
Der FC Bayern eröffnete das Bundesliga-Jahr mit einem würdigen Gedenken an Franz Beckenbauer.
(Foto: picture alliance / Wagner)
Auch eine Woche nach dem Tod von Franz Beckenbauer bewegt das Ableben des "Kaisers" immer noch die Deutschen. Besonders ein Thema scheint enge Freunde und Weggefährten nicht loszulassen. Der Umgang mit Beckenbauer rund um die Enthüllungen zum Sommermärchen lässt nicht nur Lothar Matthäus keine Ruhe.
"Es sollten sich viele fragen, was in den letzten fünf, sechs Jahren falsch gelaufen ist." Eine Woche ist es nun her, dass eine Nachricht die ganze Nation in Schockstarre und tiefe Trauer versetzte. Der Tod von Franz Beckenbauer hat unser Land im Mark getroffen. Am Freitag fand der "Kaiser" auf dem Friedhof Perlacher Forst in München seine letzte Ruhestätte.
Doch nicht nur der Kapitän der Weltmeistermannschaft von 1990, Lothar Matthäus, kann nach dem Tod von Franz Beckenbauer noch immer nicht abschließen mit einem Kapitel, das über die letzten Lebensjahre des so erfolgreichen Sportlers und Funktionärs Beckenbauer einen dunklen Schatten warf. Und Lothar Matthäus trifft mit seinen Worten ganz offensichtlich einen Nerv bei den Deutschen.
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Es ist tatsächlich tieftraurig, dass es unser Land und unsere Gesellschaft nicht noch zu Lebzeiten von Franz Beckenbauer hinbekommen haben, gemeinsam die unsägliche Geschichte rund um das unvergessene und unvergessliche Sommermärchen aufzuklären und abzuschließen. Matthias Sammer hat völlig zu Recht gesagt: "Das tut mir sehr, sehr weh. Ich finde es unwürdig und schäme mich ein Stück weit dafür, was wir, dieses ganze Land und unsere Medien ihm angetan haben."
Sammer: "Wir alle haben Franz Beckenbauer vorgeschickt"
Die offenen Worte ehren Matthias Sammer - und es ist kein Wunder, dass ausgerechnet er sich in diesen Tagen zu Wort meldet. Denn Sammer hatte schon im Dezember 2015, also in unmittelbarer Nähe zu den ersten Enthüllungen rund um das sogenannte "Sommermärchen", die passenden Sätze gesagt. Man müsse die Ereignisse "entspannt und miteinander aufklären. Mit dem Ideal, dass sich die Dinge wieder beruhigen". Doch genau das geschah über all die Jahre nicht. Wohl auch deshalb, weil sich nur wenige öffentlich an die Seite von Franz Beckenbauer wagten, wie Lothar Matthäus und Matthias Sammer.
Und so standen die Vorwürfe über all die Jahre im Raum und bewegten Franz Beckenbauer wohl letztlich dazu, sich schon vor dem Auftreten der ersten Krankheiten weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Nur selten versuchten - wie im August 2019 Lothar Matthäus ("Der Umgang mit ihm gehört sich nicht, man versucht ihn zu demontieren. Das hat er nicht verdient und das tut ihm und auch mir weh") - enge Freunde und Weggefährten, an diesem Zustand etwas aktiv zu verändern.
Die Einsicht und die Worte von Matthias Sammer, die er in diesen Tagen äußerte und die viele Menschen teilen können, kamen zu spät: "Wir alle haben Franz Beckenbauer vorgeschickt und alle wussten, mit welchem korrupten System, welchen Anforderungen, die dieses FIFA-Konzil in sich trägt, er es am Ende zu tun haben würde. Ich weiß nicht, wie er es am Ende geschafft hat, die WM 2006 nach Deutschland zu bringen. Ihn dann aber so zu attackieren, weil er dafür dieses System irgendwo bearbeiten musste, das ist Heuchelei."
Niemand möchte, dass so mit einem selbst umgegangen wird
Einer der wenigen, die in den letzten Jahren bewusst an der Seite von Franz Beckenbauer standen, war Marcel Reif. 2017 schrieb er in seinem Buch "Nachspielzeit" einige wahre Worte, die leider viel zu wenig beachtet wurden: "Ich will nicht kleinreden, was ans Licht gekommen ist, großartige Recherchen. Chapeau. Aber wenn ich sehe, wie schnell es geht, dass einer vom Helden zum Aussätzigen wird in der Sicht der Menschen, die über ihn reden - sorry, da schnürt es mir den Hals ab. Wenn ich Beckenbauer vor mir sehe, nach den Enthüllungen, und mich frage, wie ich mich jetzt mit ihm und seiner Geschichte fühle - dann merke ich: Ich kann nicht einfach drauflosblöken und mich entsetzen und entrüsten. Dafür habe ich selbst zu viel angestellt. Selbst an der falschen Stelle Hurra geschrien. Selbst Leute verletzt, enttäuscht."
Leider ist es nun zu spät. Die Schande des vielfach Ungesagten lastet auf dem Tod von Franz Beckenbauer. Und man kann Lothar Matthäus verstehen, wenn er noch nicht zur Ruhe kommen will und sagt: "Was man alles in den letzten fünf, sechs Jahren so mit ihm angestellt hat, auch von den Medien, die mit dem Finger auf ihn gezeigt haben, das hatte er nicht verdient. Das sind Geschichten, die mir als Freund weh getan haben, wie man mit ihm umgegangen ist."
Man kann Matthäus' Entrüstung und Emotionalität nachvollziehen, weil es so einfach wie natürlich ist: Niemand möchte, dass so mit einem selbst umgegangen wird. Denn bei allem Verständnis für die Vorwürfe: Es war zu keiner Zeit so, dass, wie Sammer es formulierte, ein entspanntes Miteinander -Aufklären mit dem "Ideal, dass sich die Dinge wieder beruhigen" möglich war. Dafür war die "Vorverurteilung" Beckenbauers öffentlich zu stark und eindeutig.
Beckenbauers Manager teilt seinen Schmerz
Und so ist es wohl auch kein Zufall, dass Marcel Reif bereits im Jahr 2017 ganz offensichtlich wenig Hoffnung hatte, dass sich an der Lage von Franz Beckenbauer noch einmal grundsätzlich etwas ändern würde. Seine (schönen) Worte über den Mann, der als Spieler und Trainer Weltmeister wurde, fanden schon damals in der Vergangenheit statt: "Er war für mich eine Persönlichkeit, mit entsprechendem Charisma. Jemand, der viel geleistet hat, der dabei geerdet und menschlich geblieben ist."
Am Wochenende hat sich der langjährige Manager von Franz Beckenbauer, Marcus Höfl, zu Wort gemeldet. Seine bitteren und verbitterten Sätze zeigen, wie tief der Schmerz darüber sitzt, dass eine gemeinsame Aufklärung (und mögliche Rehabilitierung) nicht mehr zu Lebzeiten von Franz Beckenbauer stattgefunden hat: "Und dann sind da noch die, die auch nach seinem Ableben immer noch versuchen, ihre falschen Vorwürfe zu rechtfertigen. Ich habe und werde nichts von alldem vergessen und will jetzt trotzdem verzeihen. Wieso? Weil wir Franz loslassen sollten! Dem größten deutschen Fußballer und einer der größten Persönlichkeiten überhaupt gebührt es, in Frieden ruhen zu dürfen!"
Quelle: ntv.de