
Jeder siebte Flug in Deutschland ist ein Inlandsflug.
(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)
Fliegen ist schlecht fürs Klima. Gerade für Kurzstreckenflüge fordern Klimaschützer seit langem ein Verbot. Doch wie groß ist der CO₂-Fußabdruck, wenn man etwa von München nach Stuttgart fliegt, statt mit der Bahn zufahren? Und würde der Verzicht etwas an der Klimabilanz ändern?
Kurzstreckenflüge sind als Klima-Killer verschrien. Länder wie Österreich sind daher Vorreiter: Zwischen Wien und Salzburg fliegen schon länger keine Flugzeuge mehr, Reisende müssen den Zug, Bus oder das Auto nehmen. Frankreich geht jetzt sogar noch einen Schritt weiter und verbietet alle inländischen Verbindungen, die mit dem Zug in weniger als zweieinhalb Stunden zu erreichen sind. Doch wie klimaschädlich sind Kurzstreckenflüge tatsächlich?
In Deutschland sind kurze Flugverbindungen äußerst beliebt: Im Jahr 2020 haben sie nach Angaben des Statistischen Bundesamts 53 Prozent aller Passagierflüge ausgemacht, die auf den deutschen Hauptverkehrsflughäfen gestartet und gelandet sind. Jeder siebte Flug war demnach ein Inlandsflug - manche Strecken sind dabei extrem kurz, wie zum Beispiel die Verbindung zwischen München und Stuttgart. Der Direktflug mit der Lufthansa dauert 45 Minuten, die Bahn schafft es in zwei Stunden.
Dabei ist das Flugzeug pro Kopf gerechnet das schmutzigste Verkehrsmittel: Laut Umweltbundesamt produziert die Bahn und der Reisebus weniger als ein Viertel an Treibhausgasen als ein Flug. So stößt bei einem Inlandsflug ein Flieger durchschnittlich 271 Gramm CO₂ pro Person pro Kilometer aus. Bei der Bahn liegt der Wert nur bei 46 im Fernverkehr und 93 Gramm im Nahverkehr. Entscheidet man sich also, von München nach Stuttgart zu fliegen, hinterlässt man im Schnitt einen CO₂-Fußabdruck von rund 52 Kilogramm. Zum Vergleich: Die Menge entspricht in etwa dem Stromverbrauch eines durchschnittlichen Haushalts pro Woche. Nimmt man stattdessen den Zug, sind es nur knapp 8,7 Kilogramm CO₂.
Flüge mit Bahnfahrten ersetzen
Sogar das Auto liegt beim CO₂-Ausstoß hinter dem Flugzeug, wenn auch nur knapp: Es erzeugt im Schnitt 162 Gramm CO₂ pro Person pro Kilometer. Die Flugstrecke mit einer Fahrt in einem großen PKW zu ersetzen, in dem eine Person sitzt, macht laut Umweltbundesamt also keinen sehr großen Unterschied zum Kurzstreckenflug.
"Es ergibt keinen Sinn, dass der eine Sektor auf den anderen zeigt - wir müssen bis 2045 alle bei Null-Emissionen sein", sagt Mobilitätsforscher Stefan Gössling von der Universität Lund dem "Spiegel". Gehe man ausschließlich nach CO₂-Ausstoß, Energieeffizienz und Ressourcenverbrauch, schneide der kurze Flug extrem schlecht ab: "Kurzstreckenflüge sind besonders ineffizient, weil beim Starten des Flugzeuges sehr viel Treibstoff fällig wird." Da sei die Kurzstrecke eben der größte Klima-Killer, weil der Energieaufwand für wenige Kilometer sehr hoch sei.
"Wir brauchen jeden Schritt, der den CO₂-Ausstoß im Verkehr senkt", fordert auch Greenpeace. Würden alle Top-250-Kurzstreckenflüge in Europa durch Zugfahrten ersetzt, könnte das jährlich rund 23,5 Millionen Tonnen CO₂ einsparen, hat die Umweltorganisation im vergangenen Jahr ausgerechnet. Etwa ein Drittel der am meisten geflogenen europäischen Kurzstrecken ließe sich schon heute durch Zugfahrten unter sechs Stunden ersetzen.
Anteil am Gesamtausstoß gering
Ein internationales Forschungsteam um Frédéric Dobruszkes kommt dagegen zu einem anderen Schluss. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen würde nur einen geringen Beitrag zum Klimaschutz leisten, schreiben die Forschenden in ihrer Studie, die vergangenes Jahr im Fachmagazin "Journal of Transport Geography" erschienen ist. Betrachtet man nämlich den gesamten Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland, sind Inlandsflüge nur ein geringer Anteil. Mit etwas über zwei Millionen Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr ist der innerdeutsche Luftverkehr laut Umweltbundesamt nur zu 0,28 Prozent für die insgesamt rund 800 Millionen Tonnen deutscher Klima-Emissionen pro Jahr verantwortlich.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch in anderen Ländern Europas. Dobruszkes und sein Team fanden heraus: Flüge über eine Strecke von weniger als 500 Kilometern machen knapp 28 Prozent aller Abflüge aus, jedoch nur rund 6 Prozent der Treibstoffverbrennung. Langstreckenflüge, die mehr als 4000 Kilometer zurücklegen, machen hingegen nur rund 6 Prozent aller Flüge aus, sorgen jedoch für fast die Hälfte der Treibstoffverbrennung.
Langstrecke das eigentliche Problem?
Der verbrannte Treibstoff und der CO₂-Ausstoß würden sehr stark korrelieren, erklärt Mitautor und Mobilitätsforscher Giulio Mattioli von der TU Dortmund auf Twitter. Das würde bedeuten: Bei den Langstreckenflügen entstanden mehr CO₂-Emissionen als bei den Kurzstreckenflügen. Letztere zu verbieten, würde folglich kaum dazu beitragen, die Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klima zu verringern, heißt es in der Studie. Stattdessen brauche es dringend Maßnahmen, die Langstreckenflüge treffen.
Wer seinen CO₂-Fußabdruck also deutlich verringern möchte, muss ganz auf das Flugzeug verzichten. Denn laut der Studie von Dobruszkes und seinem Team gleicht eine Bahnfahrt von München nach Stuttgart noch lange keinen Flug nach Thailand aus. Dem Umweltbundesamt zufolge kann man mit einem kompletten Flugverzicht eine halbe Tonne CO₂ pro Jahr einsparen.
Quelle: ntv.de