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Warnung an China Von der Leyen verteidigt ihr grünes Vermächtnis

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Von der Leyen will vor allem die junge Generation von dem "grünen, digitalen und geopolitischen Europa" überzeugen.

Von der Leyen will vor allem die junge Generation von dem "grünen, digitalen und geopolitischen Europa" überzeugen.

(Foto: picture alliance/dpa)

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen pocht bei ihrer Rede zur Lage der Union auf ihr Herzensprojekt: die grüne Transformation Europas. Bedroht wird es von Kritikern aus ihrer Partei, China und einer schwachen Konjunktur. Ihr gelingt es nicht, Sorgen über Wohlstandsverlust zu zerstreuen.

Ob sie erneut für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin kandidiert, ließ Ursula von der Leyen zwar noch offen. Dennoch macht sie in ihrer Rede zur Lage der Union im Europäischen Parlament deutlich, an welchem Herzensprojekt sie festhalten würde, sollte sie wieder antreten und gewinnen: die grüne Transformation Europas. Doch die Agenda war und ist kein Selbstläufer, das weiß auch von der Leyen.

Bereits seit ihrem Amtsantritt 2019 hatte von der Leyen den Green Deal angestoßen. Er soll dafür sorgen, dass die EU 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt. Für dieses Ziel arbeiten die EU-Institutionen an einer Vielzahl von Gesetzen, um etwa die Kreislaufwirtschaft in Schwung zu bringen, die Artenvielfalt zu erhalten und Lebensmittel nachhaltiger herzustellen.

Gleich zu Beginn ihrer Rede zeichnet die Kommissionspräsidentin ein Bild von dem Gang zu den Wahlurnen anlässlich der Europawahl im kommenden Jahr. Sie mutmaßt, welche Gedanken sich Erstwähler in der Wahlkabine machen könnten. Dabei lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie die junge Generation von ihrem "grünen, digitalen und geopolitischen Europa" überzeugen will. Ihr sei aber auch klar, dass einige Abgeordnete des EU-Parlaments Zweifel hegten, sagt sie.

Von der Leyen Industrie mehr einbinden

Die Stimmung in der Europäischen Union ist zurzeit mit der in Deutschland vergleichbar. Neben der Sorge vor steigenden Energiepreisen befeuert auch die hohe Inflation die Furcht vor Wohlstandsverlust und Wettbewerbsnachteilen. Erst am Montag musste die Kommission ihre Konjunkturaussichten für die Eurozone deutlich nach unten korrigieren. Sie rechnet in diesem Jahr nur noch mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,8 Prozent in den 20 Euro-Ländern. Das sind 0,3 Prozentpunkte weniger als im Frühjahr vorhergesagt. Vor allem für Deutschland sind die Aussichten nicht rosig, das Brüssel mit minus 0,4 Prozent in der Rezession sieht.

Für von der Leyen ist die trübe Prognose jedoch kein Grund, den Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft, der Geld und Zeit kosten wird, aufzugeben. Dafür erntet sie regelmäßig Kritik, bringt auch Teile ihrer Partei gegen sich auf. Einige Abgeordnete der Union sehen sie aufgrund ökologischer Ambitionen eher bei den Grünen als bei der CDU. Die Sorge vor den Kosten, die von der Leyens Vorhaben verursachen, kann sie in ihrer Rede nicht völlig zerstreuen.

Zumindest will sie die Industrie bei Entscheidungen stärker einbinden, kündigt Energiewende-Dialoge mit Wirtschaftsvertretern an. Auch möchte sie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) unter die Arme greifen, die zu wenig Kapazitäten haben, um EU-Anträge zu bearbeiten oder die von Verfahren ausgebremst werden. "Aus diesem Grund werden wir - noch vor Ende des Jahres - einen KMU-Beauftragten der EU ernennen, der mir direkt Bericht erstattet", so von der Leyen.

Strafzölle könnten zu Handelskrieg mit China führen

Zu den Plänen gehört auch, ein Paket für die Windkraft in Europa vorzulegen. "Die Zukunft unserer Clean-Tech-Industrie muss in Europa liegen", betont die Kommissionspräsidentin. Im nächsten Atemzug macht sie deutlich, welches Land diese Zukunft gefährden könnte: China. Scharf kritisiert sie Peking dafür, chinesischen Unternehmen durch Subventionen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Die EU habe nicht vergessen, "wie sich Chinas unfaire Handelspraktiken auf unsere Solarindustrie ausgewirkt haben". Junge europäische Unternehmen seien so aus dem Markt verdrängt worden. Dies dürfe sich bei der Elektromobilität nicht wiederholen.

Als Antwort darauf leitet die EU nun eine Untersuchung wegen staatlicher Unterstützung für Elektroautos aus China ein. Nach dieser sogenannten Antisubventionsuntersuchung drohen Peking im schlimmsten Fall Strafzölle, was sogar zu einem Handelskrieg mit China führen könnte. Trotz dieser Warnung an Peking betont von der Leyen, sie sei noch immer daran interessiert, die Abhängigkeiten im Umgang mit China zu vermindern, ohne sich wirtschaftlich komplett abzukoppeln. Kritiker dieser "De-Risking"-Strategie stellen sich die Frage, ob eine allmähliche Abnabelung von China die ohnehin angeschlagene europäische Wirtschaft unnötig weiter schwächen wird.

Auch das Ziel der EU, die Artenvielfalt auf dem Kontinent zu erhalten, stellt von der Leyen in den Vordergrund. Darunter solle aber nicht die Agrarwirtschaft leiden. "Ich bin und bleibe davon überzeugt, dass Landwirtschaft und Naturschutz zusammen gehen", sagt sie. In der Debatte sei "mehr Dialog und weniger Polarisierung" nötig. Diese Mahnung ist eine Botschaft an den CSU-Politiker Manfred Weber, Vorsitzender der Europäische Volkspartei (EVP), der auch von der Leyen angehört.

"Brauchen Vision für erfolgreiche Erweiterung"

Weber versuchte, das von der Kommission erdachte EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur im Sommer zu verhindern, da es aus seiner Sicht den Landwirten einseitig die Kosten für den Klimaschutz aufbürde. Das Europäische Parlament stimmte jedoch mit knapper Mehrheit dafür. Eine Schlappe für Weber, da sogar Abgeordnete seiner Fraktion sich seinem Aufruf widersetzten, gegen die Novelle zu stimmen. Von der Leyen hält ihre Rede traditionell in Deutsch, Englisch und Französisch. Vielleicht ist es kein Zufall, dass sie Deutsch für ihre Ausführungen zur Agrarwirtschaft wählt, um Landwirte hierzulande zu adressieren.

Von Migration über Künstliche Intelligenz bis hin zu Partnerschaften mit Ländern in Afrika und Südamerika - die Bandbreite europäischer Themen spiegelt sich in von der Leyens Rede, die mehr als eine Stunde dauert, wider. Verhältnismäßig viel Zeit widmet die Kommissionspräsidentin dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Dabei erklärt sie die Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen, um der Ukraine den Beitritt in die EU zu ermöglichen. "Wir brauchen eine Vision für eine erfolgreiche Erweiterung", so von der Leyen. Dabei sieht sie die Ukraine wie auch die anderen Beitrittskandidaten in der Pflicht, Fortschritte bei Reformen für Rechtsstaatlichkeit nachzuweisen.

Notfalls sei auch eine Änderung der Verträge nötig, um Länder aufzunehmen. Darauf wolle sie allerdings "nicht warten", sagt von der Leyen, wohl wissend, dass nicht nur die Kommission und das Parlament Vertragsänderungen zustimmen müssen. Auch die Mitgliedsstaaten müssen mitziehen, was angesichts der Blockadehaltung mancher Länder wie Ungarn beinahe unmöglich erscheint. Ungarn ist in vielerlei Hinsicht ein Problemfall in der EU, weil dort Korruption grassiert. Die Kommission fror deshalb bereits Fördergelder ein. Von der Leyen legt jedoch nicht dar, was sie weiter gegen Budapest unternehmen will, worauf einige Abgeordnete pikiert reagieren.

Quelle: ntv.de

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