Ecstasy-Wirkstoff bei PTBS MDMA kann vielen schwer Traumatisierten helfen
18.09.2023, 10:38 Uhr Artikel anhören
Ecstasy-Pille: In einer Studie stellten die Forschenden fest, dass die MDMA-unterstützte Therapie die PTBS-Symptome im Vergleich zur Placebo-Behandlung deutlich verringerte.
(Foto: picture alliance/dpa/Belga)
Die psychedelische Substanz MDMA, Wirkstoff der Droge Ecstasy, kann Menschen helfen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Und zwar "klar besser" als andere, bisher verfügbare Behandlungen. Das zeigt eine Studie mit einer sehr diversen Probandengruppe.
Der in der Partydroge Ecstasy enthaltene Wirkstoff MDMA könnte bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen helfen. Diese bereits in früheren Studien belegte Beobachtung wurde nun erneut durch eine Untersuchung bestätigt, die jedoch auch Menschen einschloss, die in klinischen Studien häufig nicht ausreichend berücksichtigt werden.
In der im Fachblatt "Nature Medicine" veröffentlichten Arbeit beschreibt das Team um Neurologin Jennifer Mitchell von der University of California in San Francisco die Ergebnisse ihrer Phase-III-Studie. Solche Studien stellen den letzten Schritt vor der in der Entwicklung eines Medikaments dar, bevor es nach Prüfung der Ergebnisse durch die entsprechenden Behörden zugelassen wird. Hier wurde nun untersucht, ob MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) die Wirkung der psychotherapeutischen Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) unterstützt.
MDMA ist eine psychedelische Substanz und der ursprüngliche Wirkstoff der Partydroge Ecstasy, welche auf das Serotonin-System im Gehirn wirkt, euphorisieren und sozialer machen soll. Schon 2021 hatte das gleiche Forschungsteam gezeigt, dass die MDMA-Therapie nicht nur wirksam, sondern auch gut verträglich war.
Klinisch bedeutsame Verbesserung bei fast 87 Prozent
In der aktuellen Studie erhielten 104 Menschen mit einer mittelschweren bis schweren PTBS über 18 Wochen mehrere psychotherapeutische Sitzungen, die dreimal entweder mit MDMA oder einem Placebo unterstützt wurden. Dabei stellten die Forschenden fest, dass die MDMA-unterstützte Therapie die PTBS-Symptome im Vergleich zur Placebo-Behandlung verringerte: Am Ende der Studie zeigte sich bei fast 87 Prozent der Teilnehmenden in der MDMA-Gruppe eine klinisch bedeutsame Verbesserung.
Gut 71 Prozent aus dieser Gruppe hatten am Ende keine PTBS-Diagnose mehr, gegenüber 47,6 Prozent der Teilnehmenden in der Kontrollgruppe. Insgesamt wurde die MDMA-Gabe dabei gut vertragen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählten Muskelverspannungen, Übelkeit, verringerter Appetit und übermäßiges Schwitzen.
Im Vergleich zur Studie von 2021 der gleichen Forschungsgruppe schloss die Untersuchung dieses Mal auch Menschen ein, die in klinischen Studien häufig unterrepräsentiert sind, darunter Transgender-Personen, ethnische Minderheiten, Rettungskräfte, Militärangehörige und Veteranen sowie Opfer von wiederholtem sexuellen Missbrauch. "Angesichts der vielfältigen Population und der Komplexität der Teilnehmer ist die Replikation der Wirksamkeit besonders bemerkenswert", heißt es in der Studie dazu.
Gregor Hasler, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Schweizer Universität Freiburg, hebt dies in einem unabhängigen Kommentar hervor: "Neu an dieser Studie ist die große Vielfalt der Teilnehmenden, was ein wichtiges Argument für die breite Anwendbarkeit der Therapie ist." So gehörten zu den Teilnehmenden Personen mit schweren Formen von PTBS, mit neurologischen Symptomen und mit zusätzlichen Cannabis- und Alkohol-Problemen. "Auch ethnische Minderheiten wurden besser untersucht als in früheren Studien: 33 Prozent der Teilnehmenden waren Hispanoamerikaner und 8 Prozent Afroamerikaner", beschreibt Hasler weiter.
"Wirksamkeit aufgrund der Effektgröße klar besser"
Für Matthias Liechti, Chefarzt der klinischen Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Basel, zeigen die Daten "eine Wirksamkeit, welche im indirekten Vergleich mit anderen bisher verfügbaren Behandlungen - Antidepressiva und Expositionstherapie - aufgrund der Effektgröße klar besser erscheint". Noch offen sei - wie bei vielen neuen Behandlungsformen - ob sich diese Wirksamkeit auch in einer breiteren Anwendungspraxis bei vielen Patienten bestätigen lasse.
Für Liechti liegen potenziell genügend Daten für eine Zulassung vor: Mit dem Abschluss und der Veröffentlichung der beiden Zulassungsstudien sei ein wichtiger Meilenstein erreicht. "Das heißt noch nicht, dass damit MDMA für Patienten gleich verfügbar wird", so Liechti weiter. Dazu brauche es noch die Zulassung in den Regionen und den Marktzugang.
Wann kommt die Marktzulassung?
Jene Zulassung für den US-amerikanischen Markt erwartet Gerhard Gründer, Leiter der Abteilung Molekulares Neuroimaging am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, für das kommende Jahr. In Europa werde es hingegen noch einige Jahre dauern, da ein ähnliches Studienprogramm hier aufgrund mangelnder Finanzierung zunächst gestoppt worden sei. Bisher werde MDMA nur in der Schweiz als Medikament außerhalb von Studien in sehr begrenztem Rahmen angewendet und neuerdings auch in Australien, ergänzt Gregor Hasler: "MDMA gilt als ein Betäubungsmittel und der Verkauf und oft auch der Konsum sind in vielen Ländern kriminalisiert."
Zu einem möglichen Suchtpotenzial erklärt Hasler, dass die Frage, ob Patienten nach der Therapie privat MDMA konsumierten, von der Auswahl der Patienten abhänge: "Wenn man Patienten nimmt, die gar keine Drogenerfahrung haben und gar keine Suchtprobleme, ist die Gefahr äußerst gering." Ferner sei es eher schwierig, MDMA auf dem Schwarzmarkt zu erhalten: "Was unter dem Namen 'Ecstasy' läuft, sind eher Amphetamine mit wenig MDMA. Deshalb tanzen die Konsumenten häufig. Bei MDMA liegen die Patienten und haben meistens keine Lust, sich zu bewegen." Allgemein gelte, dass man, wenn man mehr Personen mit Suchtproblemen einschließe, genau prüfen müsse, ob das Suchtverhalten zu- oder abnehme, so Hasler: "Eine Abhängigkeit von MDMA ist pharmakologisch möglich - nicht so bei LSD und Psilocybin, die in dieser Hinsicht sicherer sind."
Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa