"Sehen exponentiellen Anstieg" Drosten fürchtet viele Infektionen nach Ferien
23.06.2022, 23:54 Uhr
Drosten glaubt nicht an ein schnelles Ende der Pandemie.
(Foto: picture alliance/dpa)
Das Coronavirus ist nicht so schnell gebannt wie anfangs erhofft. Auch bis zum Jahresende habe man nicht den Eindruck, dass die Pandemie vorbei sei, so Drosten. Der Virologe geht davon aus, dass nach den Sommerferien die Infektionszahlen deutlich ansteigen werden. Das liegt vor allem an der BA.5-Variante.
Der Virologe Christian Drosten rechnet nach den Sommerferien in Deutschland mit einer sehr hohen Zahl an neuen Corona-Fällen. "Ich hoffe, dass die Schulferien den Anstieg der Erkrankungsfälle etwas dämpfen werden. Aber ab September, fürchte ich, werden wir sehr hohe Fallzahlen haben", sagte der Leiter der Virologie-Abteilung an der Berliner Charité dem "Spiegel". Wenn nichts getan werde, werde es im Arbeitsleben "sehr viele krankheitsbedingte Ausfälle" geben.
"Wir sehen tatsächlich schon wieder einen exponentiellen Anstieg der Fallzahlen", warnte Drosten. "Die BA.5-Variante ist einfach sehr übertragbar, und die Menschen verlieren gleichzeitig ihren Übertragungsschutz aus der letzten Impfung." In anderen Ländern sehe man, dass bei sehr hohen Fallzahlen auch die Hospitalisierungs- und Todeszahlen wieder anstiegen. "Das wird auch bei uns leider so sein. Insgesamt werden aber viel weniger Menschen schwer erkranken und sterben als noch 2021."
Er glaube nicht, dass man zum Jahresende den Eindruck haben werde, die Pandemie sei vorbei, sagte der Corona-Experte. Im Januar hatte Drosten noch die Hoffnung geäußert, dass Deutschland im Laufe des Jahres den pandemischen Zustand für beendet erklären kann. Der Virologe empfahl, eine Infektion möglichst zu vermeiden - auch wegen des Risikos von Long Covid. "Leider ist eine Infektion langfristig aber unausweichlich. Und nach und nach bildet sich tatsächlich ein schleimhautspezifischer Schutz, von dem ich annehme, dass er die Bevölkerungsimmunität insgesamt belastbarer macht."
Er warnte aber davor, sich mutwillig zu infizieren. "Man sollte das weiterhin so gut es geht vermeiden, auch wegen des Risikos von Long Covid", so Drosten. Auch epidemiologisch sei die Empfehlung zur Infektion, die derzeit auf Twitter die Runde macht, "totaler Nonsens": "So viele Menschen können sich im Sommer gar nicht infizieren, dass das im Winter die Coronazahlen niedrig halten würde."
Gleichzeitig entwickle sich auch das Virus weiter. "Ich gehe davon aus, dass sich da irgendwann ein neues Gleichgewicht einpendelt: Die Bevölkerungsimmunität durch Impfungen und Infektionen wird irgendwann so stark sein, dass das Virus an Bedeutung verliert. Dann sind wir im endemischen Zustand." Im schlimmsten Fall könne dies aber "noch einige Winter dauern". Als endemisch gilt eine Krankheit, wenn sie in einer Region mit relativ konstanter Erkrankungszahl dauerhaft auftritt.
Quelle: ntv.de, ara/dpa