
Die Maske könnte in Innenräumen ab dem Herbst wieder Pflicht werden, dafür ist zumindest Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Die FDP ist noch skeptisch.
(Foto: imago images/Seeliger)
Experten befürchten für den Herbst und Winter eine neue Corona-Welle. Deutschland bereitet sich darauf gut vor, verspricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Konkrete Punkte sind aber noch gar nicht geklärt - und ein neues Infektionsschutzgesetz kommt einigen zu spät.
Kaum noch Masken, hunderte Menschen vor Festival-Bühnen, Flugreisen in die Ferien: Das Leben in diesem Sommer fühlt sich fast schon wieder so an wie vor Corona. Doch das Virus ist noch nicht weg. Momentan steigen die Infektionszahlen sogar wieder an - obwohl längst nicht alle Fälle gezählt werden, weil nicht jede und jeder einen PCR-Test macht. "Die echten Inzidenzen sind sehr viel höher, denn es werden ja nur die positiven PCR-Tests gezählt", erläutert der Arzt und Medizinjournalist Christoph Specht bei ntv.
Deutschland ist mitten drin in einer Sommerwelle. "Die war von einigen Experten auch vorhergesagt worden. Wir haben diesmal mit Varianten zu tun, die auch im Sommer sich gut ausbreiten können", sagt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei ntv. Er hält auch vierstellige Inzidenzzahlen für möglich.
Der Pandemie-Sommereffekt vom vergangenen Jahr fällt diesmal aus. Ende Juni 2021 lag die 7-Tage-Inzidenz noch bei 8, aktuell liegt sie schon bei knapp 592. Die 7-Tage-Hospitalisierung ist mit einem Wert von über fünf aktuell rund 13 Mal höher als vor einem Jahr.
Das liegt daran, dass fast keine Vorsichtsmaßnahmen mehr gelten, meint Lauterbach in der "Rheinischen Post". Masken sind aktuell nur noch in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Arztpraxen und in Bus und Bahn Pflicht. Der Gesundheitsminister empfiehlt, sie freiwillig trotzdem zu tragen.
Ministerium sieht mittelschweres Herbstszenario kommen
Zudem sei die aktuelle Virusvariante sehr leicht übertragbar. Die Omikron-Variante BA.5 beschert Deutschland steigende Corona-Fallzahlen. Die neue Subvariante dominiert momentan das Fallgeschehen, teilt das Robert-Koch-Institut mit. Sie breitet sich zwar schneller aus, Hinweise auf schwerere Verläufe durch BA.5 hat das RKI aber bisher nicht. Auch der Virologe Reinhold Förster gibt bei ntv Entwarnung: "Wir sehen momentan noch kein Anstieg innerhalb der geschützten Bevölkerungsgruppe, sodass es nicht zu mehr Hospitalisierungen und zu mehr schweren Fällen kommt." Die Varianten seien nicht krank machender als die bisherigen.
Nach der Sommerwelle sagen die Experten aber schon die nächste voraus. Für den Herbst und Winter sieht das Gesundheitsministerium gehäufte Infektionen auf uns zukommen. Von drei möglichen Corona-Herbstszenarien hält es das mittelschwere für am wahrscheinlichsten. Dabei würden die Intensivstationen über einen langen Zeitraum "moderat" belastet.
Der Virologe Christian Drosten erwartet eine monatelange Infektionswelle bis März mit besonders vielen Fällen spätestens ab Oktober. Und zu den Corona-Fällen kommt auch noch die reguläre Grippewelle.
"Besser vorbereitet als in den letzten Jahren"
Infizieren kann sich jeder, macht Hendrik Streeck bei ntv klar. Der Virologe verweist auf Großveranstaltungen im Herbst und Winter. "Das ist zum einen das Münchner Oktoberfest, zum anderen sind da die WM-Spiele, was dann nicht in einem Ort stattfindet, sondern deutschlandweit in Innenräumen gefeiert wird, Public Viewing stattfindet." Dort müsse man mit Infektionsherden rechnen.
Mediziner fordern daher von der Politik, schnell etwas zu unternehmen, am besten noch vor der Sommerpause. Minister Karl Lauterbach hat einen Sieben-Punkte-Plan für den Herbst vorgestellt. Dazu gehört unter anderem ein schnellerer Einsatz von Medikamenten bei Erkrankten, ein besserer Schutz für Menschen in Pflegeheimen, tägliche Zahlen der Krankenhäuser zur Intensivkapazität und eine neue Impfkampagne. "Ich gehe fest davon aus, dass wir deutlich besser vorbereitet sein werden als in den letzten Jahren", ist Lauterbach bei ntv überzeugt.
Der Minister glaubt, dass Deutschland im Dezember besser dastehen wird als vor einem Jahr. Weil es mehr Geimpfte und Genesene gibt - und die Krankheitsverläufe bei einer Infektion mit der Omikron-Variante BA.5 milder sind.
Neues Infektionsschutzgesetz erst im September
Ein Punkt auf Lauterbachs Liste dauert vor allem auch den Bundesländern zu lange: ein neues Infektionsschutzgesetz. Die Corona-Bestimmungen - so wie sie jetzt sind - laufen in drei Monaten, am 23. September, aus. Zwar will Lauterbach die wichtigsten Punkte dafür noch vor der Sommerpause verabreden. Da allerdings gibt es Streit mit dem Koalitionspartner FDP. Bundesjustizminister Marco Buschmann will erstmal den Bericht der Expertenkommission der Bundesregierung abwarten - der kommt Ende des Monats. Das neue Gesetz könnte so erst spätestens Anfang September beschlossen werden, sagt Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann.
Drin stehen im neuen Infektionsschutzgesetz sollten härtere Schutzmaßnahmen, fordern die vier Bundesländer Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, sagt Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bei ntv: "Da geht es natürlich einmal um die Frage testen. Da geht es natürlich auch um die Frage, ob man für Veranstaltungen Personenobergrenzen wieder einführen kann. Es geht natürlich vor allen Dingen auch um die Frage von Maskenpflichten." Wenn es nach Lauterbach geht, könnte eine Maskenpflicht ab dem Herbst in Innenräumen wieder gelten.
Noch ein großer Streitpunkt waren auch die Corona-Bürgertests. Noch bis Ende Juni sind sie für alle kostenlos. Danach sollen sie für die meisten Menschen drei Euro kosten. Gratis bleiben sie nur für Kinder, Frauen zu Beginn der Schwangerschaft und Besucher von Krankenhäusern und Pflegeheimen. Den Ländern steht es frei, die Eigenbeteiligung von drei Euro auch für weitere Gruppen zu übernehmen.
Millionen-Betrug bei Bürgertests
Die Grünen wollten, dass alle Menschen sich auch ab Juli wie bisher kostenlos testen lassen können. Auch die Bundesländer wollten das - aber nicht dafür bezahlen, das Geld sollte vom Bund kommen.
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Bei den Bürgertests gab es schon massenhaften Betrug, Ermittler sprechen von einer Summe von bis zu 1,5 Milliarden Euro, die in die Taschen von Kriminellen geflossen sind. Außerdem sind die Tests teuer. "Die Test-Strategie bisher hat schon über 13,4 Milliarden gekostet und so ginge das natürlich auch weiter", erläutert Christoph Specht bei ntv. Er bemängelt zudem die Ungenauigkeit der Bürgertests.
Neue Impfstoffe im September
Im Herbst will die Bundesregierung eine neue Impfkampagne starten, wenn es neue Impfstoffe gibt. Noch immer sind weniger als drei Viertel der Menschen in Deutschland geimpft. 80 Prozent war Ende 2021 das Ziel der Bundesregierung bei den Erstimpfungen - aktuell sind es nur rund 76 Prozent. An den Impfstoffmengen liegt es nicht, da ist sogar so viel da, dass Millionen Dosen weggeworfen werden müssen. Ende Juni müssen vier Millionen abgelaufene Corona-Impfdosen vernichtet werden.
Schon vor Monaten haben die Hersteller ihre neuen, an Omikron angepassten Impfstoffe angekündigt. Im September sollen sie auf den Markt kommen, unter anderem von Moderna und Biontech. Das Moderna-Vakzin soll auch gegen die Untervarianten BA.4 und BA.5 schützen. "Wenn der Impfstoff nicht kommt, wird es auch nicht so schlimm sein", meint Virologe Klaus Stöhr bei ntv. "Auch der jetzige Impfstoff wirkt sehr gut gegen Omikron. Selbst wenn im Herbst dann nur dieser Impfstoff zur Verfügung steht, würde uns das auch sehr gut uns über den Winter bringen." Die aktuellen Corona-Impfstoffe helfen zwar nicht gegen eine Ansteckung, aber gegen einen schweren Krankheitsverlauf.
Noch können wir also etwas durchatmen. Zum Ende der Sommerferien werden die Infektionszahlen wieder stark ansteigen, erwarten die meisten Experten. Ab dem Herbst müssen wir möglicherweise wieder an mehr Orten Maske tragen, auf Abstand achten und unsere Kontakte herunterfahren. Wie die Maßnahmen im Herbst genau aussehen könnten, wollen die Gesundheitsminister bei einem Treffen Anfang Juli noch mal diskutieren. Eins hat das Bundesgesundheitsministerium aber schon mal klargemacht: Kitas und Schulen sollen auf jeden Fall offen bleiben.
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Quelle: ntv.de