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"Kein beidseitiger Konflikt" Mützenich bleibt beim "Einfrieren", Pistorius ist skeptisch

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Die Sehnsucht nach Frieden dürfte in der Ukraine so groß sein wie nirgends sonst. Nach zwei Jahren Krieg ist das Land in vielen Gegenden verwüstet.

Die Sehnsucht nach Frieden dürfte in der Ukraine so groß sein wie nirgends sonst. Nach zwei Jahren Krieg ist das Land in vielen Gegenden verwüstet.

(Foto: AP)

SPD-Fraktionschef Mützenich beharrt auf seiner viel kritisierten Idee eines "Einfrierens" des Ukraine-Krieges. Zugleich betont er, das benötige "die Zustimmung beider Kriegsparteien" - was höchst unrealistisch ist. Auch sein Parteifreund Pistorius erinnert an Erfahrungen mit dem Kreml.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich will seine vielfach kritisierte Äußerung zum Einfrieren des Ukraine-Kriegs nicht korrigieren. "Nein, das möchte ich nicht", sagte er auf eine entsprechende Frage der Zeitung "Neue Westfälische". "Einfrieren" werde in den Sozial- und Friedenswissenschaften "als Begrifflichkeit genutzt, um in einer besonderen Situation zeitlich befristete lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen". Diese könnten dann überführt werden "in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt".

Mützenich betonte, ein solches Vorgehen benötige "natürlich die Zustimmung beider Kriegsparteien". Dies lasse sich "nicht von außen diktieren". Klar sei aber: "Die Optionen, wie ein militärischer Konflikt beendet werden kann, die werden am Ende politische sein", betonte Mützenich.

Mützenich hatte die umstrittene Äußerung am Donnerstag in der Bundestagsdebatte über einen Antrag der Unionsfraktion zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine gemacht. Er stellte dabei die Frage: "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?"

Mützenichs Parteifreund, Verteidigungsminister Boris Pistorius bekräftigte im Deutschlandfunk, dass er nicht von einem Einfrieren des Krieges in der Ukraine gesprochen hätte. "Weil das Wort einfrieren signalisiert, man könne einen solchen Krieg, und wir reden ja nicht über einen beidseitigen Konflikt, einen solchen Krieg einfach so einfrieren und dann hoffen, dass es besser wird. Wir wissen aus der Geschichte und aus den Erfahrungen mit Putin, dass das niemals so sein wird", sagte Pistorius. Die Worte Mützenichs bedeuteten aber den Wunsch nach Frieden.

Empörung über Mützenich

Den Wunsch nach Frieden teilen allerdings auch die Kritiker Mützenichs. "Ich halte diesen Ansatz für absolut inakzeptabel", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Abgeordneten im Bundestag, Thorsten Frei. "Ich sehe hier nirgends einen Ansatz, wie man zu Friedensverhandlungen kommen kann."

Für die Union sei klar, dass es so schnell wie möglich zu Frieden in der Ukraine kommen solle, sagte Frei. "Das kann aber kein Diktatfrieden sein, sondern nur ein Frieden auf Augenhöhe." Verhandlungen habe es auch nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim durch Russland 2014 gegeben, wo man versucht habe, "alle diplomatischen Ansätze zu bespielen". Damals sei man Russland offen begegnet, aber: "Das ist ja alles gescheitert", erinnerte Frei. Er halte den Vorschlag von Mützenich "bestenfalls für naiv, aber eigentlich für sehr gefährlich".

Kritik kam bereits in der vergangenen Woche aus Reihen der Ampel. FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verlangte nach Mützenichs Rede eine rasche Erklärung des Bundeskanzlers und der SPD zum Ukraine-Kurs der Bundesregierung. "Wenn Rolf Mützenich, der als Vorsitzender ja für die gesamte SPD-Fraktion spricht, ernsthaft ein Einfrieren des Ukraine-Kriegs fordert, rückt die Kanzlerpartei SPD offenkundig von der vereinbarten Zeitenwende ab", sagte Strack-Zimmermann dem "Stern". "Eingefrorener Mist bleibt auch nach dem Auftauen Mist."

Auch Politiker der Grünen zeigten sich entsetzt. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Montag: "Kriege einfrieren führt gerade nicht zum Frieden. Das gefährdet Frieden." Sie warf Mützenich zudem indirekt vor, Ängste in der Bevölkerung zu schüren. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts verwies in der vergangenen Woche darauf, dass Ministerin Annalena Baerbock bereits im Dezember gesagt habe, ein Einfrieren des Konflikts würde "die Gewaltherrschaft Putins in der Ukraine zementieren". Russlands Krieg im Osten der Ukraine habe schon 2014 begonnen. Alle Versuche, Lösungen zu finden, seien da schon von Russland torpediert worden. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei es damals nicht um Frieden gegangen, "sondern um die Vorbereitung dieses brutalen Angriffskriegs".

Putin will von "der Lage auf dem Schlachtfeld" ausgehen

Putin äußerte sich indes skeptisch zu einer möglichen Waffenruhe. "Wir werden in jedem Fall immer von den Interessen Russlands und der Lage auf dem Schlachtfeld ausgehen", sagte der Kremlchef am Sonntagabend. Der Hardliner und ehemalige Präsident Dmitri Medwedew machte noch klarer, was seine Vision ist. Er stellte sich kürzlich vor eine Landkarte Osteuropas mit einem ukrainischen Rumpfstaat und erklärte, die Ukraine gebe es nicht. Wenig später schlug er eine "milde russische Friedensformel" vor, die im Wesentlichen auf die Kapitulation und Selbstauflösung der Ukraine hinauslief.

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Der Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sieht indes einen vollständigen Abzug russischer Truppen aus der Ukraine vor. International soll dies auf einem möglichen Gipfel in der Schweiz beraten werden - aber zunächst ohne Beteiligung Russlands, wie Selenskyj zuletzt in Istanbul betonte. "Wir sehen nicht, auf welche Weise wir Leute einladen können, die alles blockieren, zerstören und umbringen." Es gehe bei einem Gipfeltreffen um einen gerechten Frieden für die Ukraine. "Daher werden zu Beginn die zivilisierten Länder der Welt einen detaillierten Plan ausarbeiten und ein Ergebnis erzielen." Erst danach sei ein Hinzuziehen von russischen Vertretern möglich, aber nur derjenigen, die einen solchen gerechten Frieden anstreben.

"Die Ukrainer möchten Frieden, mehr als irgendjemand sonst", betonte die ukrainische Friedensobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk vor wenigen Wochen im Deutschlandfunk. Der Frieden komme aber nicht, solange ein Land noch besetzt sei. "Das ist kein Frieden, das ist Besatzung."

Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP

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