Gefährlichkeit im Vergleich Ist Omikron wirklich die mildere Variante?
30.06.2022, 16:25 Uhr
Seit Beginn der Jahres 2022 dominiert die Omikron-Variante das Infektionsgeschehen in Deutschland.
(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)
Schon viele Varianten von Sars-CoV-2 musste die Menschheit über sich ergehen lassen. Mit Omikron scheint sich nun eine äußerst ansteckende durchgesetzt zu haben, die gleichzeitig als weniger gefährlich gilt. Aber stimmt das überhaupt? Forscher machen den direkten Vergleich.
Im November 2021 bringt die Entdeckung einer neuen Variante von Sars-CoV-2 in Südafrika weltweit Verunsicherung: Sie hat ungewöhnlich viele Mutationen. Experten befürchten, sie könne hoch ansteckend sein und womöglich auch den Schutzschild der Impfstoffe leichter durchdringen. Doch etwas anderes zeigt sich nach einigen Tagen auch. Omikron, wie sie genannt wird, scheint weniger krank zu machen. Aber Skepsis bleibt, denn andere Varianten wie Alpha, Delta und Gamma hatten bereits einen tödlichen Eindruck hinterlassen.
Doch mit der weltweiten Verbreitung von Omikron schien sich die Hoffnung auf eine "milde Variante" zu bestätigen. Aber kann man das wirklich so genau sagen? Ein internationales Forschungsteam hat sich der Frage angenommen und die Gefährlichkeit von Varianten verglichen. Ihre Studie, die in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht wurde, bestätigt: Omikron ist bisher die am wenigsten krank machende Variante von Sars-CoV-2. Fachleute sprechen in diesem Zusammenhang vom "Grad der Pathogenität" eines Virus.
Die Forschenden haben für ihre Studie Hamster untersucht, die Kontakt mit verschiedenen Varianten hatten. "Als in Südafrika gerade die Omikron-Variante aufkam, bot sich uns die Gelegenheit, Tiere zu untersuchen, die bereits im Rahmen einer anderen Studie mit der Omikron-, Gamma-, Delta- oder einer ursprünglichen Corona-Variante infiziert worden waren", sagt Georg Beythien von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TIHO), einer der Autoren der Studie, laut einer Mitteilung seiner Hochschule.
"Schäden bei Omikron geringer"
Das Team untersuchte, wie sich eine Infektion mit den verschiedenen Varianten jeweils auf das Gewebe in Nase, Luftröhre, den Bronchien und der Lunge auswirkte - in Kombination mit der Viruslast und der Reaktion des Immunsystems. "Die Schäden waren bei allen mit der Omikron-Variante infizierten Tieren geringer als bei solchen, die mit früheren Varianten des Virus infiziert worden waren", sagt Erstautor Federico Armando. Auch die Viruslast in den untersuchten Geweben war bei Omikron-infizierten Tieren geringer als bei den anderen Gruppen.
"Wir haben alle Abschnitte der oberen und unteren Atemwege untersucht - von der Nase bis zur Lunge", sagt Studienleiterin Malgorzata Ciurkiewicz. Viele bisherige Studien konzentrieren sich auf die Lunge, um zu verstehen, wie die schweren bis tödlichen Verläufe von Covid-19 zustande kommen. "Wir sehen aber auch deutliche Unterschiede zwischen den Varianten in den Nasenschleimhäuten. Die erklären möglicherweise das seltenere Auftreten des Geruchsverlustes nach einer Omikron-Infektion", so Ciurkiewicz.
Auffällig wenig betroffen von der Omikron-Infektion waren bei Hamstern die Lungenbläschen, was sich gut mit der geringeren Zahl schwerer Verläufe mit Lungenentzündung bei Omikron-infizierten Menschen deckt. Ciurkiewicz vermutet, dass der Grund dafür in der Art liegt, wie das Virus in die Zellen eindringt. "Wir beobachten, dass die Omikron-Variante bevorzugt einen anderen Mechanismus verwendet als frühere Varianten. Der ist wahrscheinlich für die Zellen der Lungenbläschen nicht so effizient."
"Scheint besser an Menschen angepasst"
Und die Forscher ziehen auch ihre Schlüsse aus der geringen Pathogenität von Omikron: "Das Virus scheint sich weiter an den Menschen als neuen Wirt angepasst zu haben", erklärt Wolfgang Baumgärtner, Direktor des Instituts für Pathologie der TiHo, der gemeinsam mit Ciurkiewicz die Studie geleitet hat. "Es fügt ihm weniger Schaden zu, um sich effizienter zu verbreiten."
Offen bleibt jedoch die Frage, warum sich die Omikron-Variante trotz ihrer geringeren Pathogenität - und offenbar geringerer Viruslasten in den Atemwegen - unter Menschen deutlich schneller verbreitet hat als vorherige Varianten. Verschiedene Erklärungsansätze werden in der Studie diskutiert: So könnte die Omikron-Variante auf Oberflächen stabiler sein als andere Varianten. Aber auch der seltenere Geruchsverlust bei Menschen könnte eine Rolle spielen - dadurch gab es womöglich eine größere Zahl unentdeckter Fälle, die zur Verbreitung beigetragen haben, so die Forschenden.
"Die stärkere Ausbreitung von Omikron wurde vermutlich auch dadurch begünstigt, dass die Variante sich strukturell verändert hat und damit besser dem Immunsystem entkommt", ergänzt Ciurkiewicz. "Dadurch schützt uns eine Impfung oder eine vorangegangene Infektion nicht so gut gegen Omikron wie gegen frühere Varianten." Weitere biologische und gesellschaftliche Aspekte müssten jedoch berücksichtigt werden, um die Verbreitung zu verstehen, heißt es in der Mitteilung weiter. Um die Zusammenhänge zwischen Pathogenität und Übertragbarkeit auf biologischer Ebene zu klären, seien deshalb weitere Studien notwendig.
Quelle: ntv.de, kst