Heilung oder doch nur Wellness? Was Salzspielplätze wirklich bringen


Salz am Boden, an den Wänden und in der Luft: Salzräume sind beliebt und der Aufenthalt angenehm.
(Foto: IMAGO/Funke Foto Services)
Salzspielplätze boomen: Mehr als 300 gibt es mittlerweile in Deutschland. Die Betreiber versprechen eine "positive Wirkung" auf die Atemwege, die Haut und das Immunsystem. Doch was ist dran an diesen Versprechen?
Salz ist lebensnotwendig für unseren Körper und hat eine heilende Wirkung. Schon seit Jahrhunderten fahren Lungenkranke und Menschen mit Hautproblemen zu Kuren ans Meer. Auch die Therapie mit Sole, salzhaltigem Quellwasser, hat eine lange Tradition. Noch heute wird in Kurbädern Solewasser für Heilbäder oder Trinkkuren genutzt. Wie am Meer kann man dort besonders salzhaltige Luft einatmen.
Seeluft hat einen positiven Effekt auf die Atemwege. Durch Brandung und Wind entstehen kleine Salzpartikelchen, erklärt der Lungenfacharzt Norbert Mülleneisen im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". "Wenn Sie diese Salzkristalle einatmen, kommen sie in die Schleimhaut. Durch die Flüssigkeit dort quillt das Salz wieder auf und zieht etwas mehr Flüssigkeit aus dem Gewebe. Das führt dazu, dass die Leute, die viel Schleim haben, den besser und leichter abhusten können."
Dieses heilende Salzklima an den Küsten wollen künstliche Salzgrotten oder Salzspielplätze nachahmen. Deutschlandweit existieren inzwischen 340 davon. Wie der Name sagt, ist Salz dort allgegenwärtig. Der Boden ist wie in einem riesigen Sandkasten von einer dicken Schicht Natursalz bedeckt. Die Wände sind mit Salzblöcken verkleidet. Es ist angenehm warm, es wird salzhaltige Luft versprüht. Die Betreiber versprechen, dass ein Besuch die Atemwege "reinigt" und die Abwehrkräfte "stärkt", die Luft wirke "entzündungshemmend bei Bronchitis, Asthma und Lungenentzündungen".
"Einfach nur trockene Luft"
Diese Werbeaussagen sind wissenschaftlich aber nicht belegt. Die Verbraucherzentrale hat deshalb vergangenes Jahr eine Salzgrotten-Kette aus Hessen abgemahnt, der Betreiber eine Unterlassungserklärung unterschrieben. Auch ein anderer Betreiber darf laut einem Gerichtsentscheid des Oberlandesgerichts Hamm nicht mehr mit der Heilkraft von Salzgrotten werben.
"Sie inhalieren dort keinen Dampf, Sie inhalieren keine Salzkristalle, seien sie noch so fein oder noch so grob. Sie haben da einfach nur trockene Luft. Deswegen kann das nicht so gut funktionieren", macht Mülleneisen deutlich. Es gebe nur eine Studie dazu. "Wenn das wirklich funktionieren würde, hätte sich das längst in der Medizin herumgesprochen."
Die feinen Salzkristalle, die wir bei einem Spaziergang am Meer einatmen, sind winzig. Nur so können sie bis in die Lunge kommen. Größere Partikel wie Feinstaub würden dagegen von der Nase herausgefiltert, sagt Mülleneisen.
Partikel gelangen nicht bis in die Lunge
In den Salzgrotten wird das Salz zwar als eine Art Nebel ebenfalls in kleinste Partikel zerstäubt. "Das sind grobe Tröpfchen, die sind zu groß, die bleiben in der Nase hängen", erklärt der Lungenarzt im Podcast. Bis in die Tiefe könnten wir eine Teilchengröße von "0,2, 0,3 My" einatmen. Eine so feine Verneblung bekämen nur ganz wenige Geräte hin.
Ähnlich ist es bei Hautkrankheiten wie Neurodermitis, Akne oder Schuppenflechte: Einige Salzräume versprechen "erhebliche Erfolge in der Therapie" und eine "positive Wirkung". Salz ist per se zunächst gut für die Haut, es wirkt desinfizierend und entzündungshemmend, eine Salzlösung kann die Haut reinigen, Bakterien reduzieren und Juckreiz lindern.
Auch vernebeltes Salz könnte der Haut helfen, allerdings ist die Luft dafür in den Salzräumen zu trocken, die Luftfeuchtigkeit liegt bei 40 bis 60 Prozent. Nötig wären mindestens 80 Prozent. Außerdem erreicht der Salznebel die Haut nicht direkt, weil die Besucher angezogen sind.
Effekt hält nicht an
Lungenarzt Mülleneisen macht allerdings deutlich: Schädlich sind Salzgrotten auch nicht. Jedenfalls nicht, solange sich kranke Besucher dort auf der Suche nach Heilung nicht gegenseitig anstecken. Sie erinnern eher an klassisches Wellness: Das Licht ist gedämpft, es läuft ruhige Musik, vielleicht gibt es noch eine Massage.
Einen lang anhaltenden Effekt haben die Salzräume aber nicht, sagt Mülleneisen. Ähnlich, wie nach einem Urlaub, verpufft die Erholung schnell: "Sie können jeden Arzt in Deutschland fragen, der kennt das auch. Die Leute kommen von Gran Canaria zurück und steigen in Düsseldorf aus dem Flugzeug und sagen: Ich habe es wieder."
Unmittelbar gegen Beschwerden oder Erkrankungen helfen die künstlichen Salzgrotten also nicht. Können wir durch einen Besuch unser Immunsystem stärken? Und uns davor schützen, dass wir uns in der Erkältungszeit immer wieder anstecken? Nein, das sei Quatsch, sagt der Lungenexperte. Eine Studie habe zwar belegt, dass bestimmte Immunzellen vorübergehend vermehrt im Blut nachgewiesen wurden. Das seien aber Laborwerte, "das sagt gar nichts".
Wer sich bei einer Erkältung wirklich etwas Gutes tun will, sollte ein Kopfdampfbad machen und viel trinken, um den Schleim zu lösen, empfiehlt Mülleneisen. Oder gleich direkt ans Meer zu fahren.
Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?
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Quelle: ntv.de