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"Außerhalb der Schwankungen" So viele Keuchhusten-Fälle wie seit Jahren nicht

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Die hohen Fallzahlen waren nach Angaben der Kinderärzte auch in den Praxen zu spüren.

Die hohen Fallzahlen waren nach Angaben der Kinderärzte auch in den Praxen zu spüren.

(Foto: picture alliance/dpa)

Die jährliche Zahl der Keuchhusten-Infektionen schwankt. Doch in diesem Jahr ist sie auffallend hoch. Und diese Entwicklung ist kein deutsches Phänomen. Der Grund könnten Nachholeffekte sein, vermutet ein Experte. Mediziner raten dringend zur Impfung.

Deutlich mehr Menschen als gewöhnlich sind im vergangenen Jahr in Deutschland an Keuchhusten erkrankt. Rund 25.100 laborbestätigte Fälle mit Angaben von Symptomen sind bislang an das Robert Koch-Institut (RKI) gemeldet worden (Stand 25. Januar 2025). So hoch waren die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren nie. 2023 wurden laut RKI zum Beispiel nur rund 3430 Pertussis-Fälle registriert. Die meisten gab es in den vergangenen Jahren zuletzt 2017 mit 16.830 gemeldeten Fällen.

"Es gibt natürliche Schwankungen und es kommt alle paar Jahre zu einer stärkeren Saison", sagte der Direktor der Infektiologie der Berliner Charité Leif Erik Sander. "Dieses Jahr liegt aber deutlich außerhalb der normalen Schwankungen." Die Situation sei nicht mit einer Pandemie vergleichbar, aber die Belastung durch Atemwegsinfekte wie Keuchhusten in den Kinderarztpraxen und Kinderkliniken sei hoch.

In den Kinderpraxen habe sich das auf jeden Fall bemerkt gemacht, sagte Tanja Brunnert, Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen. Vor allem ältere Kinder im Teenageralter seien dieses Jahr betroffen. Das zeigen auch die Daten des RKI: Die meisten Fälle wurden dieses Jahr bei Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren gemeldet. "Viele hatten anhaltend quälenden Husten", sagte die Kinderärztin.

Eine mögliche Erklärung für die hohen Zahlen sind laut Sander sogenannte Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie. Während der Pandemie hatten viele Menschen wegen der Infektionsschutzmaßnahmen keinen Kontakt mit dem Keuchhusten-Erreger. Dadurch habe die Immunität in der Bevölkerung abgenommen, weshalb nun mehr Menschen erkrankten. Außerdem sei es möglich, dass mehr auf Keuchhusten getestet würde.

Nicht nur in Deutschland sind die Zahlen hoch. "Es ist ein weltweites Phänomen", erklärte der Arzt. In den USA etwa wurden nach Daten der Gesundheitsbehörde CDC bis zum 10. November rund 23.500 Fälle gemeldet. Das sind fünfmal so viele Fälle wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2023.

"Unterschätzte Erkrankung"

In der Regel mache der Erreger nicht schwer krank, erklärte Sander. Deswegen sollte man die Krankheit aber nicht auf die leichte Schulter nehmen. "Es ist eine unterschätzte Erkrankung." Fast immer beginne sie mit normalen Erkältungssymptomen wie Schnupfen und leichtem Husten. Wenn die akute Infektion abklinge, könne ein hartnäckiger Reizhusten einsetzen, der vier bis sechs Wochen andauern könne.

Insbesondere für Säuglingen könne das gefährlich werden und zu schweren Hustenanfällen, Krämpfen der Stimmlippen, Atemaussetzern und Erbrechen führen. Ein hoher Anteil aller Krankenhaus­behandlungen und fast alle Todesfälle betreffen laut RKI junge, ungeimpfte Säuglinge unter sechs Monaten. Todesfälle durch Keuchhusten kommen in Deutschland aber sehr selten vor.

Dieses Jahr sind nach Informationen des RKI bislang vier Menschen an Keuchhusten gestorben, wie eine Sprecherin mitteilte. Die Verstorbenen zählten wie in den Vorjahren zu den Säuglingen und älteren Kindern sowie Erwachsenen mit schweren Vorerkrankungen.

Laut RKI treten rund 60 Prozent der Fälle bei Erwachsenen auf. "Bei Patienten mit einer chronischen Bronchitis oder einem Lungenemphysem kann eine Keuchhusten-Infektion zu einer schweren und akuten Verschlechterung der Erkrankung führen", sagte der Charité-Experte. Das könne lebensbedrohlich sein und langfristig dazu führen, dass die Lungenfunktion stärker eingeschränkt werde.

"Wir raten sehr dringend, eine Impfung wahrzunehmen", sagte Brunnert. Für Neugeborene werden in Deutschland drei Impfungen im Alter von zwei, vier und elf Monaten empfohlen. Der Impfschutz sollte im Alter von 5 bis 6 Jahren und im Alter von 9 und 17 aufgefrischt werden. Die Impfung schütze sehr gut vor komplizierten Verläufen, eine Infektion könne man aber nicht immer verhindern, erklärte die Kinderärztin. Auch für Erwachsene wird eine Auffrischungsimpfung empfohlen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt die Impfung insbesondere auch für Schwangere, die so auch ihr Neugeborenes schützen können. Ihrer Erfahrung nach werde das aber noch viel zu selten gemacht, sagte Brunnert

Quelle: ntv.de, jwu/dpa

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