
Wahrscheinlich bleiben viele Reinfektionen unerkannt, weil die Betroffenen gar keine Symptome haben.
(Foto: imago images/Michael Weber)
Neben nachlassendem Immunschutz und Impfdurchbrüchen kommt es immer wieder auch zu sogenannten Reinfektionen. Was es damit auf sich hat, wie sie zustande kommen und wie häufig diese sind, erklärt ntv.de.
Covid-19-Genesene können auch ein zweites Mal an der Infektion mit Sars-CoV-2 erkranken. Das beweisen mehrere Berichte über Fälle von Zweitinfektionen. Der Immunschutz, der durch die erste Erkrankung aufgebaut wird, reicht bei manchen nicht oder nicht mehr aus, um die Vermehrung des Virus erfolgreich aufzuhalten. In der Medizin wird in solchen Fällen auch von Reinfektionen gesprochen, weil die Möglichkeit besteht, dass man sich auch ein drittes oder viertes Mal mit Sars-CoV-2 infizieren kann. "In der Regel verlaufen Reinfektionen aber milder oder sind reine Zufallsbefunde, weil sie ganz ohne Symptome sind", erklärt der Infektiologe Professor Bernd Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg ntv.de.
Für solche Reinfektionen, die insgesamt sehr selten auftreten, sind verschiedene Mechanismen denkbar. "Das Immunsystem des Menschen ist nicht perfekt", erklärt Salzberger dazu. Bei vielen respiratorischen Virusinfektionen helfe es vor allem, schwere Infektionen zu vermeiden. Es schaffe aber nicht, alle Viren komplett abzuwehren. Der Grund dafür liegt auch in den Krankheitserregern selbst, denn diese verändern sich mit der Zeit durch Mutation und Selektion. Das sieht man aktuell auch an den verschiedenen Varianten von Sars-CoV-2.
"Das Immunsystem eines Genesenen ist aber auf die alte Virusform getrimmt und erkennt deshalb die neue Variante nicht so gut", so Salzberger. Hinzu komme die allmähliche Abnahme der Anzahl der Antikörper im Blut, auch als Antikörpertiter bezeichnet. Dass dieser Vorgang bei bestimmten Personengruppen beziehungsweise bei bestimmten Impfstoffen schneller passiert als bei anderen, ist bereits in mehreren Untersuchungen gezeigt worden.
Reinfektionen auch mit anderen Coronaviren
Für Infektiologen ist die Tatsache, dass sich Menschen mehrmals mit Sars-CoV-2 infizieren, nicht überraschend. Denn auch mit den vier bekannten saisonalen Coronaviren, die bisher ungefähr 15 Prozent der Erkältungserkrankungen im Winter verursachen, können sich Menschen mehrfach infizieren. Denn gegen diese Coronaviren kann keine dauerhafte Immunität aufgebaut werden.
Ob und wie oft sich jemand mit Sars-CoV-2 infizieren kann, hängt von mehreren Faktoren wie dem Immunsystem und der Virusevolution ab. Gegen eine sehr infektiöse Variante wie beispielsweise Delta oder Omikron kann das Immunsystem sowohl von geimpften als auch von genesenen Personen nur bedingt etwas ausrichten. Das zeigen auch die aktuellen Zahlen. Booster-Impfungen sind dem aktuellen Stand der Wissenschaft nach der einzige Weg, um das Immunsystem wirklich gut auf diese hochansteckenden Varianten von Sars-CoV-2 vorzubereiten.
Die Erfahrung zeigt, dass eine Infektion mit stark veränderten Virusvarianten auch bei genesenen und geimpften Menschen kaum verhindert werden kann. Die im Körper gebildeten Antikörper können nicht gut an die veränderten Eindringlinge anbinden und sie deshalb auch nicht so gut bekämpfen. Allerdings wird bei der Mehrzahl dieser Personen der Krankheitsverlauf weniger schwer sein, weil das Immunsystem dennoch vorbereitet ist. "Sowohl die frühere Infektion als auch die Impfung helfen bei der Bewältigung der Infektion. Reinfektionen oder Durchbruchinfektionen verlaufen in der Regel sehr viel milder als eine Erstinfektion mit dem Virus", betont Salzberger in diesem Zusammenhang noch einmal. Dennoch gibt es immer auch Meldungen von Todesfällen nach Reinfektionen. Dabei handelt es sich aber weitestgehend um ältere Personen, die entweder immungeschwächt waren und/oder unter Vorerkrankungen litten.
Keine offiziellen Zahlen
Bisher gibt es keine offiziellen Zahlen zu Reinfektionen mit Sars-CoV-2, weder für Deutschland noch für andere Länder oder länderübergreifend. Das Nachrichtenportal BNO News will helfen, diese Lücke zu schließen und ruft deshalb alle dazu auf, sich an seinem Covid-19-Reinfektionstracker zu beteiligen. Doch auch den Machern des Trackers ist klar, dass die eindeutige Klärung, wann es sich um eine echte Reinfektion oder ob es sich um eine alte Erkrankung handelt, schwer ist. Das Robert-Koch-Institut (RKI) definiert Reinfektionen deshalb auf drei unterschiedliche Weisen: als sichere/bestätigte Reinfektion, als wahrscheinliche Reinfektion und als mögliche Reinfektion.
Eine noch nicht per Peer Review geprüfte, bereits veröffentlichte Studie aus Großbritannien liefert erste Hinweise dazu, wie häufig es zu Reinfektionen kommen könnte. Den Forschenden von Public Health England zufolge wurden für die Untersuchung die Daten von 20.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen herangezogen. Die Probanden wurden systematisch auf Infektionen und Reinfektionen mit Sars-CoV-2 untersucht. Laut dem Preprint infizierten sich von den 6614 Probanden, die schon vorher eine Sars-CoV-2-Infektion hatten, 44 noch einmal damit. Zwei Drittel von ihnen hatten jedoch keinerlei Symptome und wären ohne die Untersuchung wahrscheinlich nicht als Sars-CoV-2-Infizierte aufgefallen. Gleichzeitig ist wichtig zu wissen, dass auch reinfizierte Menschen ohne Symptome andere mit dem Virus anstecken können.
"Den besten Schutz vor Sars-CoV-Infektionen wie vor Reinfektionen bietet derzeit die Kombination aus der Booster-Impfung und der Einhaltung der AHA-Regeln", so der Experte. Wer unsicher ist, weil er Kontakt zu einem Sars-CoV-2-Infizierten hatte, sich krank oder unwohl fühlt, sollte sich baldmöglichst testen lassen, auf jeden Fall, bevor man Kontakt zu anderen Personen hat.
Quelle: ntv.de