99 Millionen Jahre altes Insekt Glühwürmchen schwirrten schon um Dinosaurier
11.09.2024, 15:31 Uhr Artikel anhören
Glühwürmchen der Art Flammarionella hehaikuni: etwa 8,5 Millimeter lang, 2,9 Millimeter breit, dunkelbraun und dicht behaart. Und fast 100 Millionen Jahre alt.
(Foto: Chenyang Cai/Nanjing Institute of Geology and Palaeontology, Chinese Academy of Sciences/dpa)
Im Film "Jurassic Park" nutzen Forscher das Blut einer in einem Bernstein eingeschlossenen Mücke, um Dinosaurier auferstehen zu lassen. Auch im echten Leben interessieren sie sich für solche Funde - aber eher für das Insekt selbst. Vor allem, wenn es so besonders ist wie das Millionen Jahre alte Glühwürmchen.
Schon Dinosaurier konnten wohl Glühwürmchen sehen, denn Biolumineszenz dürfte es bereits bei Insekten in der Kreidezeit gegeben haben. Eine neue Studie beschreibt ein in Bernstein eingeschlossenes Insekt, das vor etwa 99 Millionen Jahren lebte. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass es sich um ein Glühwürmchen (Lampyridae) handelt. Über ihre Ergebnisse berichten sie im Fachjournal "Proceedings B" der britischen Royal Society.

Ansicht von Flammarionella hehaikuni von der Unterseite.
(Foto: Chenyang Cai/Nanjing Institute of Geology and Palaeontology, Chinese Academy of Sciences/dpa)
Der neu beschriebene Käfer mit einem Licht erzeugenden Organ erhält den Namen Flammarionella hehaikuni. Wahrscheinlich sei der Käfer ein weiblicher Vorfahr der modernen Unterfamilie Luciolinae gewesen, schreibt das Forschungsteam um Chenyang Cai vom Nanjing Institute of Geology and Palaeontology in China. "Das Lichtorgan in der Nähe der Bauchspitze von Flammarionella ähnelt dem der heutigen Leuchtkäfer, die Licht produzieren."
Viele Käferfunde in Bernsteinlagerstätte
Es handele sich bei der Entdeckung um die zweite beschriebene Glühwürmchen-Art aus der Kreidezeit, dem Zeitabschnitt von vor 145 bis vor 66 Millionen Jahren. Außerdem wurden aus dieser Zeit bereits ein Federleuchtkäfer sowie ein leuchtender Käfer aus der fossilen Familie der Cretophengodidae entdeckt. Sie alle steckten jeweils in 99 Millionen Jahren alten Bernsteinen, die im Hukawng-Tal im Norden von Myanmar gefunden worden sind.
"Obwohl diese Fossilien aus derselben Bernsteinlagerstätte und demselben Zeitraum stammen, weisen sie eine Reihe von morphologischen Anpassungen auf, die mit Biolumineszenz in Verbindung gebracht werden", erklärte der Erstautor. Dies zeige, dass die Evolution in jener Zeit viele verschiedene lichterzeugende Organe hervorbrachte.
Möglicherweise hätten sich biolumineszente Käfer in einer Zeit zwischen dem späten Jura und der frühen Kreidezeit entwickelt, heißt es in der Studie. "Die zunehmenden Fossilienfunde von Lampyriden sind ein direkter Beweis dafür, dass die atemberaubenden Lichtspiele der verschiedenen Glühwürmchen bereits in der Kreidezeit etabliert waren", heißt es darin.
In Mitteleuropa nur drei Arten
Heute sind mehr als 2000 Arten von Leuchtkäfern beschrieben - wobei in Mitteleuropa nur drei Arten leben. Bei manchen dieser Arten können nur die Männchen fliegen, nicht die Weibchen, und nicht immer produzieren beide Geschlechter Licht. Sieht man hierzulande leuchtende fliegende Exemplare, sind das immer männliche Kleine Leuchtkäfer (Lamprohiza splendidula).
Dabei befinden sich die Leuchtorgane immer am Hinterleib. Gebildet wird das grüne Licht mit einer chemischen Reaktion: Luciferin wird durch das Enzym Luciferase in Oxyluciferin überführt. Bei dieser Reaktion wird Energie in Form von Licht frei. Die Leuchtorgane dienen Biologen zufolge zur Partnersuche oder zur Kommunikation.
Studien-Erstautor Chenyang Cai erklärt, dass sich die Biolumineszenz bei Käfern ursprünglich womöglich als Abwehrmechanismus entwickelt hat. "Das ausgestrahlte Licht könnte als Warnsignal für potenzielle Fressfeinde gedient haben, das anzeigt, dass die Käfer giftig oder ungenießbar sind." Diese Hypothese werde durch die Tatsache gestützt, dass viele Käfer bereits als Larven Lichtorgane besitzen, lange bevor sie geschlechtsreif sind, was auf eine Funktion jenseits der Balz hinweise.
Viel Harz führt zu vielen Fossilien
Der neu entdeckte Käfer ist etwa 8,5 Millimeter lang, 2,9 Millimeter breit, dunkelbraun und dicht behaart. Das auffälligste Merkmal seien die relativ langen, deutlich gezackten Fühler - in dieser Hinsicht unterscheide sich die neue Art stark von modernen Luciolinae, heißt es in der Studie. Diese hätten typischerweise fadenförmige, meist recht kurze Fühler. Trotzdem werde Flammarionella nun dieser Unterfamilie zugeordnet - verbunden mit der Hoffnung, dass bald weitere gut erhaltene Glühwürmchen aus der Kreidezeit entdeckt werden.
Erstautor Chenyang Cai erklärt, dass diese Hoffnung auch deswegen begründet sei, weil die Bäume in den Wäldern der Kreidezeit große Mengen an Harz produzierten. Der Harz habe die Bäume vor Schäden geschützt und gleichzeitig zahlreiche Insekten eingeschlossen. "Das Harz umschloss diese Organismen schnell und schützte sie vor Fäulnis, Verwitterung und Aasfressern, was schließlich zu außergewöhnlich gut erhaltenen Fossilien führte."
Wie es in der Studie weiter heißt, weist das Glühwürmchen ungewöhnliche Veränderungen an den Antennen auf. Die tief eingeprägten ovalen Gruben an den Spitzen der Fühler-Segmente könnten dazu gedient haben, Gerüche wahrzunehmen. "Diese Art von Sinnesorganen in der Antenne wurden bei Glühwürmchen noch nie dokumentiert, ähnliche Gruben sind jedoch in vielen Insektenordnungen zu finden und dienen als Geruchsorgane."
Quelle: ntv.de, Doreen Garud, dpa