Hoffnungsmaterial Perowskit Billig-Solarzellen knacken immer neue Rekorde
25.04.2022, 11:40 Uhr (aktualisiert) Artikel anhören
Solarzellen mit Perowskit könnten dem Ausbau erneuerbarer Energien einen Schub geben.
(Foto: imago/Christian Ditsch)
Sonnenenergie spielt bei der Energiegewinnung bisher noch eine Nebenrolle. Siliziumzellen sind im Preis zwar dramatisch gefallen, doch ihr Potenzial gilt technisch als ausgereizt. Forscher setzen daher auf ein neues Material: Perowskit. Zuletzt knacken deutsche Teams damit Effizienz-Rekorde.
Erneuerbaren Energien gehört die Zukunft - nicht nur wegen des Klimawandels. Auch der Überfall Russlands auf die Ukraine führt vor Augen, wie wichtig die Unabhängigkeit vom Import fossiler Energieträger sein kann. Ein Hoffnungsträger für die Abkehr von schmutziger Energie ist Strom aus Sonnenlicht. In Deutschland liegt der Anteil von Fotovoltaik am Stromverbrauch zuletzt allerdings bei unter neun Prozent. Frischen Schub für die Energiewende könnten jedoch effizientere und billigere Solarzellen bringen.
Bisher sind vor allem Silizium-Solarzellen im Einsatz, deren Wirkungsgrad, also wie viel Sonnenenergie sie in Strom umwandeln, jedoch weitgehend ausgereizt ist. Einige Entwickler verfolgen daher eine Doppelstrategie, um Solarzellen potenter und günstiger zu machen: Perowskit und Tandemzellen. Bei Perowskit handelt sich um ein Mineral, das nach dem Russen Lew Alexejewitsch Perowsk benannt ist, der es bereits 1839 beschrieben hatte. Erst in vergangenen Jahren jedoch haben es Solarzellen-Forscher für sich entdeckt. Der Vorteil von Perowskit: Es ist sowohl kostengünstig als auch einfach in der Herstellung und Verarbeitung.
Der zweite Kniff: Tandem-Solarzellen. Sei bestehen nicht nur aus einer, sondern aus zwei übereinander gestapelten Schichten, die unterschiedliche Wellenlängen des Sonnenlichts in Strom umwandeln können. Dadurch wird also auf derselben Fläche mehr Energie erzeugt - was auch angesichts des begrenzten Platzes für Fotovoltaikanlagen eine Rolle spielt. Forscher des Helmholtz Zentrums Berlin (HZB) hatten mit dem Einsatz von Perowskit in Tandemzellen zuletzt einige Erfolge erzielt. Der jüngste Weltrekord beim Wirkungsgrad einer Perowskit-Silizium-Tandemzelle stammt aus dem Herbst 2021 und liegt bei fast 30 Prozent. Die leistungsfähigsten reinen Silizium-Solarzellen kommen auf etwa 27 Prozent.
Organisches Material statt Silizium
Forscher der Bergischen Universität Wuppertal sind noch einen Schritt weiter gegangen: "Anstelle von Silizium nutzen wir sowohl organische Materialien als auch neuartige Perowskit-Halbleiter", sagt Thomas Riedl, Direktor des Center for Smart Materials & Systems laut Mitteilung der Universität. "Der gleichzeitig bedeutend geringere Material- und Energiebedarf bei der Herstellung lässt diese Technologien auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit sehr vielversprechend erscheinen." Für diese Art von Tandemzelle konnten die Forscher aus Wuppertal zuletzt ebenfalls einen neuen Weltrekord verbuchen: 24 Prozent Wirkungsgrad. Ihr Ergebnis hatten sie Mitte April im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht.
Doch diese Perowskit-Tandemzellen sind noch in der Entwicklung und ihre beeindruckenden Ergebnisse beim Wirkungsgrad erzielten sie nur unter Laborbedingungen. Allerdings berichtete das in Deutschland gegründete Unternehmen Q Cells im März dieses Jahres von einer Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle mit einem Wirkungsgrad von 28,7 Prozent, die auch zur Serienproduktion geeignet sein soll.
Wirkungsgrad jenseits der 30 Prozent erreichbar
Aber wie weit kann es beim Wirkungsgrad von Solarzellen noch nach oben gehen? Bei Silizium liegt das Maximum bei etwas über 29 Prozent. Simulationen an der Bergischen Universität Wuppertal haben allerdings gezeigt, dass Tandemsolarzellen mit einem Wirkungsgrad jenseits der 30 Prozent erreichbar sind. Es sind Wirkungsgrade, die man ansonsten bislang nur bei speziellen Solarzellen findet, die in der Weltraumforschung zum Einsatz kommen, beispielsweise bei der Mars-Drohne "Ingenuity". Im Labor wurde bei mehrschichtigen Solarzellen sogar ein Wirkungsgrad von fast 50 Prozent erzielt.
Für die praktische Anwendung ist allerdings der Wirkungsgrad der Solarmodule entscheidend, in denen die Solarzellen verbaut werden - dieser liegt immer unter dem der verwendeten Zellen. Perowskit-Solarmodule gibt es bisher allerdings noch gar nicht zu kaufen. Experten rechnen aber mit einer Markteinführung bis zum Jahr 2025. Abzuwarten bleibt, ob sich der positive Trend bei den Kosten dann fortsetzt. Die Preise für Silizium-Solarmodule sind seit 2010 um etwa 90 Prozent gefallen.
(Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 21. April 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de