Forscher rätseln über Ursache Kaffee schützt vor Krebs
15.06.2021, 20:23 Uhr
Ein Espresso ist wahrscheinlich nicht nur lecker, sondern auch gesund.
(Foto: imago images/BreakingTheWalls)
Lange Zeit gilt Kaffee als gesundheitsschädlich, er soll sogar krebserregend sein. Wahrscheinlich ist eher das Gegenteil der Fall und das Getränk hilft, etliche schwere Krankheiten zu verhindern. Es kommt aber darauf an, wie Kaffee gemacht und getrunken wird.
Karl Lauterbach hat auf Twitter ausnahmsweise nicht mit einem Beitrag zum Pandemiegeschehen Aufmerksamkeit erregt: Der SPD-Gesundheitsexperte feiert einen Artikel der "New York Times", der die gesundheitlichen Vorzüge von Kaffee aufzählt.
Tatsächlich ist es erstaunlich, wie sich das Image des Heißgetränks innerhalb weniger Jahre vom Risikofaktor à la Tabakkonsum zum Heilmittel gegen allerlei Krankheiten gewandelt hat. Der neue gute Ruf des Kaffees ist offenbar berechtigt, wie entsprechende Studien zeigen. Aber Kaffee ist nicht gleich Kaffee und wie so oft kommt es auf das richtige Maß an.
Von krebserregend zu krebsverhindernd
Noch vor wenigen Jahren galt Kaffee als krebserregend. Im Juni 2016 veröffentlichte aber die Internationale Krebsforschungsagentur der WHO (IARC) die Ergebnisse einer von ihr in Auftrag gegebenen Metastudie. Darin stellte sie fest, dass ihre Expertengruppe bei der Auswertung von über 1000 Forschungsarbeiten keine Belege für eine krebserregende Wirkung von Kaffee finden konnte. Stattdessen stellte sich heraus, dass das Getränk das Risiko, an Leber- oder Gebärmutterkrebs zu erkranken, wahrscheinlich senken kann.
Ein Grund dafür, dass die IARC Kaffee 1991 als potenziell krebserregend einstufte, war ein Fehler, der umgekehrt auch dazu führte, dass der Genuss von Rotwein als lebensverlängernd galt - was er nicht ist. "In früheren Studien wurde nicht auf einen möglichen ungesunden Lebensstil geachtet", erklärte die Ernährungswissenschaftlerin Anna Flögel der "Apotheken-Umschau". So sei nicht berücksichtigt worden, dass viele Kaffeetrinker auch Raucher sind, was der tatsächliche Grund für die häufigeren Krebserkrankungen dieser Gruppe gewesen sei.
Möglicherweise sinkt das Sterberisiko
Grundsätzlich sollte man daher bei allen Lebensmittelstudien misstrauisch sein, ob lediglich eine Korrelation besteht oder auch eine Kausalität. Also in diesem Fall, ob Kaffee auch erwiesenermaßen ursächlich für bestimmte Wirkungen ist oder nur ein Zusammenhang besteht.
So ergab 2015 eine über 30 Jahre laufende US-Studie mit rund 200.000 Teilnehmern, dass Menschen, die drei bis fünf Tassen Kaffee täglich trinken, ein 15 Prozent niedrigeres Sterberisiko haben. Dabei spielte es keine Rolle, ob der Kaffee koffeinhaltig war oder nicht. Unterschiedliche Lebensstile wurden in der Studie berücksichtigt.
Drei Jahre später ergab eine weitere US-Studie mit den Daten von etwa 500.000 Menschen, dass bei einem Kaffeekonsum von zwei bis drei Tassen täglich das Sterberisiko im Vergleich zu Menschen, die keinen Kaffee trinken, um 12 Prozent niedriger ist. Bei mehr als fünf Tassen pro Tag sind es sogar bis zu 16 Prozent. Koffein spielte auch hier für die Wirkung keine Rolle.
Die Forscher schränkten laut "Wissenschaft aktuell" aber ein, dass auch ihre Arbeit noch keine Ursache-Wirkung-Beziehung nachgewiesen habe. So wäre es theoretisch möglich, dass Menschen mit höherer Lebenserwartung aus noch unbekannten Gründen bevorzugt Kaffee trinken.
Positive Wirkungen bei Krebs beobachtet
Ähnlich sieht es aus, wenn man einzelne Krankheiten betrachtet. Eine chinesische Metastudie, die 2016 veröffentlicht wurde kam zu dem Ergebnis, dass regelmäßiger Kaffeegenuss das Risiko, an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken, senken kann. Warum dies so ist, konnten die Wissenschaftler nicht erklären.
Im vergangenen Oktober kam eine umfassende britische Studie zu Bauchspeicheldrüsenkrebs einer Antwort etwas näher. Sie ergab, dass Patienten direkt und indirekt von Kaffeegenuss profitieren könnten. Als mögliche Gründe nennen die Forscher im Kaffee enthaltene Antioxidantien oder einen synergetischen Effekt, der bei Chemotherapien Arzneimittelresistenzen überwinden könnte.
Kaffee könnte einer chinesischen Metastudie zufolge auch das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, mindern. Die Forschenden errechneten beispielsweise für Kaffeevieltrinker ein neun Prozent geringeres Risiko im Vergleich zu denen, die keinen oder nur eine Tasse Kaffee täglich tranken. Ein Beweis für eine Kausalität konnte die Metastudie aber nicht erbringen.
Effekte bei mehreren chronischen Krankheiten
Es gibt außerdem eine Metastudie, die zeigt, dass Kaffeetrinker bei Diabetes (Typ 2) Vorteile gegenüber "Abstinenzlern" haben. Japanische Wissenschaftler beobachteten bei 5000 Probanden ebenfalls eine positive Wirkung, die mit der Menge des getrunkenen Kaffees steigt. Sie stellten ähnliche Effekte bei grünem Tee fest und die stärkste Wirkung bei einer Kombination beider Getränke. Als mögliche Ursache nennen sie die in Kaffee und grünem Tee enthaltenen Antioxidantien.
Einer Zusammenfassung der Harvard School of Public Health nach zeigt Kaffeegenuss außerdem möglicherweise bei Herzerkrankungen, Depressionen, Parkinson, Alzheimer und Gallensteinen positive Wirkungen.
Wissenschaftliche Beweise für eine Kausalität gibt es zwar auch in diesen Fällen noch nicht. Aber die zahlreichen Hinweise sprächen dafür, dass Kaffee das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs nicht erhöhe, sondern ein Konsum von drei bis fünf Tassen täglich das Risiko für mehrere chronische Krankheiten senken könnte, schreiben die US-Forscher.
Vorsicht bei Bluthochdruck und Schwangerschaft
Die Wissenschaftler weisen jedoch darauf hin, dass einige Menschen aufgrund von Symptomen wie Nervosität, Angst und Schlaflosigkeit möglicherweise keine größeren Mengen an Koffein trinken sollten. Besonders bei einer Neigung zu Bluthochdruck sei Zurückhaltung angebracht.
Auch Schwangeren raten sie, nicht mehr als zwei Tassen zu trinken, da der Fötus über die Plazenta Koffein aufnehmen und dadurch geschädigt werden könnte. Wie oben genannte Studien zeigen, ist entkoffeinierter Kaffee für sie eine gute Alternative.
Außerdem macht es einen Unterschied, wie man Kaffee trinkt. Die zusätzlichen Kalorien, Zucker und gesättigten Fette in einem Kaffee mit Schlagsahne und aromatisiertem Sirup könnten die gesundheitlichen Vorteile eines einfachen schwarzen Kaffees ausgleichen, schreiben die US-Forscher. Ähnliches trifft wohl auch bei einem gezuckerten Milchkaffee, Latte Macchiato oder Cappuccino zu.
Kaffee besser ohne Milch trinken
Wissenschaftler der Universität Graz fanden heraus, dass die positive Wirkung von Kaffee unter anderem auf einen Prozess zurückzuführen ist, der Autophagie genannt wird. "Es handelt sich dabei um eine Art Selbstverdauungsprogramm, das die Zellen reinigt und entgiftet. Ausgelöst wird diese zelluläre Müllabfuhr vor allem beim kontrollierten Fasten", erklärt Studien-Mitautor Frank Madeo. Auch Kaffee sei ein Autophagie-Auslöser.
"Innerhalb von einer bis vier Stunden nach dem Konsum wurde in den Modellorganismen die zelluläre Autophagie aller untersuchter Organe - Leber, Skelett-Muskulatur und Herz - stark angekurbelt", sagen Modeo und sein Kollege Guido Kroemer. Dabei seien sowohl die entkoffeinierte als auch die herkömmliche Variante des Getränks gleich effektiv: "Wir vermuten daher, dass die im Kaffee enthaltenen Polyphenole - das sind sekundäre Pflanzenstoffe - die Autophagie hervorrufen."
Tierische Proteine könnten den Autophagie-Prozess hemmen, so die Wissenschaftler. Sie empfehlen daher, Kaffee schwarz oder mit pflanzlich basierter Milch zu trinken. Eine allzu strenge vegane Lebensweise möchten die Wissenschaftler aber nicht propagieren. "Es geht darum, tierische Proteine in der Ernährung zu minimieren, nicht zu eliminieren. Dies könnte gerade dann wichtig sein, wenn man schon ein paar Stunden gefastet hat, nämlich nach dem Nachtschlaf", sagt Modeo.
Hilft Zucker im Kaffee beim Abnehmen?
Dass man sich beim Zuckern zurückhalten sollte, ist allgemein bekannt. Die WHO empfiehlt, insgesamt pro Tag nicht mehr als 25 Gramm zu sich zu nehmen, was ungefähr sechs Teelöffeln entspricht. Zum Vergleich: Eine Dose Limonade kann bereits 40 Gramm Zucker enthalten.
Im Zusammenhang mit Kaffee kann Zucker einer dänischen Studie zufolge aber sogar einen positiven Effekt haben. "Zu unserer großen Überraschung fanden wir heraus, dass es unter Menschen, die regelmäßig Zucker in den Tee oder Kaffee geben, wesentlich weniger Übergewichtige gab", zitiert Medical Tribune Studienleiter Finn Gyntelberg.
"Wenn jemand in die fünf oder sechs Tassen Tee oder Kaffee, die er für gewöhnlich pro Tag trinkt, jeweils zwei Zuckerstücke tut, ist das Risiko des Zunehmens um 40 Prozent geringer als ohne Zuckerbeigabe." Der Effekt könnte damit erklärt werden, dass Zucker zusammen mit dem Tee und Kaffee den Stoffwechsel anrege und den Appetit verringere. Als Beweis reiche seine Studie aber nicht aus, so Gyntelberg.
Quelle: ntv.de