Analyse von Trocknungsflecken Ist Alzheimer bald vor Symptombeginn diagnostizierbar?
20.07.2022, 12:16 Uhr (aktualisiert)
So sieht der vergrößerte Trocknungsfleck einer Lösung mit gesunden Amyloid-Beta-Proteinen aus.
(Foto: KIT)
Bisher kann Alzheimer erst diagnostiziert werden, wenn es Symptome gibt. Doch dann sind Neuronen im Gehirn bereits zerstört. Forscher setzen deshalb auf Früherkennung mit einer simplen Methode und Künstlicher Intelligenz.
Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der in Zukunft Alzheimer bereits im Frühstadium diagnostiziert werden könnte. Azam Jeihanipour und Jörg Lahann vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) können damit das Vorhandensein von krankhaft veränderten Eiweißen sowohl im Blut- als auch in der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit, also in Liquorproben, auf relativ einfache Weise bestimmen. Dabei hilft ihnen Künstliche Intelligenz.

Mit künstlicher Intelligenz werden die Unterschiede erkannt: gesundes Amyloid-Beta-Peptid (l.) und eine Mutation davon (r.).
(Foto: KIT)
Doch wie funktioniert das? Fehlgefaltete Beta-Amyloid-Proteine gelten als Indikatoren für eine Alzheimer-Erkrankung. Man geht davon aus, dass schon kleinste Veränderungen in der biochemischen Struktur in Proteinen und Peptiden zur Entwicklung von zahlreichen neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson führen. Die krankhaft veränderten Eiweiße können dann im Gehirn nicht mehr richtig abgebaut werden, verklumpen und schädigen schließlich die Neuronen, was zu den bekannten Krankheitszeichen führt.
Das Forscher-Duo machten sich auf die Suche nach einer Methode, mit der man Indikatoren ausfindig machen kann. Sie kamen darauf, die Fehlfaltungen über die spezielle Trocknungsstruktur von Protein- und Peptid-Lösungen nachzuweisen. Bereits bekannt ist, dass das Ergebnis solcher Trocknungsflecken auf Oberflächen von den chemischen Eigenschaften der Proteine abhängig ist. Die Fleckenmuster, über die bereits geforscht worden ist, reichen von homogenen Filmen über verästelte und gitterförmige Muster bis hin zu komplexen Arrangements. Die Methode wird auch als Kaffeering-Effekt bezeichnet.
Pipettierroboter und KI
Um herauszufinden, ob sich die Methode auch zum Erkennen von krankhaft veränderten Beta-Amyloid-Proteinen eignet, lösten die Forscher sowohl kranke als auch gesunde Beta-Amyloid-Proteine in einer bestimmten Flüssigkeit auf und ließen wegen der notwendigen Präzision einen Pipettierroboter die Lösung auf eine Glasscheibe tropfen. Danach wurden die Tropfen 40 Minuten lang unter kontrollierten Bedingungen getrocknet.
Da jedoch die Unterschiede der Trocknungsbilder mit dem menschlichen Auge kaum zu unterscheiden waren, entschieden sich Jeihanipour und Lahann zum Einsatz Künstlicher Intelligenz. Das sogenannte Deep-Learning-System wurde zunächst mit rund 400 Fleckenmuster-Aufnahmen der krankhaft veränderten sowie rund 400 Aufnahmen der gesunden Proteine "gefüttert". Danach wurde das System mit 720 weiteren Aufnahmen zur Einordnung gespeist.
Fleckenmuster sind wie Fingerabdrücke
"Die Fleckenmuster von Amyloid-Beta-Peptiden repräsentieren Fingerabdrücke, die die strukturelle und räumliche Identität des Peptides widerspiegeln", wird Lahann in einer Mitteilung des KIT zitiert. Sie seien nicht nur charakteristisch und reproduzierbar, sondern führten auch zu einer Klassifizierung von acht Mutationen mit einer Vorhersagegenauigkeit von über 99 Prozent.
Diese Methode hat nach Ansicht der Forscher großes Potenzial. Sie könnte zum einen der weiteren Erforschung von neurodegenerativen Erkrankungen, die infolge von krankhaften Proteinen und Peptiden entstehen, dienen. Außerdem trauen die Forscher der Methode zu, dass sie eine schnelle, sichere und vergleichsweise einfache diagnostische Grundlage zur Identifizierung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson im Frühstadium werden könnte. Die Ergebnisse wurden im aktuellen Fachmagazin "Advances Materials" veröffentlicht.
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 14. Juli 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, jaz