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Ü60-Inzidenz im roten Bereich Füllen Ältere bald die Intensivstationen?

Weil der Anteil der älteren Neuinfizierten rasant steigt, ist zu befürchten, dass es mit Verzögerung zu deutlich mehr schweren Erkrankungen und Todesfällen kommen wird.

Weil der Anteil der älteren Neuinfizierten rasant steigt, ist zu befürchten, dass es mit Verzögerung zu deutlich mehr schweren Erkrankungen und Todesfällen kommen wird.

(Foto: picture alliance/dpa)

Immer mehr ältere Menschen stecken sich in Deutschland mit Covid-19 an, auch bei den Über-80-Jährigen gibt es zunehmend Neuinfektionen. Bisher ist die Zahl der Todesfälle nicht entsprechend gestiegen, aber das ist kein Grund, Entwarnung zu geben, wie ein Blick in die Statistiken zeigt.

Wenn der Teil-Lockdown ab Montag eine Wirkung zeigt, dann erst in zwei oder drei Wochen. Bis dahin werden die Neuinfektionen voraussichtlich weiter rasant steigen. Das heißt auch, dass die Zahl der älteren Menschen, die an Covid-19 erkranken, noch deutlich zunehmen wird. Schon gestern meldete das RKI eine 7-Tage-Inzidenz bei den Über-60-Jährigen von fast 64 Fällen pro 100.000 Einwohner.

Bisher wirkt sich dies kaum in einem Anstieg der Todesfälle aus, auch die Zahl der Covid-19-Patienten, die in Krankenhäusern oder Intensivstationen behandelt werden müssen, hält sich noch in Grenzen. Aber auch hier gilt wie bei den Lockdown-Maßnahmen: Die Auswirkungen sieht man erst etwas später.

Der Trend, dass sich zunehmend ältere Menschen infizieren, hält schon seit Anfang September an. Damals stieg das Durchschnittsalter der Neuinfizierten nach einem Rückgang auf 32 Jahre erstmals wieder an, inzwischen liegt es bei 40 Jahren.

Zu Beginn der Pandemie Anfang März betrug das mittlere Alter der Menschen, die sich mit dem Coronavirus ansteckten, 42 Jahre. Danach stieg es bis zu einem Höchststand von 52 Jahren im April kontinuierlich an. Entsprechend mehr Patienten erlagen Covid-19, in der ersten Aprilwoche mehr als 2200.

Noch gibt es relativ wenige Tote

Auch jetzt ist wieder ein Anstieg zu erkennen, aber in viel geringerem Maße als im Frühjahr. Mitte Oktober registrierte das RKI mit wöchentlich 143 Toten erstmals wieder mehr Opfer als Mitte Mai. In der vergangenen Woche sank die Zahl wieder auf 91. Verglichen mit der hohen Zahl von rund 72.200 Neuinfektionen ist das sehr wenig.

Das RKI weist allerdings darauf hin, dass für die vergangenen drei Wochen der Ausgang von Erkrankungen noch nicht klar ist. Und betrachtet man bei den Todesfällen den 7-Tage-Durchschnitt, erkennt man einen kontinuierlichen Anstieg und zuletzt eine Verdopplung innerhalb einer Woche.

Exponentielles Wachstum droht

Selbst wenn die Zahlen jetzt noch niedrig sind, darf man sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Auch die Neuinfektionen legten im August und September erst ganz langsam zu, bevor sie dann Anfang Oktober sprunghaft nach oben gingen. Ein solch exponentielles Wachstum droht auch bei den schweren Erkrankungen und Todesfällen. Daran ändert bei rasant ansteigenden Neuinfektionen auch die Tatsache wenig, dass die prozentualen Anteile von schweren Erkrankungen und Todesfällen mit 5 bis 7 Prozent beziehungsweise weniger als 0,7 Prozent seit August nahezu unverändert niedrig sind.

Für eine allmähliche Beschleunigung spricht die Entwicklung bei den Covid-19-Patienten, die stationär im Krankenhaus versorgt werden müssen. Hier ist bereits eine deutlichere Zunahme zu sehen. In der Woche vom 28. September bis zum 4. Oktober registrierte das RKI rund 760 hospitalisierte Covid-19-Erkrankte, in der folgenden Woche hatte sich die Zahl schon annähernd auf 1400 verdoppelt, in den folgenden Wochen kamen jeweils rund 500 Patienten hinzu.

Krankenhäuser spüren es jetzt schon

Heute meldete die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) 381 Covid-19-Neuaufnahmen. Insgesamt lagen 1839 Corona-Patienten auf Intensivstationen. Das sind 143 mehr als am Vortag, da 238 Personen die Intensivstationen verlassen konnten. 919 (+93) wurden künstlich beatmet, 32 Covid-19-Patienten starben in Kliniken.

Auch diese Zahlen sehen für sich betrachtet vielleicht noch nicht allzu dramatisch aus. Aber auf niedrigem Niveau ist die tägliche Zunahme bereits besorgniserregend, was ein Blick auf die Kurve zeigt, die fast schon senkrecht ansteigt. Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat errechnet, dass die stationären Behandlungskapazitäten in 22 Tagen erschöpft sind, wenn die neuen Maßnahmen nicht greifen. Vor drei Tagen waren es noch 28 Tage, also hat sich die Entwicklung seitdem erneut beschleunigt.

Anteil der älteren Infizierten wächst rapide

Entscheidend dabei ist neben dem Zuwachs der Neuinfektionen die Altersstruktur, also wie hoch der Anteil der älteren Menschen an der Gesamtzahl der neuen Fälle ist. Und auch hier sprechen die Zahlen eine eindeutige Sprache, seit Anfang September steigen die Inzidenzen der Über-60-Jährigen an.

In der vergangenen Woche zählte das RKI rund 6000 Neuinfizierte, die zwischen 60 und 69 Jahre alt sind, eine Woche zuvor waren es noch knapp 3400. Von etwa 1800 auf rund 3300 ist auch die Zahl der Fälle in der nächsthöheren Altersgruppe deutlich angestiegen. Bei den 80- bis 89-Jährigen haben sich die Neuinfektionen sogar von knapp 1400 auf mehr als 2800 verdoppelt. Das Gleiche gilt für die Altersgruppe darüber, wo die Fallzahl von 409 auf 816 kletterte. Und selbst bei den Über-100-Jährigen registrierte das RKI einen Anstieg von 12 auf 26 Neuinfektionen.

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Ende August waren von insgesamt 8581 wöchentlichen Neuinfizierten lediglich 663 älter als 60 Jahre, was rund 7,7 Prozent entspricht. Vergangene Woche betrug der Anteil mit 12.946 von 71739 Fällen bereits 18 Prozent.

Es ist zu befürchten, dass die Lage noch ernster ist, als sie die erfassten Zahlen ohnehin schon darstellen. Denn je weniger die Gesundheitsämter in der Lage sind, alle gemeldeten Fälle nachzuverfolgen, umso weniger Neuinfektionen identifizieren sie, und entsprechend weniger können sie eine Verbreitung des Coronavirus verhindern. Ältere Menschen und andere Risikogruppen zu schützen, wird so immer schwieriger. Umso wichtiger ist es, dass der Teil-Lockdown die Zahl der Neuinfektionen signifikant drücken kann, damit die Gesundheitsämter die Kontrolle zurückerlangen.

Quelle: ntv.de

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