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"Deutsche nicht immun" Virus-Experte fordert 14 Tage "Coronaferien"

Im Kampf gegen das Coronavirus wirbt der Virologe Kekulé für drastische Maßnahmen. Nur bundesweite Schulschließungen, sagt der Spezialist für Infektionskrankheiten, könnten die weitere Ausbreitung von Sars-CoV-2 in Deutschland noch verhindern.

Mit Blick auf die steigenden Fallzahlen in Deutschland hat der Virenforscher Alexander Kekulé die Behörden in Deutschland zu energischeren Schritten zur Abwehr einer landesweiten Coronavirus-Infektionswelle aufgefordert. Dabei bekräftigte er seine Vorschläge, das öffentliche Leben in Deutschland für die Dauer von zwei Wochen so weit wie möglich herunterzufahren.

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Forschte unter anderem über die Ausbreitung des Zika-Virus: Alexander Kekulé.

(Foto: imago images/Future Image)

"Wenn wir jetzt 14 Tage Coronaferien für Schulen, Kitas und Großveranstaltungen verordnen, können wir die Zahl der künftigen Erkrankungen (und Toten) erheblich reduzieren", erklärte der Arzt und Biochemiker, der an der Martin-Luther-Universität in Halle Medizinische Mikrobiologie und Virologie lehrt. "Italien und Japan haben das verstanden." In beiden Ländern fällt der Unterricht auf Anordnung der Behörden vorerst aus. In Italien sind Kindergärten, Schulen und Universitäten landesweit geschlossen. In Japan soll diese Maßnahme vorerst bis Ende März aufrechterhalten werden. Schätzungen zufolge gehen derzeit im Zusammenhang mit der Virus-Epidemie in aller Welt rund 300 Millionen Kinder nicht mehr zur Schule.

Seine Forderungen nach verschärften Seuchenschutz-Maßnahmen mit flächendeckenden Schulschließungen in Deutschland verband Kekulé mit offener Kritik an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. "Denkt er, die Deutschen seien gegen das Coronavirus immun?", twitterte er.

Sämtliche Großveranstaltungen müssten abgesagt und innerdeutsche Reisen auf ein Minimum reduziert werden, fügte er im Gespräch mit dem "Deutschlandfunk" hinzu. Die Hoffnung sei, dass man dann möglichst viele, bislang nicht entdeckte Ansteckungsherde ausfindig machen könne, um die Patienten dann in isolierter Behandlung in die Quarantäne zu schicken. Wenn, dann müsse das alles sofort geschehen, betonte er.

Lehrer warnen vor "Maßnahmen-Overkill"

Andere Epidemie-Experten halten dagegen ein solches Vorgehen derzeit noch für übertrieben. Beim Robert-Koch-Institut (RKI), das den Gesundheitsschutz der Bevölkerung in Deutschland koordiniert, wird die Gefahr für die Bevölkerung weiterhin nur als "mäßig" eingeschätzt. Die Absage von Massenveranstaltungen, heißt es, könne allenfalls "je nach Einzelfall" gerechtfertigt sein.

Der Deutsche Lehrerverband lehnt flächendeckende Schulschließungen wie von Kekulé gefordert weiter ab. Lange Komplettschließungen ohne "konkret nachgewiesene, bestätigte Verdachtsfälle" halte er für falsch, sagt Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. "Das wäre ein Maßnahmen-Overkill."

Zwar gebe es auch in Deutschland sehr große Verunsicherung von Eltern, Lehrkräften und Schülern, bestätigte Meidinger. Diese werde dadurch verstärkt, dass keine einheitliche Verfahrensweise in den Bundesländern erkennbar sei.

Letztendlich jedoch, heißt es beim Lehrerverband, müsse eine Güterabwägung zwischen den Erfordernissen des Schulbetriebs und der allgemeinen Gesundheitsvorsorge vorgenommen werden. Geklärt werden müsse dabei die Frage, so Meidinger, ob der "Grad der gesundheitlichen Gefährdung" rechtfertige, dass mit der Schließung von Schulen "Abschlussprüfungen ausfallen und die gesamte Bildungsplanung von Kindern in Gefahr gerät".

Virus-Schwerpunkt in NRW

Unstrittig ist dagegen, wie im konkreten Verdachtsfall vorgegangen werden muss. Sobald Infektionsfälle erkannt werden, müssen die Infizierten isoliert werden, um eine weitere Übertragung des Erregers zu verhindern. In solchen Fällen können Gesundheitsämter vor Ort auch Schulschließungen anraten oder sogar anordnen.

Im besonders betroffenen Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel dauert der virusbedingte Unterrichtsausfall noch mindestens bis zum 15. März an. Nach Mitteilung der Behörden sind allein in dieser besonders schwer von Ansteckungsfällen betroffenen Region aktuell fast 200 laborbestätigte Infektionen bekannt. Schulen und Kindertagesstätten blieben daher zunächst weiter geschlossen.

Es gehe auch darum, Menschenansammlungen insbesondere in geschlossenen Räumen zu vermeiden, heißt es. Auch Kreisverwaltung und Rathäuser bieten demnach weiterhin nur einen eingeschränkten Dienst an. Nordrhein-Westfalen ist von allen Bundesländern am stärksten von der Epidemie betroffen. Einzelne Schulschließungen gibt es auch in anderen Regionen Deutschlands, in denen nachgewiesene Coronavirus-Infektionen aufgetreten sind.

Quelle: ntv.de, mmo

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