Haftungsfallen für Kunden Karte weg, Konto leer?
09.07.2018, 11:02 Uhr
Der Kunde darf es Dieben nicht leicht machen, an seine Pin-Nummer zu kommen. Denn wird die EC-Karte gestohlen und Geld abgehoben, kann er auf den Verlusten sitzenbleiben.
Eigentlich sind Girokarten sicher, ohne PIN kann die Karte in der Regel nicht genutzt werden. Doch was, wenn die Karte verloren geht und das trotzdem Konto erleichtert wird, obwohl die Nummer sicher verwahrt war? Dann bleiben Kunden manchmal auf ihrem Schaden sitzen.
Die Panik stieg auf, als die Flugzeugtür schon geschlossen war: Die Tasche mit den Ausweisen und der Geldbörse stand noch im Aufenthaltsraum. Doch die Kabine durfte die Flugbegleiterin jetzt kurz vor dem Start nicht mehr verlassen. Eine halbe Stunde später - die Maschine war längst in der Luft - wurde mit der Geldkarte der Kundin Bares abgehoben.
"Der Schaden wurde der Frau damals nicht ersetzt", erinnert sich Frank-Christian Pauli, Kreditexperte vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Der Grund: Das Gericht ging davon aus, dass auch die PIN in der Tasche gewesen sein musste. Wie sonst hätten die Täter das Geld abheben können? Der Beweis des Gegenteils gelang der Flugbegleiterin vor Gericht nicht.
Dass Kunden in solchen Fällen auf den Kosten sitzenbleiben, passiert tatsächlich immer wieder. "Es geht dabei immer um den sogenannten Anscheinsbeweis", erklärt Pauli. Die grundlegende Frage lautet: Ist der Kunde sorgsam mit seiner Geldkarte und der dazugehörigen Geheimzahl umgegangen? Oder hat er sich grob fahrlässig verhalten?
PIN und Karte getrennt aufbewahrt?
Von grober Fahrlässigkeit geht die Branche zum Beispiel aus, wenn die PIN auf der Karte vermerkt wurde. Auch wenn die PIN zusammen mit der Karte am selben Ort - etwa im Portemonnaie - aufbewahrt wurde, gilt das als Fehler des Kunden. So ist es auch, wenn die Geheimnummer einer anderen Person mitgeteilt und dadurch der Missbrauch ermöglicht wurde. Auch wenn das Abhandenkommen der Karte nicht sofort bei der Bank oder der zentralen Sperrannahme gemeldet wurde, gilt das als grob fahrlässig, erklärt das Portal kartensicherheit.de die Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft (DK).
Immer wieder fallen Kunden jedoch Betrügern zum Opfer. Deren Maschen sind vielfältig. "Manche Verbraucher werden zum Beispiel ausgespäht, wenn sie mit der Karte bezahlen und ihre PIN eingeben", erklärt Achim Tiffe, Rechtsanwalt aus Hamburg. "Manchmal werden auch Geldautomaten manipuliert." In anderen Fällen wird schlicht Gewalt angewendet, um die Karte zu erbeuten und vom Opfer die PIN zu erfahren.
Doch auch wenn Kunden ihre Karten und Daten sorgsam behandelt haben, können sie das im Schadensfall nur schwer beweisen. Denn der Anscheinsbeweis spricht meist gegen sie. Wurde unberechtigt Geld vom Konto abgehoben, reicht Gerichten oft nicht die Erklärung des Kunden, man habe PIN und Karte getrennt voneinander aufbewahrt.
Dem Amtsgericht Freudenstadt etwa reichte es, dass der Zahlungsdienstleister die Buchungen dokumentieren konnte (Az.: 5 C 374/13). Den dadurch hervorgerufenen Anscheinsbeweis konnte der Kunde nicht allein durch die Aussage erschüttern, er habe seine PIN stets im Kopf gehabt. Das Sicherheitssystem des Anbieters bewertete das Gericht als praktisch nicht zu überwinden und fehlerfrei.
Ab Meldung bei Bank ist Kunde geschützt
Probleme mit der Haftung gibt es auch, wenn der Kunde den Verlust seiner Karte oder den Missbrauch nicht sofort seinem Geldinstitut mitteilt. "Erst ab der Meldung ist der Kunde geschützt und seine Mithaftung auf 50 Euro beschränkt", erläutert Pauli. Wird das versäumt, kann es teuer werden, wie der Fall einer Touristin zeigt.
Die Frau hatte nach der Ankunft im Hotel ihre Tasche mit der Geldbörse im Zimmer deponiert, während sie zum Essen ging. Die Tasche wurde gestohlen. Von ihrem Konto wurden rund 1500 Euro abgehoben. Den Schaden müsse sie selber tragen, entschied das Amtsgericht Offenbach (Az.: 36 C 77/07). Die Frau habe die Karte nicht sorgfältig aufbewahrt und den Schaden erst drei Tage später gemeldet.
Ein weiteres Problem geschädigter Kunden: Ohne eine Rechtsschutzversicherung lohnt es sich kaum, vor Gericht zu ziehen. "Lag der Schaden bei 2000 Euro, kommen schon in der ersten Instanz 1350 Euro an Kosten auf den Verbraucher zu", erklärt Rechtsanwalt Tiffe. Geht der Kunde in Berufung, steigen die Kosten schon auf 2750 Euro - mehr als der eigentliche Schaden.
Lebensfremde Annahme
Verbraucherschützer kritisieren solche Urteile immer wieder. "Die Annahme, dass im Schadensfall die PIN auf der Karte notiert worden sein musste, ist heutzutage eigentlich lebensfremd", sagt Mathias Hufländer von der Verbraucherzentrale Bremen. "Ich selber kann mir auch verschiedene Nummern gut merken", sagt der Jurist. "Und ich bin kein mathematisches Genie."
Seit Januar gilt in Deutschland die zweite Zahlungsdienstrichtlinie PSD II. Damit hat sich Stellung des Kunden aus Sicht der Verbraucherschützer eigentlich verbessert. Denn in Paragraf 675 w des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) findet sich jetzt der Zusatz: "Der Zahlungsdienstleister muss unterstützende Beweismittel vorlegen, um Betrug, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers nachzuweisen." Doch Pauli schränkt ein: "Das ist aber noch nicht in die juristische Praxis eingezogen."
Deshalb gilt für Kunden: Girokarten müssen immer so sorgsam aufbewahrt werden wie Bargeld. Wichtig ist auch ein regelmäßiger Blick auf das Konto. Wer Unregelmäßigkeiten entdeckt, sollte sich sofort bei seiner Bank melden.
Quelle: ntv.de, Falk Zielke, dpa