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Extreme Raumzeit-Wellen entdeckt Forscher: Universum wabert langsam vor sich hin

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Erstmals gelingt es, sehr schwer zu entdeckende Gravitationswellen nachzuweisen. Mehrere Forschungsteams weltweit können mithilfe von Pulsaren eine ständige Bewegung des Kosmos ausmachen. Doch woher stammen diese extremen Wellen?

Das ganze Universum wird wie ein raues Meer ständig gedehnt und gestaucht: Forschern ist erstmals der Nachweis von extrem langwelligen Gravitationswellen gelungen, die durch den Kosmos wandern. Sie vermuten, dass diese von Paaren gigantischer Schwarzer Löcher verursacht werden, die umeinander kreisen. Gleich mehrere Teams auf der ganzen Welt haben in einer konzertierten Aktion eine Reihe von Artikeln dazu veröffentlicht. Darunter auch Forscher der Max-Planck-Institute für Radioastronomie (MPIfR) und Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut).

Die Forscher sprechen von einem Durchbruch bei der Beobachtung des Universums: Denn endlich sei es möglich, die extrem unauffälligen langwelligen Gravitationswellen zu beobachten. Dabei ist es gerade mal etwa sieben Jahre her, dass überhaupt zum ersten Mal die Existenz von Gravitationswellen bewiesen werden konnte. Dies gelang damals mit einem System aus Lasern in zwei Anlagen in den USA, dem Laser-Observatorium LIGO.

Teleskop so groß wie Galaxie

Die von dem Laser-Observatorium gemessenen Wellen waren allerdings Hunderte Milliarden Mal stärker als die nun entdeckten. Da diese Wellen so schwach sind, mussten Forscher auf eine komplett andere Technik setzen: ein Teleskop, das so groß ist wie die ganze Galaxie. Um genauer zu sein, besteht es aus etwa 25 Pulsaren. Das sind die Reste großer Sterne, die rasend schnell rotieren und dabei regelmäßige Radiosignale aussenden - so regelmäßig, dass sie verlässlich wie Uhren ticken. Diese Pulsare finden sich überall am Sternenhimmel und bilden somit ein verlässliches Netz aus Messpunkten.

Auch das 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg in der Eifel nahm die Pulsare ins Visier.

Auch das 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg in der Eifel nahm die Pulsare ins Visier.

(Foto: picture alliance / Rolf Kosecki)

"Wir nutzen die unglaubliche Regelmäßigkeit ihrer Signale, um nach winzigen Veränderungen in ihrem Ticken zu suchen und so die minimalen Dehnungen und Stauchungen der Raumzeit durch Gravitationswellen aus dem fernen Universum nachzuweisen", erklärt David Champion, leitender Wissenschaftler am MPIfR laut Mitteilung. Zur Messung wurden die fünf größten Radioteleskope Europas genutzt, darunter das deutsche 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg in der Eifel. Zusammen bilden sie das europäische Pulsar-Timing-Array EPTA.

Viel Geduld notwendig

Allerdings braucht man bei der Pulsar-Beobachtung viel Geduld: "Unsere Teleskope haben die Pulsare sehr oft und über einen sehr langen Zeitraum hinweg beobachtet", sagt Yajun Gou, Forscherin am MPIfR. "Wir können Frequenzen der Gravitationswellen aufspüren, die so langsam sind wie eine Schwingung alle 30 Jahre."

Mit ihren Messungen bekommen die Forscher ein Bild von einer ganzen Population von den Paaren Schwarzer Löcher im Universum. Diese bilden sich, wenn zwei Galaxien miteinander verschmelzen. Mit der neuen Beobachtungstechnik öffne sich damit "ein neues Fenster zum Universum", sagt Michael Kramer, Direktor am MPIfR. "Wenn dieses Signal noch stärker wird, sind wir in der Lage, die Geschichte der Galaxienentwicklung zu erforschen und möglicherweise direkt die nach dem Urknall."


Der letzte Beweis steht noch aus

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Die Forscher vom MPIfR und dem Albert-Einstein-Institut hatten bei ihren Beobachtungen mit anderen europäischen sowie indischen und japanischen Kollegen zusammengearbeitet. Die Bekanntgabe der erstaunlichen Ergebnisse wurde mit weiteren internationalen Teams aus China, Australien und Nordamerika zeitlich so koordiniert, dass keiner vor dem anderen damit herausplatzte.

Ein richtiger Beweis für die Existenz von schwachen Gravitationswellen ist die jüngste Beobachtung streng genommen allerdings nicht. Der Goldstandard in der Physik für die Entdeckung eines neuen Phänomens sei, dass das Ergebnis des Experiments mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als einem Mal in einer Million zufällig auftritt, schreibt das MPIfR - dies sei bisher nicht erfüllt. Das Experiment soll jedoch erweitert werden, um in Zukunft "einen unwiderlegbaren Beweis für das Vorhandensein eines Gravitationswellen-Hintergrunds" liefern zu können.

Quelle: ntv.de

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