Politik

Fragen und Antworten Union treibt Ampel in Taurus-Frage vor sich her

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Marschflugkörper Taurus unter der Tragfläche eines alten deutschen Tornados.

Marschflugkörper Taurus unter der Tragfläche eines alten deutschen Tornados.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Donnerstag geht es im Bundestag noch einmal um Taurus. Die Ampel stellt einen Antrag dazu, allerdings ohne die begehrte Waffe zu erwähnen. Die Union bringt auch einen, nennt den Taurus aber beim Namen. FDP-Politikerin Strack-Zimmermann will beiden zustimmen und weicht so von der Fraktionslinie ab - was ist da los und was bedeutet das? Fragen und Antworten dazu.

Worum geht es?

Es geht um mehrere Dinge gleichzeitig. Zunächst einmal wollen die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP der Bundesregierung Druck machen, der Ukraine den Marschflugkörper Taurus zu liefern. Das Gleiche gilt für CDU und CSU, die parallel einen eigenen Antrag einbringen. Es gibt aber einen entscheidenden Unterschied: Im Ampel-Antrag kommt das Wort "Taurus" gar nicht vor, bei der Union hingegen schon.

Was das soll? Berichten zufolge ist das das Werk der SPD-Fraktion. Die soll verhindert haben, dass der Taurus ausdrücklich genannt wird. Damit schützt sie Kanzler Olaf Scholz. Der hat sich im vergangenen Herbst dagegen entschieden, den Marschflugkörper zu liefern. Würden nun die Parteien seines eigenen Regierungsbündnisses etwas fordern, was er nicht will, hätte das einen Hauch von Rebellion. Oder vielleicht auch mehr als einen Hauch.

Druck geht aber auch so von dem Antrag aus. Immerhin heißt es darin, die Bundesregierung solle weitreichende Waffen liefern. Das wird etwas genauer ausgeführt, sodass aus Sicht mehrerer Ampelvertreter eigentlich jeder wissen muss, dass nur Taurus gemeint sein kann. "Der Ukraine-Antrag der Koalition umschreibt wortreich die Vorteile des Taurus und fordert die Lieferung solcher Systeme. Dass der Antrag eine Mehrheit bekommt, ist ein wichtiger Schritt des Bundestags zur Hilfe an die überfallene Ukraine", sagt FDP-Verteidigungsexperte Markus Faber dazu ntv.de.

Dadurch, dass der Taurus aber eben nicht genannt wird, hat Scholz es leichter, sich da wieder herauszuwinden. Und das tut er auch: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet, aus der Regierung heiße es, mit der Umschreibung im Antrag sei der Raketenwerfer MARS II gemeint. Der kann auch immerhin 150 Kilometer weit feuern - und ist vor allem bereits geliefert worden. Sein Regierungssprecher sagte am Mittwoch, der Bundeskanzler unterstütze den Antrag "aus vollem Herzen". So kann sich Scholz darauf zurückziehen zu sagen: Was im Antrag gefordert wird, tun wir ja bereits. Diese Hintertür hat ihm die SPD-Fraktion in den Antrag hineinverhandelt.

Genau in diese Wunde legt die Union mit ihrem Antrag ihren Finger. Sie nennt den Taurus in ihrem Papier. "Entweder man ist für Taurus, dann schreibt man Taurus hinein. Oder die Koalition konnte sich gerade nicht darauf einigen, dieses System zu liefern, dann fehlt der Name Taurus", sagt CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter ntv.de dazu. "Taurus ist ein Symbol dafür, ob man begreift, dass Russland jetzt gestoppt werden muss", so der Bundestagsabgeordnete weiter. Die Union punktet also mit mehr Klarheit.

Auch geht es darum, welche Partei der Ukraine entschlossener helfen will. Es ist schon mindestens der dritte Antrag von CDU und CSU zum Thema. Sie versucht, die Ampel in dieser Frage vor sich herzutreiben. CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt wissen ganz genau, dass es in der Ampel mehrere Politiker gibt, die ganz klar für den Taurus sind. Die werden so unter Druck gesetzt und womöglich in Versuchung gebracht, gegen die eigene Koalition zu stimmen - mit Erfolg. Aber dazu später mehr.

Warum ist der Taurus so wichtig?

Der Marschflugkörper hat viele Vorteile. Er kann sehr weit fliegen, steuert seine Ziele sehr präzise an, hat große Durchschlagskraft und kann nur schwer abgeschossen werden. Der Taurus wird von einem Flugzeug aus gestartet und fliegt dann eigenständig in sein Ziel, bis zu 500 Kilometer weit. So weitreichende Waffen hat die Ukraine bisher nicht. Sie könnte die Russen damit weit hinter der Front treffen und Nachschubwege, Munitionslager und Waffenfabriken zerstören. Aber auch, und das soll Scholz' Sorge sein, Moskau erreichen. Oder die Kertsch-Brücke, die Russland mit der Krim verbindet.

Der Taurus ist aber auch ein Symbol geworden - darüber, wie ernst es Deutschland mit seiner Waffenhilfe wirklich meint, und wie groß das Vertrauen von Scholz in Präsident Wolodymyr Selenskyj tatsächlich ist. Dass diese eine Waffe den entscheidenden Unterschied macht und der Ukraine den Sieg bringt, ist zwar nicht zu erwarten. Der Taurus wäre aber eine wertvolle Hilfe für die Ukraine.

Ist der eine oder der andere Antrag bindend?

Nein, beide sind nicht bindend. Mit Anträgen drückt der Bundestag nur eine Auffassung zu einem Sachverhalt oder Thema aus. Es sind aber keine Gesetze. Wird einer der Anträge also angenommen, heißt das nicht, dass Deutschland den Taurus liefern wird. Es heißt nur, dass eine Mehrheit im Bundestag für das gestimmt hat, was im Antrag steht.

Hat die Ukraine irgendetwas davon oder sind das Spielchen?

Man sollte vorsichtig sein, solche parlamentarischen Prozesse als Spielchen oder Show abzutun. Denn auch wenn der Antrag nicht bindend ist, übt der Bundestag Druck auf die Regierung aus. SPD, Grüne und FDP sagen trotz allem, dass Scholz sehr weitreichende Waffen liefern soll. Er mag sich herausreden, aber trotzdem wissen alle, was gemeint ist. Dieser Antrag sorgt für Aufmerksamkeit, er hält das Thema in den Schlagzeilen. Es lässt sich kaum messen, wie viel das konkret bringt. Aber es ist eben ein weiteres Gewicht auf der Waage, das womöglich irgendwann mit den Ausschlag gibt für eine Lieferung der hochwertigen Waffe.

Dass die Union die Ampel bei dem Thema vor sich hertreibt, hat den gleichen Effekt. Die Spannung wird hochgehalten. Dass man versucht, Ampel-Abgeordnete aus dem gegnerischen Lager herauszulösen, geht schon eher in Richtung Parteipolitik. Womit wir bei Marie-Agnes Strack-Zimmermann wären.

Warum darf Strack-Zimmermann für die Union stimmen?

Die FDP-Politikerin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses hat angekündigt, für beide Anträge zu stimmen. In der ARD bezeichnete sie den Ampel-Antrag am Dienstagabend als "sehr gut", weil er "sehr weitgehend" sei. So werde gefordert, die Ukraine solle Mitglied der NATO werden, und festgestellt, die Ukraine habe das Recht, die Krim zurückzuholen. Entscheidend sei für sie, dass im Antrag das Wort "Taurus" stehe. Sie wolle, dass "das Kind beim Namen genannt wird".

Das ist überraschend, denn Mitte Januar hatte sie noch gegen einen ähnlichen Antrag der Union gestimmt. Die hatte die Vorstellung des Berichtes der Wehrbeauftragten zum Anlass dafür genommen, die Lieferung des Taurus zu fordern. Darüber hatte sich Strack-Zimmermann echauffiert und der Union Spielchen vorgeworfen. Sie hatte damals aber einen eigenen Antrag zum Thema in Aussicht gestellt. In der ARD zeigte sie sich frustriert über den FAZ-Bericht, dass die Bundesregierung nun auf den MARS-Raketenwerfer verweise.

Zugleich kam Strack-Zimmermanns Ankündigung, mit der CDU zu stimmen, nur zwei Tage nachdem FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der "Bild am Sonntag" seine Sehnsucht nach einem schwarz-gelben Bündnis mitgeteilt hatte. Der habe nur einen "dicken Hals" wegen des Streits um die Bezahlkarte für Flüchtlinge gehabt, wiegelte Strack-Zimmermann nun in der ARD ab.

Sie selbst ist aber als Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl am 9. Juni bereits im Wahlkampf. Als Vertreterin einer Partei im Umfragetief wartet viel Arbeit auf sie. Nun stärkt sie ihren Ruf, eine unbequeme Klartext-Politikerin zu sein, die im Zweifel ihrer Überzeugung folgt. All das könnte im Wahlkampf hilfreich sein. Und dass es ihr tatsächlich widerstrebte, sich widerspruchslos auf den Ampel-Kompromiss-Antrag einzulassen, sollte man nicht ausschließen.

Doch mit der Aktion geht die FDP-Frau letztlich ans Allerheiligste einer Koalition: dass man immer mit dem eigenen Bündnis stimmt und nicht mit der Opposition. Notfalls hat man gegen die eigene Überzeugung zu stimmen. Das steht so in jedem Koalitionsvertrag, auch wenn es im Grundgesetz heißt, Abgeordnete seien nur ihrem Gewissen unterworfen (Art. 38). Manchmal wird dieser Fraktionszwang aufgehoben, wenn es um Gewissensentscheidungen geht. Das war hier aber nicht der Fall.

Es geht zwar um viel - Krieg und Frieden - Freiheit oder Tod - aber wer sich so etwas unabgesprochen leistet, müsste eigentlich bei der eigenen Führung in Ungnade fallen - um es freundlich auszudrücken. Auch wenn sie mit ihrer Stimme der Union nicht zu einer Mehrheit verhelfen wird. Im Juni wird Strack-Zimmermann aber im Europaparlament sitzen, insofern ist das Kapitel Bundestag für sie demnächst ohnehin vorbei. Hinzu kommt, dass die FDP sowieso keine große Lust mehr auf die Ampelkoalition zu haben scheint. Diese Aktion verstärkt diesen Eindruck. Das hat etwas von Verfallserscheinungen.

Quelle: ntv.de

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