Geld weg, Wahlrecht weg, Verbot Wie die AfD bekämpft werden kann - und warum nicht


Björn Höcke gilt vielen als Gesicht des AfD-Extremismus.
(Foto: picture alliance/dpa)
Der Zuspruch zur AfD sowie Recherchen zu rechtsextremen Kontakten Einzelner darin werfen Fragen zum Umgang mit der Rechtsaußen-Partei auf. Der demokratische Staat hat eine ganze Reihe von Möglichkeiten, die AfD auch mit rechtlichen Mitteln zu bekämpfen. Ob das klug wäre, ist eine andere Frage.
Aufatmen unter den demokratischen Parteien: Das Bundesverfassungsgericht hat einer massiven Beschneidung der Rechte einer rechtsextremistischen Partei zugestimmt. Die Partei Die Heimat, vormals NPD, wird für sechs Jahre von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen. Verbotsanträge gegen die Partei waren zuvor zweimal gescheitert, zunächst weil die Rolle von Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD-Führung unklar war; dann weil der Partei nicht mehr das Potenzial zuerkannt wurde, ihr Ziel einer Beseitigung der freiheitlichen Grundordnung umzusetzen. Mit der höchstrichterlichen Bestätigung der erst 2017 eingeführten Möglichkeit, einer verfassungsfeindlichen Partei zumindest keine weiteren Steuergelder in die Kasse zu spülen, ist eine erneute Blamage des Staates abgewendet. Die wehrhafte Demokratie zeigt nicht nur Zähne, sie beißt auch tatsächlich zu.
Doch dieser Erfolg ist eher symbolischer Natur als ein entscheidender Schlag gegen den Rechtsextremismus in Deutschland: Die frühere NPD hat in den vergangenen Jahren rapide an Bedeutung verloren und zuletzt gar kein Geld mehr vom Staat bekommen. Völkische Nationalisten, auch Nationalkonservative, haben in der AfD ein viel bedeutsameres politisches Zuhause gefunden. Teile der Partei sind eng verknüpft mit der Neuen Rechten, wie unter anderem das viel diskutierte Treffen in Potsdam zeigt, dessen Verlauf und Inhalte das Portal "Correctiv" öffentlich gemacht hat. Angesichts dieser unverhohlenen Radikalisierung der Partei und dem enormen Zuspruch zur AfD in sämtlichen Umfragen werden auch mögliche Sanktionen gegen oder ein Komplettverbot der AfD wieder intensiv diskutiert.
Was das NPD-Urteil zur AfD aussagt
Die Zahlen für die Jahre 2022 und 2023 liegen noch nicht vor, doch allein im Jahr 2021 erhielt die AfD rund 11 Millionen Euro über die staatliche Parteienfinanzierung sowie 6,5 Millionen Euro über Spenden natürlicher Personen. Zusammen sind dies 70 Prozent aller Einnahmen. Nicht nur die direkte Parteieinfinanzierung, deren Höhe sich am jeweiligen Wahlerfolg bemisst, ist Teil der staatlichen Unterstützung. Es geht auch darum, dass Schenkungen und Erbschaften für Parteien steuerfrei sind und Spender jährlich bis zu 3300 Euro steuerlich geltend machen können. Entfällt dieses Privileg, sinken auch die Einnahmen durch Spenden spürbar. Die Parteienfinanzierung bildet so das Rückgrat für Wahlkämpfe, Öffentlichkeitsarbeit und Organisation der AfD - ähnlich wie bei allen anderen Parteien im Bundestag.
Das Urteil gegen Die Heimat bedeutet, dass eine ähnliche Maßnahme grundsätzlich auch gegen die AfD denkbar ist. Dafür müsste Karlsruhe die Partei aber zumindest als ähnlich gefährlich einstufen wie Die Heimat. Wie kamen also die Bundesverfassungsrichter zu ihrer Einschätzung der NPD? In ihrem Urteil stützten sie sich sowohl auf das Parteiprogramm der NPD als auch auf "verschiedene Äußerungen führender Funktionäre" der NPD-Nachfolgepartei. Diese verstoße schon mit ihrem Begriff der "Volksgemeinschaft" gegen das Prinzip der Menschenwürde nach Artikel 1 des Grundgesetzes, demzufolge alle Menschen gleichwertig sind.
Ferner widerspreche der Ausschluss von Menschen von der politischen Mitbestimmung, die dieser ethnisch begründeten Gemeinschaft nicht angehören, dem Demokratieprinzip. Das gelte auch für das Ziel, die bestehende Verfassungsordnung durch einen autoritären Nationalstaat zu ersetzen, heißt es in der Urteilsbegründung. Zudem attestieren die Richter der NPD mit ihrem Begriff von der "Volksgemeinschaft" sowie ihren antisemitischen Überzeugungen "deutliche Parallelen zum Nationalsozialismus". Die Richter kommen wie schon 2017 zu dem Schluss, die NPD/Die Heimat sei in Programm und Handeln auf die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgerichtet.
Der Fall AfD ist anders gelagert
Das Gericht hat mit seinem Urteil nicht nur die Möglichkeit eines Ausschlusses von der Parteienfinanzierung festgestellt, sondern auch Kriterien benannt, ab denen dieses Instrument definitiv angewendet werden darf. Ob auch die Feststellung, dass die AfD diese Kriterien zum Teil erfüllt, für ein Zudrehen des Geldhahns genügt, bleibt offen. Augenfällig sind aber zwei zentrale Unterschiede zur NPD. Erstens unterhält die AfD keine systematischen Beziehungen zu militanten Neonazis, wie es bei der NPD und den freien Kameradschaften lange Zeit der Fall war.
Wichtiger aber ist zweitens: Die AfD unterscheidet ihrem Grundsatzprogramm nach nicht zwischen Staatsbürgern mit und ohne Migrationsgeschichte. Im Herbst 2021 bekräftigte die Partei in einer Erklärung, die alle Mitglieder im Bundesvorstand und sämtliche Landesvorsitzenden unterschrieben, einschließlich des Thüringers Björn Höcke, das Staatsvolk bestehe aus der "Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt, er ist vor dem Gesetz genauso deutsch wie der Abkömmling einer seit Jahrhunderten in Deutschland lebenden Familie, genießt dieselben Rechte und hat dieselben Pflichten". Diese Erklärung hatte das Ziel, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu verhindern.
Der Verfassungsschutz hat ein klares Bild
Bleiben also nur die Äußerungen führender Funktionäre, wie sie etwa der Verfassungsschutz des Landes Thüringen in seinem Jahresbericht 2022 aufführt zur Begründung, warum der AfD-Landesverband mit Höcke als zentraler Machtfigur rechtsextremistisch sei. Die Verfassungsschützer attestieren der Thüringer AfD, sie verfolge das Ziel eines ethnisch homogenen Staatsvolkes und lehne die Gleichwertigkeit aller Menschen ab. Der Bericht zählt Beispiele für in sprachlichen Codes kaschierten Antisemitismus in der Thüringer AfD auf. Die Partei bediene und verbreite die Erzählung einer illegitimen, von den USA gesteuerten Bundesregierung und Parteienlandschaft. Ferner nennt der Bericht die Vernetzung der Landes-AfD mit rechtsextremistischen Organisationen und Bewegungen, Höckes Rhetorik im Stil des historischen Nationalsozialismus und die Tatsache, dass neo-nationalsozialistische Positionen und Äußerungen Einzelner in der Partei nicht zu Widerspruch führten.
Damit ist die AfD in Thüringen auf dem Papier sehr nahe an den Umständen, die aus Karlsruher Sicht einen Ausschluss von der Parteienfinanzierung rechtfertigen. In einem Verfahren müssten die Richter aber auch zur selben Einschätzung kommen wie der Verfassungsschutz - und zwar in Bezug auf die gesamte AfD. Die Bundespartei wird vom Bundesamt für Verfassungsschutz weiter als Verdachtsfall und nicht als gesichert rechtsextremistisch geführt.
"In Verlautbarungen der AfD und ihrer Repräsentanten kommt vielfach ein ethnisch-kulturell geprägtes Volksverständnis zum Ausdruck, welches im Widerspruch zur Offenheit des Volksbegriffs des Grundgesetzes steht", heißt es im Jahresbericht 2022. Äußerungen deuteten zudem auf Muslim- und Islamfeindlichkeit, auf antisemitische Verschwörungserzählungen sowie die "Verächtlichmachung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland". In einem Verfahren müsste der Nachweis erbracht werden, dass derlei Äußerungen exemplarisch für den Charakter der Parteien seien, sodass eine Bestrafung auch zum Leidwesen von Landesverbänden gerechtfertigt wäre, deren Führungspersonal sich nicht vergleichbar abfällig über Minderheiten und die deutsche Demokratie äußern.
Politik ist uneins
Dennoch sprachen sich mehrere Politiker nach dem Urteil zur NPD dafür aus, auch einen Ausschluss der AfD von der staatlichen Parteieinfinanzierung zu prüfen. Nordrhein-Westfalens christdemokratischer Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach von einer Option. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder sagte, das Urteil könne "am Ende auch eine Blaupause für die AfD sein und gegen die AfD."
Bundeskanzler Olaf Scholz plädierte wie viele andere Ampelvertreter dafür, das Urteil "sorgfältig" auszuwerten. Er erinnerte daran, dass Karlsruhe demnächst über die AfD-Klage gegen eine Überwachung durch den Verfassungsschutz entscheidet. Wird die Klage abgelehnt, könnte das Urteil einen Fingerzeig enthalten, wie das höchste Gericht die AfD politisch und ihre Gefährlichkeit einordnet.
Bei einem entsprechenden Urteilsspruch könnte auch noch einmal die Debatte über ein vollständiges Verbot der AfD Fahrt aufnehmen. Aus den Parteien wird so ein Verfahren nur vereinzelt gefordert, darunter von SPD-Chefin Saskia Esken, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günter von der CDU sowie seinem sächsischen Parteikollegen Marco Wanderwitz. 25 SPD-Bundestagsabgeordnete forderten jüngst ebenfalls die Prüfung eines Verbortsverfahrens, "insbesondere in Hinblick auf die Landesverbände, die als gesichert rechtsextrem gelten".
Auffallend ist, dass die meisten Gegner eines Verbotsverfahrens nicht damit argumentieren, dass die AfD womöglich gar nicht so gefährlich sei. Vielmehr haben die gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD die politisch Verantwortlichen sichtlich davor abgeschreckt, eine Blamage in Karlsruhe zu kassieren. CDU-Chef Friedrich Merz bekundete, von einem Verfahren nichts zu halten. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff warnte bei ntv davor, während der Verfahrenszeit der AfD "über viele Jahre eine Märtyrerrolle zu verschaffen". Da ein Urteil nicht vor der nächsten Bundestagswahl zu erwarten sei, wäre ein Verbotsantrag "politisch, aber auch von der rechtlichen Seite her höchst problematisch, das jetzt in den Vordergrund zu stellen". Zwei Drittel der AfD-Wähler seien noch durch "vernünftige politische Arbeit zurückzuholen".
Die Gefahr eines Persilscheins
Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten eines Verfahrens gegen die Partei ist ein ganz anderes Instrument der wehrhaften Demokratie in den vergangenen Wochen breiter diskutiert worden: das Entfernen einzelner AfD-Akteure aus dem politischen Betrieb, namentlich Björn Höcke. Mehr als 1,6 Millionen Menschen haben nach Angaben einer Aktionsplattform eine Petition unterschrieben, die Bundeskanzler Scholz sowie die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Union, Grüne, FDP und Linke auffordert, gegen Höcke "einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 GG" zu stellen. Würde das Bundesverfassungsgericht dem stattgeben, könnte der Thüringer AfD-Landeschef für einen von den Richtern bestimmten Zeitraum sein Wahlrecht verlieren; er dürfte weder kandidieren noch wählen.
Höcke müsste nachgewiesen werden, dass sein politisches Engagement auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausgerichtet sei und er damit tatsächlich eine Gefahr darstelle. Sollte ein entsprechender Antrag gestellt werden, droht ein mehrjähriges Gerichtsverfahren mit unsicherem Ausgang. Der Beklagte könnte dieses zur Selbstinszenierung nutzen und womöglich als Gewinner daraus hervorgehen: "Das Bundesverfassungsgericht hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch in keinem Fall entschieden, dass eine Person ihre Grundrechte verwirkt hat", warnte etwa Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Lehnt Karlsruhe einen solchen Antrag ab, hätte Höcke einen höchstrichterlichen Persilschein, keine Gefahr für die Demokratie darzustellen.
Quelle: ntv.de