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Studie untersucht Ursachen Wird die Gefahr von Long Covid überschätzt?

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Long-Covid-Betroffene sind in der Regel über viele Wochen hinweg arbeitsunfähig.

Long-Covid-Betroffene sind in der Regel über viele Wochen hinweg arbeitsunfähig.

(Foto: picture alliance / photothek)

Corona ist kein Schnupfen. Vor allem mögliche Langzeitfolgen seien nicht zu unterschätzen, mahnen Experten immer wieder. Jede Infektion berge ein potenzielles Risiko für Long Covid. Doch ist die Angst davor vielleicht größer als die tatsächliche Gefahr?

Müdigkeit, Erschöpfung, Kurzatmigkeit, Gedächtnisprobleme, Schlafstörungen, Kopf- und Muskelschmerzen - das sind nur einige der Beschwerden, die nach einer Corona-Infektion auftreten können. Halten die Symptome mehrere Wochen oder gar Monate an, spricht man von Long Covid beziehungsweise Post Covid. Erforscht ist das Krankheitsbild bislang kaum. Dennoch ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach überzeugt: Die mit Long Covid verbundenen Probleme würden allgemein unterschätzt. Doch wie groß ist die Gefahr tatsächlich?

Jede Corona-Infektion berge das Risiko von Long Covid, warnte Lauterbach zuletzt auf Twitter. "Wenn man eine Infektion gut überstanden hat, ist das leider keine Garantie dafür, dass das auch beim nächsten Mal wieder der Fall ist", sagt auch Jördis Frommhold, Chefärztin der Median-Klinik in Heiligendamm, der "Süddeutschen Zeitung". Die Expertin für Long Covid berichtet von einer Patientin, die ihre erste Corona-Infektion nach drei Impfungen problemlos weggesteckt habe. "Aber dann steckte sie sich wieder an und entwickelte von oben bis unten Long Covid", erzählt Frommhold.

Auch eine aktuelle Analyse der Techniker Krankenkasse (TK) beunruhigt. Demnach waren knapp ein Prozent ihrer erwerbstätigen Versicherten, bei denen 2020 mittels PCR eine Corona-Infektion festgestellt wurde, 2021 mit der Diagnose Long Covid krankgeschrieben. Im Schnitt konnten sie 105 Tage nicht arbeiten. Zum Vergleich: Durchschnittlich war jede TK-versicherte Erwerbsperson im vergangenen Jahr ganz allgemein nur 14,6 Tage arbeitsunfähig gemeldet.

Mit einem Prozent erscheine die Zahl der Long-Covid-Betroffenen in der Pandemie laut der Analyse zwar relativ gering, sagte TK-Chef Jens Baas. "Aber das sind nur die Patientinnen und Patienten, die auch mit dieser konkreten Diagnose krankgeschrieben worden sind - wir gehen zusätzlich von einer hohen Dunkelziffer aus." Eine klare Diagnose gibt es nämlich nicht. Das liegt schon daran, dass die Definition für die Langzeitfolgen unscharf ist und die Symptomatik so vielfältig. Viele Erfassungen gründen sich auf Selbstberichte von Betroffenen.

Pech oder doch andere Ursachen?

Experten scheinen sich jedoch einig: "Je häufiger man das Virus bekommt, umso wahrscheinlicher hat man Pech und endet mit Long Covid - also dem Ding, das niemand von uns will, weil es so ernst sein kann", mahnt David Nabarro, Covid-Experte bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. Mit "Pech" habe das allerdings nur wenig zu tun, besagt nun eine neue Studie des Zentralinstituts der Kassenärztlichen Versorgung (ZI). Laut der Untersuchung war ein Großteil der Patienten mit Long-Covid-Symptomen vor der Virus-Infektion bereits wegen Vorerkrankungen in ärztlicher Behandlung, wie die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf die Datenauswertung des ZI berichtet. Demnach litten 96 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Long Covid zuvor beispielsweise an Atemwegserkrankungen oder Übergewicht.

"Diese Daten zeigen: Long-Covid-Patienten weisen häufiger als die Allgemeinbevölkerung Vorerkrankungen wie Atemwegserkrankungen, Bluthochdruck, Übergewicht und psychische Erkrankungen auf", sagte der Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried der Zeitung. Das ZI hat dem Bericht zufolge im kassenärztlichen Bereich 2021 rund 880.000 Fälle von Long Covid registriert. Zwei Drittel der Patientinnen und Patienten waren nach spätestens einem Quartal beschwerdefrei - ein Prozent der Fälle war komplex und langwierig.

"Den Fall der jungen Frau, die noch nie etwas hatte und dann nach Infektion unter massiven Long-Covid-Komplikationen leidet, gibt es - aber eben nur sehr, sehr selten", so Stillfried. "Man muss dem Eindruck entgegentreten, dass jeder nach Covid mit Post-Covid und schweren Auswirkungen rechnen muss - das zeigen die Daten nicht."

Geringeres Risiko mit Omikron

Also, alles nicht so schlimm? Sollten sich die Ergebnisse der Studie bestätigen, bedeutet das zumindest, dass die große Sorge vor Long und Post Covid zumindest bei gesunden Personengruppen etwas gemildert werden kann. Denn es ist Experten wie dem Essener Neurologen Christoph Kleinschnitz zufolge gut möglich, dass auch eine psychische Komponente eine Rolle spielt und die Angst vor Long Covid dessen Entwicklung befördert. Klar ist aber auch, dass so oder so die Leistungsfähigkeit der betroffenen Menschen oft lange beeinträchtigt ist.

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Das sei nicht nur für die Betroffenen ein Problem, sondern auch für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft insgesamt, sagte Gesundheitsminister Lauterbach "Zeit Online". "Wir haben nicht im Ansatz die Kapazität, die vielen Fälle zu versorgen", so der SPD-Politiker. "Es gibt nicht genügend spezialisierte Ärzte, nicht genügend Behandlungsplätze, wir haben noch keine Medikamente. Hier kommt wirklich etwas auf uns zu."

Die gute Nachricht: Das Risiko für Long Covid nach Impfung und Infektion mit Omikron scheint geringer zu sein - und zwar um rund die Hälfte im Vergleich zu Delta. Das gelte für alle Altersgruppen und mit jedem Abstand zur Impfung, berichtet ein Team vom King's College London über 7000 Long-Covid-Patienten im Fachblatt "Lancet". Auch eine Studie aus den USA unter 2560 Mitarbeiterinnen aus dem Gesundheitswesen ergab, dass das Risiko für Long Covid in der ersten Welle noch bei 48 Prozent gelegen hatte und mittlerweile auf 17 Prozent gesunken sei.

Quelle: ntv.de

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