Bemerkenswerte Linderung Long-Covid-Patientin nimmt "Zauberpilze"
07.06.2024, 15:05 Uhr Artikel anhören
Die Frau hat die halluzinogenen Pilze als Tee zubereitet zu sich genommen.
(Foto: IMAGO/Pond5 Images)
Viele Menschen mit Long Covid sind frustriert, weil die schwächenden Symptome über Monate hinweg anhalten. Kein Wunder, dass nun eine Frau gemeinsam mit einem Therapeuten neue Wege geht und auf sogenannte Magic Mushrooms zurückgreift – mit Erfolg.
Eine Frau, die unter Long Covid leidet, hat mit der Einnahme von Psychedelika eine deutliche Linderung ihrer Symptome erreicht. Die 41-Jährige nahm in Selbstmedikation und nach Absprache mit einem Therapeuten sogenannte Zauberpilze, die sie im Internet kaufte. Es handelte sich um zwei verschiedene Sorten mit den halluzinogenen Wirkstoffen Psilocybin und Methylendioxymethamphetamin, kurz MDMA. Der Fall, über den im Fachmagazin "Clinical Case Reports" berichtet wird, ist für Fachleute von großer Bedeutung, denn bisher gibt es weder ein wirksames Long-Covid-Mittel noch wirksame Long-Covid-Therapien. Dabei sind Millionen von Menschen weltweit von Long Covid betroffen.
Die Frau in der Fallstudie war den Angaben zufolge vor ihrer Covid-19-Erkrankung im Februar 2022 gesund. Allerdings litt sie an Migräne, die seit der Pubertät zeitweise zwei- bis viermal pro Monat auftrat. Obwohl sie insgesamt drei Covid-19-Impfungen bekommen hatte, steckte sie sich mit SARS-CoV-2 an und litt zum Zeitpunkt der Covid-19-Diagnose unter Hals- und Kopfschmerzen, Fieber, Husten, laufender Nase, Müdigkeit, Gliederschmerzen, einem veränderten Geschmackssinn und einem verminderten Geruchssinn.
Vor allem Kopfschmerzen und Gehirnnebel
Nachdem die akute Phase der Erkrankung abgeklungen war, litt die Patientin einen Monat nach der Diagnose weiterhin an verschiedenen Symptomen. Dazu zählten schwere Angstzustände und Depressionen, Schlaflosigkeit, Gelenkschmerzen, kognitive Probleme und ein starker Rückgang der Libido. Die Patientin berichtete zudem über einen starken Kopfschmerz, der sich von ihren früheren Migräneattacken unterschied. Dieser Kopfschmerz trat fast täglich auf und dauerte 2 bis 12 Stunden. Dabei gab es weder Übelkeit noch traten Licht- oder Geräuschempfindlichkeiten auf. Die beschriebenen Symptome hielten drei Monate lang an. Sie wurden als Long Covid diagnostiziert und die Patientin in eine Spezialklinik überwiesen.
Auf der Suche nach Besserung probierte die junge Frau konventionelle und viele unkonventionelle Behandlungsmethoden aus. Sie nahm verschiedene Medikamente, praktizierte intermittierendes Fasten und Meditation, versuchte Akupunktur und Massagetherapien. Doch nichts davon half ihr wirklich nachhaltig. Auch eine Untersuchung oder Aufnahme in einer spezialisierten Long-Covid-Klinik wurde wegen zu langer Wartelisten nicht realisiert. In ihrer Not beschloss die Patientin, unter Anleitung eines Therapeuten Psychedelika als Behandlungsform auszuprobieren. Der Therapeut empfahl ihr Pilze, die sowohl MDMA als auch Psilocybin enthielten. Die Wirkungen der verschiedenen Pilze auf die Long-Covid-Symptome wurden daraufhin in mehreren Sitzungen erkundet.
Linderungseffekte halten zeitweise an
Die Patientin berichtete von einer deutlichen Verbesserung ihrer Symptome nach der zweiten Sitzung. Sie konnte den Angaben zufolge kurz darauf wieder arbeiten. Allerdings kam der Kopfschmerz nach sechs Wochen zurück, sodass die Frau erneut zu den "Zauberpilzen", die in den USA als Magic Mushrooms bezeichnet werden, griff. Doch auch dieser Linderungseffekt war nicht von Dauer, sodass die Patientin danach mehrfach die Wirkstoffe von halluzinogenen Pilzen in Form von Tee zu sich nahm. Wenige Tage darauf hatte sich ihr Zustand so verbessert, dass sie wieder zur Arbeit gehen konnte.
Die Idee von Long-Covid-Betroffenen, in Selbstmedikation auf die psychoaktiven Inhaltsstoffe von Zauberpilzen zurückzugreifen, ist nicht neu. Bereits 2023 hatte das "Time"-Magazin über einen ähnlichen Fall mit der Überschrift: "Die neueste vielversprechende Behandlung von Long Covid? Psychedelische Drogen" berichtet. Damals hatte sich eine 31-jährige Frau, die ein Jahr lang unter Long-Covid-Symptomen litt, selbst geholfen, indem sie "Zauberpilze" konsumierte.
Einzelfälle sind kein Beweis
Auch wenn Einzelfälle noch längst keinen wissenschaftlichen Beweis für die Wirkung eines Stoffes darstellen, können sie doch nützliche Hinweise auf eine Behandlungsmöglichkeit für Long-Covid-Patientinnen und -Patienten liefern. Wahrscheinlich ist, dass diese Behandlungsoption nicht bei allen anderen betroffenen Personen gleichsam wirksam ist. Ein Forschungsteam der Columbia University hat deshalb eine Pilotstudie gestartet. Die Forschenden wollen herausfinden, ob die einmalige Verabreichung von Halluzinogenen die Symptome bei Long-Covid-Betroffenen wirklich lindern kann.
In den USA ist der Einsatz von MDMA und Psilocybin für medizinische Zwecke bisher nicht zugelassen. Die Bundesstaaten Oregon und Colorado haben aber bereits die Legalisierung bestimmter psychedelisch unterstützter Therapien beantragt. Auch in anderen Teilen der Welt, beispielsweise in Australien, wird der Einsatz von Psilocybin- und MDMA-gestützten Therapien für verschiedene psychische Erkrankungen, beispielsweise bei der Posttraumatischen Belastungsstörung erprobt.
Quelle: ntv.de, jaz