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Risiko im aufkommenden Wahlkampf CDU stellt sich bei Taurus gegen Mehrheit der Anhänger

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CDU und CSU fordern die Bundesregierung auf, der Ukraine den Taurus zu liefern. Doch damit stellen sich die beiden Parteien nicht nur gegen die Mehrheit der Deutschen, sondern auch gegen die überwiegende Zahl der eigenen Anhänger. Ein Wagnis im aufkommenden Wahlkampf.

Der Taurus ist eine machtvolle Langstrecken-Munition - und eine, die auch ungeahnte Fähigkeiten für die Opposition im Deutschen Bundestag entfaltet. So bietet die Debatte um eine Lieferung des Marschflugkörpers CDU und CSU die Chance, Kanzler Olaf Scholz vor sich herzutreiben. Zum dritten Mal stellten die Unionsfraktionen vergangene Woche den Antrag, der Ukraine den Taurus zukommen zu lassen.

Die Ampelfraktionen stimmten abgesehen von FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dagegen. Mehrere Redner von Liberalen und Grünen machten aber deutlich, dass sie eigentlich auch für eine Lieferung sind. Sie stimmten lediglich aus Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD und Scholz dagegen. So gelang der Union das, was Oppositionsparteien besonders gern tun: die Regierung vorführen.

Doch läuft die Union damit nicht Gefahr, sich ein Eigentor zu schießen? Denn Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Deutschen eine Lieferung des Taurus ablehnt. Im jüngsten Trendbarometer von RTL und ntv gaben 66 Prozent der Befragten an, sie seien dagegen. Nur unter Anhängern der Grünen gibt es eine Mehrheit dafür. Alle anderen sind mehrheitlich dagegen. Überwältigend ist die Ablehnung bei BSW (91 Prozent) und AfD (84), überaus klar bei der SPD (70) und immer noch sehr deutlich bei der Union mit 60 Prozent.

Frage könnte Wahlkampfthema werden

Angesichts solcher Werte ist es aus Unionssicht ein Wagnis, das Thema so offensiv zu verfolgen. Zumal Scholz und die SPD sich im Gegenzug als "besonnen" und als Friedenspartei darstellen. Die Union versichert zwar auch glaubhaft, dass sie Frieden in der Ukraine will. Doch hat Scholz zumindest in der Taurus-Frage die Stimmung auf seiner Seite. Da die Umfragewerte für die SPD im Keller sind und der Vertrauensverlust in die Ampel insgesamt groß ist, hat der Kanzler nicht mehr viel Auswahl an Themen, mit denen er die Wählerschaft mobilisieren kann.

Noch bezieht die SPD allerdings keine einheitliche Position in diese Richtung. Auf der einen Seite steht der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der am Freitag im Bundestag laut über ein "Einfrieren" des Krieges nachdachte - Verteidigungsminister Boris Pistorius lehnte diese Idee dagegen klar und deutlich ab. Im ntv-Frühstart versuchte Parteichefin Saskia Esken diesen Widerspruch irgendwie zusammenzubringen, setzte sich aber damit letztlich argumentativ zwischen beide Stühle. Strack-Zimmermann sagte im Interview mit ntv.de, sie rechne damit, dass Scholz sich im Wahlkampf wie einst Gerhard Schröder vor dem Irak-Krieg als Friedenskanzler darstellt.

CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter betonte gegenüber ntv.de, an der Haltung der Union ändere sich nichts. Der Bundeskanzler schüre mit "immer wieder neuen und nicht haltbaren Ausreden und Scheinbegründungen" Angst und Furcht in der Bevölkerung. Der Kurs der Union bei der Unterstützung der Ukraine sei "eindeutig und klar". Es gehe um die Wiederherstellung der Souveränität und territorialen Integrität in den Grenzen von 1991. "Die Unionsfraktion steht mit Ausnahme ganz weniger Einzelmeinungen hinter diesem Ziel", sagte er. "Wir als Union machen auch immer klar, dass es nicht um einzelne Waffensysteme geht, sondern um das übergeordnete Ziel."

Die Taurus-Frage ist auch deswegen brisant, weil das Thema in Ostdeutschland noch heißer diskutiert wird als im Rest der Republik. Im Herbst wählen Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage und überall deuten sich Siege der AfD an. Die Partei vertritt offen Putin-Progaganda, ist gegen die Sanktionspolitik und die Waffenhilfe an die Ukraine. Mit einer klaren Haltung gegen Putin rennt die CDU dort nicht gerade offene Türen ein.

Frei: "Es geht um Haltung"

Der erste parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, räumte am Dienstag vor Journalisten in Berlin ein, es gebe "die ein oder andere Diskussion auch innerhalb der Union" zu dem Thema und man wolle Landesverbänden im Wahlkampf nicht das Leben schwer machen. "Wir nehmen wahr, dass Umfragen keine Mehrheit für unsere Position zeigen", sagte er. Man dürfe aber die Haltung in außenpolitischen Fragen nicht von Stimmungen abhängig machen. Es gehe um die Sache. In der Geschichte der Bundesrepublik habe es bei außenpolitischen Meilensteinen wie der Wiederbewaffnung oder dem NATO-Doppelbeschluss ebenfalls Widerstände gegeben.

Frei kündigte an, dass seine Fraktion vorerst keine neuen Anträge zum Thema Taurus im Bundestag stellen werde. Es habe aber keinen Meinungsumschwung unter den Unionsabgeordneten gegeben, sagte er. Die Frage danach war angesichts eines Berichts über die Sitzung des Verteidigungsausschusses am vergangenen Montag aufgekommen. Laut der Nachrichtenseite "T-Online" hatte ein Teilnehmer angeblich neue Erkenntnisse mitgeteilt. Demnach werden für einen Einsatz des Marschflugkörpers immense Datenmengen benötigt. Entsprechend leistungsfähige Computer habe Deutschland aber nur einmal selbst. Würde der Taurus geliefert, gäbe man diese Fähigkeit aus der Hand.

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Der Bericht schlug hohe Wellen, weil der Informant offenkundig geheime Informationen aus dem Ausschuss verraten hatte. Die Ausschussvorsitzende Strack-Zimmermann erstattete Anzeige. Andere Mitglieder versuchten den Eindruck zu relativeren - wegen der Geheimhaltungspflicht konnten sie sich aber nur sehr allgemein äußern. So schrieb die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger bei X, es seien dort Dinge behauptet worden, die "freundlich gesagt, sehr verzerrt sind". Die CDU-Politikerin Serap Güler, ebenfalls Ausschussmitglied, sagte dem "Spiegel", sie habe im Ausschuss nicht viel Neues vernommen.

An diesem Mittwoch gibt Scholz eine Regierungserklärung zum Europäischen Rat am Donnerstag und Freitag ab. Die anschließende Aussprache ist auf 90 Minuten angesetzt. CDU-Chef Friedrich Merz kündigte an, dort werde vor allem Außenpolitik thematisiert. Auch die Debatte um den Taurus dürfte dort weitergehen.

Quelle: ntv.de

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