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"CO2 wird bald Rohstoff sein" Fünf Technologien reichen für die Energiewende

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Schon bald könnte es riesige Solar- und Windparks auf den Weltmeeren geben, wo sie Grundlage für grüne Treibstoffe sind.

Schon bald könnte es riesige Solar- und Windparks auf den Weltmeeren geben, wo sie Grundlage für grüne Treibstoffe sind.

(Foto: picture alliance / CFOTO)

Photovoltaik, Windkraft, Batterien, Elektrolyseure und als Direct Air Capture (DAC) bekannte CO2-Staubsauger - diese fünf Technologien benötigen wir für eine erfolgreiche Energiewende, sagt Christian Breyer. Neue Wasserkraftwerke, Geothermie und Bioenergie hält der Solarökonom der Technischen Universität Lappeenranta (LUT) in Finnland dagegen für keine überzeugenden Lösungen. Grünen Wasserstoff auch nicht. Das sei ein umständlicher Energieträger, der lediglich Baustein für andere sein sollte, erklärt Breyer im "Klima-Labor" von ntv. Denn die Zukunft der globalen Energieversorgung sieht der Forscher auf den Weltmeeren: In 30 Jahren könnten schwimmende Solarkraftwerke Strom erzeugen, der in riesigen Offshore-Fabriken für synthetische Treibstoffe in grünes Ammoniak, Methanol oder Kerosin umgewandelt und weltweit verteilt werden kann - dank Jahrzehnte alter Verfahren und dem neuen Rohstoff CO2.

ntv.de: Die Bundesregierung schmiedet große Wasserstoffpläne, man träumt von Wasserstoffheizungen und Flüssiggas-Terminals, an denen eines Tages grüner Wasserstoff anlandet, aber auf ihrer Liste fehlt er. Warum?

Christian Breyer: Die Liste enthält nur das Equipment und Gerät, mit dem wir die Energiewende bewerkstelligen, kein konkretes Produkt. Ansonsten würde immer Elektrizität an erster Stelle stehen, die ist am wichtigsten für die Energiewende. Deswegen sind speziell für Europa und Nordamerika Photovoltaik und Windkraft entscheidend. Das ist selbsterklärend.

Und was ist mit Wasserkraft?

Die ist wichtig, wird weltweit aber bereits hervorragend genutzt. Das Potenzial ist weitgehend ausgeschöpft.

Es gibt kein Steigerungspotenzial mehr?

Die Wasserkraftkapazitäten lassen sich sicherlich noch um ein Drittel bis 50 Prozent steigern. Aber suchen wir lediglich günstige und erneuerbare Energiesysteme oder auch nachhaltige? Wenn uns Nachhaltigkeit wichtig ist, müssen wir mit Flüssen behutsam umgehen. Die größten Potenziale für Wasserkraft weisen große Ströme wie der Mekong in Asien, der Kongo in Afrika und teilweise der Amazonas in Brasilien auf. Technisch wäre es möglich, dort Wasserkraftwerke zu bauen, es wäre vielleicht auch ökonomisch attraktiv, aber man würde relativ sicher die Flussökologie zerstören. Und wir reden allein beim Kongo von gut 500 Arten, die nur dort leben. Deswegen ist Wasserkraft, wo sie besteht, immer Teil der Lösung, aber wie andere nachhaltige Energiequellen limitiert.

Warum?

Man sieht bei der Geothermie seit Jahrzehnten, dass sich Projekte nicht in dem Maße realisieren, wie man sich das gewünscht hätte. Bioenergie hat den großen Nachteil, dass für Energiepflanzen der Platz fehlt, denn den benötigen wir für Futtermittel, das wir Tieren geben, die wir wiederum essen. Ob das eine kluge Idee ist, ist eine andere Frage.

PV und Wind belegen die Toppositionen, weil sie sich bewährt haben, funktionieren und günstig sind?

Natürlich. Am Ende ist die Energiewende eine ökonomische Frage. Potenzial anderer Technologien ist vorhanden, aber auf einem anderen Kostenniveau. Speziell Solarenergie ist unglaublich günstig und inzwischen sogar die günstigste Form der Elektrizität weltweit. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Schon 2021 war die Hälfte der weltweit zugebauten Stromkapazität PV. 2050 werden etwa 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben und davon ungefähr drei Viertel im Sonnengürtel, wo das ganze Jahr die Sonne scheint. Das ist günstige und überall verfügbare Energie. Deswegen sind auch Batterien so wichtig.

Inzwischen werden die ersten Solarparks auf dem Wasser errichtet. Weil man dort so viel Platz für Infrastruktur hat?

Das ist eine wunderschöne Technologie namens "Floating PV", die in den letzten zehn Jahren vorwiegend auf Seen, Reservoirs oder Teichen umgesetzt wurde, wo der Netzanschluss vergleichsweise simpel ist. Die Frage war immer: Funktioniert das auch auf dem Meer? Immer mehr Teile der Welt versuchen das, natürlich in ruhigen Gewässern ohne hohe Wellen. Das kann man beherrschen. Wir haben das am Beispiel der Karibik untersucht, denn bekanntlich ist der Platz auf vielen Inseln für die Energieversorgung relativ knapp.

Oder in Singapur.

Dort wird mit am meisten an schwimmender PV geforscht. Aber das wird wahrscheinlich nur eine Beimischung für den Energiemix sein, denn wenn man sich die geografische Lage genau anschaut, spricht viel dafür, einfach eine Stromleitung nach Sumatra zu legen. Diese riesige indonesische Insel liegt direkt nebenan. Dort würde man nicht so viel Fläche benötigen, um ein kleines Land wie Singapur mit Strom zu versorgen. Denkt man diese Vision 20 bis 30 Jahre weiter, wären riesige Fabriken für synthetische Treibstoffe in internationalen Gewässern möglich: Ein großes, schwimmendes PV-Kraftwerk erzeugt Strom und über die Elektrolyse grünen Wasserstoff. Mit dem kann man nicht so viel anfangen, daher wandelt man ihn in Ammoniak, Methanol oder Kerosin um. Diese Stoffe könnten wiederum Tanker in regelmäßigen Intervallen von diesen Offshore-Fabriken abholen und auf den Weltmärkten verteilen.

Der Nutzen von PV, Wind und Batterien erschließt sich. Aber warum muss der grüne Wasserstoff ein weiteres Mal umgewandelt werden?

Prinzipiell kann man mit Wasserstoff sehr viel machen, aber Wasserstoff ist das kleinste Molekül des Universums und entsprechend schwierig zu handhaben. Es diffundiert gern durch Materialien, ist leicht entflammbar und der Transport kompliziert. Das kann man technisch bewerkstelligen, kostet aber. Und am Ende des Tages funktionieren Schifffahrt und Luftverkehr mit Elektrizität und Batterien nur auf kurzen Distanzen. Auf dem Rhein kann ich die Batterie unkompliziert aufladen, auf großen Ozeanen nicht. Dort braucht man dichte, chemische Energieträger. Und wir wissen bereits, dass man Kerosin nicht aus Erdöl herstellen muss: Wir brauchen Wasserstoff und einen Kohlenstoff, üblicherweise CO2. Dann können wir über das Fischer-Tropsch-Verfahren synthetische Treibstoffe wie Kerosin herstellen.

Für diesen Prozess sind Elektrolyseure notwendig?

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Für den ersten Schritt, wenn wir grünen Wasserstoff erzeugen. Anschließend fehlt nur noch CO2, das plötzlich kein Abgas mehr ist und Emissionen verursacht, sondern ein Rohstoff. Dann hätte man eine Lösung für die Luftfahrt, bei der man den heutigen Flugzeug-Fuhrpark nicht großartig verändern müsste. Ein weiterer Vorteil ist, dass man Wasserstoff neben Kerosin auch in fast alle anderen wichtigen Produkte umwandeln kann, die wir benötigen: Methanol für die Chemieindustrie oder für die Schifffahrt oder in Ammoniak als Düngemittel für die Landwirtschaft. Wasserstoff selbst wird vor allem in der Stahlherstellung benötigt.

Und woher nehmen wir das CO2? Ist das die fünfte Schlüsseltechnologie, die CO2-Staubsauger?

CO2 kann aus allen möglichen Quellen stammen, aber letztlich ist Direct Air Capture (DAC) vermutlich die am besten skalierbare Lösung. Denn wenn wir Klimawandel und Energiewende ernst nehmen, werden wir Gaskraftwerke, Kohlekraftwerke und die kohlebasierte Stahlherstellung bald einschränken und damit alle wesentlichen Prozesse, bei denen große CO2-Emissionen auftreten. Es blieben Müllverbrennungsanlagen, Papierfabriken und Zementfabriken übrig, aber das wären vom Volumen her eher kleine Quellen, um Methanol für die Chemieindustrie und Kerosin für die Luftfahrt herzustellen. Wie schließt man diese Deckungslücke? Wir nehmen das CO2 aus dem Reservoir, in dem sich ohnehin zu viel befindet, die Atmosphäre. Die Kosten dafür sollten sich in einem akzeptablen Rahmen befinden.

Dann sind ja alle Probleme gelöst - in der Theorie jedenfalls. Aber sind wir nicht schon zu spät dran? Ja, es werden weltweit sehr viele Solarparks gebaut, aber es fehlen doch überall Speicherkapazitäten, um Solarstrom rund um die Uhr nutzen zu können. Und DAC wird bislang auch nur auf kleinem Niveau eingesetzt.

Windkraft funktioniert, auch wenn bisher nicht alle Kinderkrankheiten behoben sind. Aber dort wird eigentlich nur noch an Detailfragen gefeilt. Photovoltaik genauso. PV-Module werden jedes Jahr im Schnitt 0,5 Prozentpunkte effizienter. Dieser Trend hält seit 20 Jahren an, wird noch etliche Jahre so weitergehen und gleichzeitig immer günstiger werden.

Dann machen wir an Wind und PV einen Haken dran. Was ist mit Batterien?

Wir sehen das Wendejahr. In den vergangenen Jahren gab es Probleme mit Kobalt- und Nickel-Engpässen, aber in E-Autos und Heimspeichern werden inzwischen hauptsächlich Lithium-Ionen-Batterien verwendet, die man zusehends ohne Kobalt und Nickel baut. Haben wir genügend Lithium? Daran scheiden sich die Geister. Im Prinzip ist genug da, die Weltmeere sind voll davon, wir bekommen es nur nicht effizient raus. Das ist das eigentliche Problem. Dieses Jahr wurden von den beiden Weltmarktführern auch Natrium-Ionen-Batterien eingeführt. Bei denen gibt es gar keine Materialengpässe mehr.

Bei den Batterien ist auch alles in trockenen Tüchern?

Es spricht sehr viel dafür. Diese Unternehmen haben einen Ruf zu verlieren und würden das nicht tun, wenn sie nicht wüssten, dass das funktioniert. Und die Wachstumsraten sind gewaltig: Wenn die Herstellung von PV-Modulen mit 30 Prozent pro Jahr wächst, wächst die Batterieherstellung mit 50 bis 100 Prozent pro Jahr.

Und Elektrolyseure?

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Dort ist die Lage kritischer, weil der Markt sehr viel kleiner ist. Aber die Technologie beherrschen wir auch schon seit 100 Jahren und es gibt ungefähr zwei Dutzend Hersteller und Anbieter aus der ganzen Welt. Es wird ein spannender Wettlauf, wer zum Schluss die besten Produkte zu den besten Preisen anbieten kann. Ich mache mir keine Sorgen. Bei DAC bleibt lediglich die Skalierung fraglich, denn die Technologie funktioniert auch in diesem Fall: Sie wird seit den 1960er Jahren in Atom-U-Booten und auf Raumstationen angewendet. Es fehlt nur die große Kommerzialisierung, und inzwischen werden auch diese Hersteller von Investoren gut mit Kapital ausgestattet.

Mit Christian Breyer sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet.

Klima-Labor von ntv

Was hilft wirklich gegen den Klimawandel? Funktioniert Klimaschutz auch ohne Job-Abbau und wütende Bevölkerung? Das "Klima-Labor" ist der ntv-Podcast, in dem Clara Pfeffer und Christian Herrmann Ideen, Lösungen und Behauptungen der unterschiedlichsten Akteure auf Herz und Nieren prüfen.

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Quelle: ntv.de

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