für Marmoush soll es nun in eine ähnliche Richtung gehen. Erst mit seinem Wechsel zum Stürmer-Hotspot der Bundesliga, zu Eintracht Frankfurt also, blühte der Ägypter, der mit 18 Jahren nach Deutschland gewechselt war, auf. Mit guten 17 Pflichtspieltreffern und sechs Assists in seinem ersten Jahr spielte er sich in die Notizbücher der größeren Klubs, mit einer erstaunlichen ersten Halbserie 2024/2025 adelte er sich zum Bundesliga-Wunderstürmer. In der Torjägerliste gibt er neben Harry Kane das Tempo vor, in Frankfurt hat nur der große Theofanis Gekas mal 14 Tore in einer Halbserie erzielt. "Es wäre ja der Wahnsinn, wenn andere Vereine nicht auf ihn aufmerksam werden würden", sagte Eintracht-Trainer Dino Toppmöller dieser Tage. Gegen den SC Freiburg legte Marmoush ein Tor plus einen Vorlagen-Doppelpack nach - wettbewerbsübergreifend seine Scorerpunkte 32, 33 und 34 der Saison.
Marmoush landet bei einem Krisenklub
Noch ist unklar, wie sich Marmoush in das Gesamtgefüge beim kriselnden englischen Abo-Meister einfügen wird. Die zentrale Position im Angriff ist durch das norwegische Tormonster Erling Haaland besetzt. Der ehemalige Dortmunder wird dabei Manchester so schnell auch nicht verlassen. Er verlängerte seinen Vertrag jüngst bis 2034 (!). Haaland hatte dabei in den vergangenen Jahren im Angriff auch dem argentinischen Weltmeister Julian Alvarez keine Chance gelassen. Der hatte sich dann im Sommer 2024 nach insgesamt 103 Pflichtspieleinsätzen und 36 Treffern in zwei Jahren für einen Neustart entschieden. Denn von den über 100 Spielen hatte er nur 37 über die volle Distanz absolviert. Er war für 75 Millionen Euro zu Atlético Madrid gewechselt und hatte damit im Kader von City eine überraschende Lücke gerissen. In diese soll Marmoush nun womöglich stoßen. Alvaraz war von Trainer Pep Guardiola variabel eingesetzt worden, hatte als Mittelstürmer, hängende Spitze und auch als Linksaußen gespielt. Der ehemalige Frankfurter wird das auch machen.
"Die größten Stürmer der Welt werden nicht kommen, um sich hinter Erling einzuordnen. Man muss einen jungen Spieler finden, der diese Rolle übernimmt", sagte Guardiola jüngst, als die Verhandlungen mit Marmoush bereits vor dem Abschluss standen. "Wir werden eine Lösung finden. Die wird beispielsweise nicht Kylian Mbappé heißen. Das wäre ein Top-, Top-, Top, Top-, Top-Spieler. Wir sollten das anders machen. Wir spielen nur mit einem Stürmer normalerweise und wir werden eine Alternative haben, für den Fall, dass Erling nicht alle Spiele und Minuten spielen kann."
Ohne Alvarez und mit einem Tormonster Haaland im Hungerstreik, aber ohne den schwer verletzten Weltfußballer Rodri schlitterte Guardiola in die wohl schwerste Krise seiner bisherigen Traineraufbahn. In der Champions League droht dem Sieger von 2023 das Blitzaus nach der neu eingeführten Ligaphase. Nach dem 2:4 bei Paris Saint-Germain ist der Klub vor dem letzten Spieltag auf Rang 25 abgerutscht. Nur mit einem Sieg gegen Club Brügge am kommenden Mittwoch kann der englische Abo-Meister den totalen Zusammenbruch vermeiden. In der Premier League rennt Liverpool im ersten Jahr ohne Guardiolas Langzeitrivalen Jürgen Klopp mit dem neuen Coach Arne Slot davon. Für City scheint trotz zuletzt wieder besserer Resultate der Titelzug in der besten Liga der Welt längst abgefahren.
Und darüber hängen die dunklen Wolken der Ermittlungen der englischen Premier League. Die wirft City schwere finanzielle Verstöße in 115 Fällen vor. Die Anklagepunkte betreffen den Zeitraum zwischen den Spielzeiten 2009 bis 2010 und 2022 bis 2023. Sollte Manchester City für schuldig befunden werden, droht dem Klub eine drastische Strafe. Denkbar ist ein Punktabzug und im schlimmsten Fall ein Ausschluss aus der Premier League. In der vergangenen Saison waren dem FC Everton wegen finanzieller Verstöße gleich zweimal Punkte abgezogen worden. Ein Schuldspruch für Man City könnte auch Entschädigungsforderungen anderer Premier-League-Klubs nach sich ziehen.
Ägypter kämpft gegen mysteriösen Frankfurter Fluch
Marmoush soll nun dabei helfen, die Saison zumindest sportlich zu retten. In Frankfurt reiht er sich unterdessen damit auch in eine erstaunliche, wenngleich mahnende Frankfurter Reihe ein. Gleich vier Angreifer führen nun die Liste der Rekord-Abgänge der Eintracht an. Doch die, die gingen, wurden, grob überrissen, sportlich nie wieder so glücklich wie am Main. Die nun von Manchester City zu zahlenden Transfersumme ist dabei nicht einmal eine Rekordsumme für den Klub.
Die steht weiterhin bei den 95 Millionen Euro, die Paris Saint-Germain im Sommer 2023 nach einem langen Poker für den französischen Auswahlspieler Randal Kolo Muani auf den Tisch legte. Während der mittlerweile 26-Jährige noch gegen sein Verschwinden kämpft, bei PSG in der laufenden Saison nur auf zwei Tore in 14 Pflichtspieleinsätzen kommt und sich dieser Tage für den Rest der Saison Juventus Turin anschließt, verlieren sich die Spuren von Luka Jović irgendwo in Italien. Der im Sommer 2019 für 63 Millionen Euro zu Real Madrid gewechselte Serbe bringt es bei AC Mailand auch aufgrund einer langwierigen Verletzung in dieser Spielzeit auf insgesamt 78 Pflichtspielminuten.
Wird Marmoush der neue ägyptische König der Premier League?
Tragisch hingegen der Fall des dritten Stürmers. Der Ivorer Sébastien Haller verließ Frankfurt ebenfalls im Sommer 2019. Dem Londoner Premier-League-Klub West Ham waren die Dienste des Mittelstürmers 50 Millionen Euro wert, einige Jahre später war er über den Zwischenschritt Ajax Amsterdam zurück in der Bundesliga. Doch bei Borussia Dortmund kam das Unglück über ihn. Erst erkrankte er an Hodenkrebs, überwand diesen in wenigen Monaten und stand am 27. Mai 2023 vor dem Happy End seines persönlichen Märchens. Nur elf Meter trennten ihn im Spiel gegen den FSV Mainz 05 vom Bundesliga-Titel. Er vergab. Dortmund warf den Titel weg. Es war der ultimative Karriere-Knick. In diesem Transferfenster wechselte er auf Leihbasis zurück zum FC Utrecht, wo einst alles begann. Vielleicht findet Haller dort sein Glück wieder, zumindest der Start war verheißungsvoll: Im Achtelfinale des Pokals schnürte er als Joker gegen den RKC Waalwijk einen Doppelpack zum Weiterkommen.
Für Marmoush wird es somit auch darum gehen, sich gegen den Frankfurt-Fluch zu stemmen. Dabei tritt er nun somit zumindest für kurze Zeit ins direkte Duell mit der ägyptischen Legende Mo Salah. Doch dessen Tage bei Liverpool sind trotz seiner überwältigenden Saison womöglich gezählt. Dann könnte sich Marmoush sogar zum "Egyptian King" der Premier League krönen. Bis dahin aber ist er erst einmal nur der Bundesliga-Wintertransferrekordhalter.
Quelle: ntv.de, Daten: Christoph Wolf