"Es gibt keinen Zweifel" Tödlicher Hitzetrend laut Studie Folge des Klimawandels
28.06.2022, 09:34 Uhr Artikel anhören
Die Wahrscheinlichkeit von extremer Hitze an Land hat sich laut der Studie bis 2015 verfünffacht.
(Foto: picture alliance/dpa/XinHua)
Es klingt wie etwas, das man schon immer geahnt hatte: Bestimmte Arten von Extremwetter werden durch den Klimawandel häufiger, stellt eine neue Studie fest. Besonders dramatisch ist der Einfluss auf die Häufigkeit extremer Hitze - was Zehntausende Tote zur Folge hat.
Ist das noch Wetter oder schon Klimawandel? Die Frage kommt angesichts jährlich neuer Hitzerekorde in Deutschland und weltweit immer wieder auf, war bisher aber nicht eindeutig zu beantworten. Ein Forschungsteam unter Beteiligung der bekannten deutschen Klimaforscherin Friederike Otto stellt in einer neuen Studie nun fest: Der zunehmende Trend bei Hitzewellen ist eindeutig eine Folge des Klimawandels. "Es gibt keinen Zweifel, dass der Klimawandel ein Game-Changer ist. Und zwar weltweit", sagte Otto auf einer Pressekonferenz.
Das Forschungsteam versuchte in seiner Meta-Analyse zu ermitteln, welche Trends bei extremen Wetterereignissen tatsächlich dem Klimawandel zugeschrieben werden können. Ihr Fazit: Die "dramatischsten Veränderungen" gebe es bei der Häufigkeit und Intensität von Hitze- und Kälteextremen, heißt es in der Studie, die ntv.de vorliegt. Die Folgen für Menschen weltweit seien katastrophal, so die Autoren.
Die Wahrscheinlichkeit von extremer Hitze an Land hat sich laut der Studie bis 2015 verfünffacht. "Als unmittelbare Folge des Klimawandels ist die früher sehr seltene Hitze heute nur noch ungewöhnlich, während die jetzt als 'extrem' geltenden Ereignisse Temperaturen erreichen, die früher so gut wie unmöglich waren", schreiben die Autoren. Das Phänomen sei auf allen Kontinenten zu beobachten und laut dem IPCC-Bericht 2021 auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen.
Zehntausende Tote durch Klimawandel
Diese Entwicklung habe tödliche Konsequenzen: Die Zahl der hitzebedingten Todesfälle nehme weltweit zu, mehr als ein Drittel davon seien auf den Klimawandel zurückzuführen - was Zehntausenden von Toten pro Jahr entspricht. Es komme durch den Klimawandel häufiger zu Hitzeextremen, bei denen der menschliche Körper nicht mehr in der Lage sei, sich selbst zu kühlen - selbst der gesündeste Mensch würde - auch im Schatten und mit Wasserversorgung - innerhalb weniger Stunden an einem schweren Hitzschlag sterben, heißt es in der Untersuchung.
Außerdem nähmen hitzebedingte Krankheiten wie Herz- und Lungenleiden, Nierenversagen und Elektrolytstörungen zu, warnen die Autoren. Auch die Gesundheit von Föten im Mutterleib sei dadurch gefährdet. Hitzewellen würden zudem mit einem Anstieg von schädlichen Schadstoffen wie Ozon, Feinstaub, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid und Stickstoffdioxid in Zusammenhang gebracht, welche die Atemwege zusätzlich belasteten.
Auch die Wirtschaft leide unter zunehmender Hitze: So nehme die Produktivität von Arbeitnehmern ab, weil sie "langsamer machen, mehr Pausen einlegen und mehr Flüssigkeit zu sich nehmen müssen, um sicher zu bleiben", heißt es in der Studie, die in der Fachzeitschrift "Environmental Research" veröffentlicht wurde. Die weltweiten Einbußen dadurch beziffern die Forschenden auf 280 bis 311 Milliarden US-Dollar pro Jahr, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern und in Branchen, in denen körperlich schwer oder im Freien gearbeitet werde - wie etwa auf dem Bau.
Können mildere Winter es ausgleichen?
Doch es gibt auch einen Gegentrend: Aufgrund der Erderwärmung nehmen auch extreme Kältewellen in ihrer Zahl deutlich ab, so die Untersuchung. Zudem ist die Sterblichkeit in den kalten Monaten höher als im Sommer, besonders in den gemäßigten Breiten wie Europa und Nordamerika. Werden die milderen Winter die tödlichen Folgen der Hitzeextreme womöglich ausgleichen? Vermutlich nicht. Die Autoren betonen, dass die Zunahme der Sterblichkeit durch hohe Temperaturen "weitaus stärker eingeschätzt" werde als deren Rückgang durch seltenere Kälteextreme. Zudem sei der Einfluss von Kälte auf die Gesundheit im Winter schwer von anderen saisonalen Faktoren zu trennen.
Auch bei weiteren Wetterextremen sehen die Autoren einen deutlichen Zusammenhang zum Klimawandel. So habe die Häufigkeit starker Regenfälle bis 2015 zugenommen. Der Grund: Aufgrund der Erderwärmung könne die Atmosphäre mehr Wasser aufnehmen, welches regional zu Starkregen führen könne. Insbesondere in Nordamerika, Asien und Europa komme es häufiger zu Überschwemmungen. Allerdings sei der Trend regional unterschiedlich ausgeprägt - so nehme Starkregen im nördlichen Europa zu, in Südeuropa hingegen werde er seltener.
Die Studie bestätigt auch eine Zunahme von Waldbränden und Dürren als Folge des Klimawandels, auch wenn der Einfluss in diesen Fällen weniger deutlich sei. In Bezug auf Dürren würde der Einfluss des Klimawandels zudem überschätzt, sagt Klimaforscherin Otto. Dies halte sie mitunter sogar für gefährlich, wie sie am Beispiel von Ostafrika festmacht. Dort hätten auch andere Faktoren Einfluss auf Dürren, wie Infrastruktur und Art der Landwirtschaft. Würde man Dürren lediglich auf den Klimawandel als "höhere Gewalt" schieben, "entziehe man der lokalen Verwaltung jegliche Verantwortung".
Tropische Wirbelstürme nicht häufiger
Keine Zunahme in der Häufigkeit findet die Studie hingegen bei tropischen Wirbelstürmen wie Hurrikans und Taifunen. Allerdings nähmen diese an Intensität zu, schreiben die Autoren. Zudem sei eine Verlangsamung der Stürme beobachtet worden, was mit einer höheren Niederschlagsmenge einhergehe.
Laut einer weiteren Studie, die am Montag veröffentlicht worden war, könnte die Zahl der tropischen Wirbelstürme durch den Klimawandel sogar abgenommen haben. Die Forscher hatten festgestellt, dass es im 20. Jahrhundert um etwa 13 Prozent weniger tropische Wirbelstürme gegeben hatte als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Allerdings traf diese Studie keine Aussagen über die Entwicklung der Intensität der Stürme.
Quelle: ntv.de