Ratgeber

Fake-Bewertungen fürs Sortiment Falsche Sterne auf Amazon? Kosten 23 Euro

Halten die Sterne, was sie versprechen?

Halten die Sterne, was sie versprechen?

(Foto: picture alliance / SvenSimon)

Onlineshopping ist wunderbar bequem. Aber Vorsicht, wer zu bequem ist und nicht genau hinschaut, fällt schnell auf gefälschte Produktbewertungen herein. Allein Amazon hat letztes Jahr 200 Millionen von ihnen gelöscht. Das Filtern kostet Zeit.

Die neue Gemüsereibe ist eine sichere Nummer. Bei Amazon hat sie fast 3000 Bewertungen, die Kundinnen und Kunden sind zufrieden. 4,6 von 5 Sternen - ein wirklich guter Wert. Da kann man bedenkenlos zuschlagen. Oder etwa doch nicht? "So ganz pauschal kann man das immer nicht sagen", erklärt Rebekka Weiß vom Deutschen Digitalverband Bitkom im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Bei so vielen Bewertungen könne sie sich durchaus vorstellen, "dass die eine oder andere dabei ist, über die man beim Lesen stolpert".

Der Verdacht, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht, besteht auch bei der Gemüsereibe. Denn womöglich sind knapp ein Drittel der Bewertungen gefälscht. Dann hätte sie nicht 4,6, sondern nur 4,3 Sterne.

Bewertungen im Netz finden wir mittlerweile überall. Vor allem die Fünf-Sterne-Skala ist beliebt. Amazon benutzt sie, Google auch. Und Lieferdienste. Sie soll uns dabei helfen, herauszufinden, welche Restaurants zu uns passen, welche Anbieter uns im Urlaub beim Mietwagen nicht über den Tisch ziehen oder einfach nur, wie freundlich die Mitarbeiter sind und wie gut der Service ist. Und wie lange die Reibe zuverlässig ihre Arbeit macht.

Erst die Augen, dann der Algorithmus

Die Sterne sind leicht verständlich und funkeln schön, können uns aber auch hinters Licht führen. Allein Amazon hat vergangenes Jahr mutmaßlich 200 Millionen gefälschte Bewertungen auf der ganzen Welt gelöscht. Vermutlich kann das aber nur der Anfang sein. Das Problem sei "immens", heißt es in der Branche. Und teuer: Amazon will Berichten zufolge etwa 600 Millionen Euro im Jahr in Mitarbeiter und Software investieren, um alle Fakes zu finden.

Wer darauf nicht hereinfallen will, muss genau hinschauen. Und vor allem bei Produkten, die etwas teurer sind, kann es sinnvoll sein, ein bisschen Zeit zu investieren und die Bewertungen nach wiederkehrenden Textbausteinen im "typischen Marketing-Sprech" zu scannen, empfiehlt Bitkom-Juristin Weiß. "Das wäre ein Auslöser, die Bewertungen mit denen auf anderen Seiten oder Plattformen zu vergleichen."

Juristin Rebekka Weiß leitet beim Deutschen Digitalverband Bitkom die Abteilung für Vertrauen und Sicherheit.

Juristin Rebekka Weiß leitet beim Deutschen Digitalverband Bitkom die Abteilung für Vertrauen und Sicherheit.

(Foto: Bitkom)

Auch wenn mehrere Bewertungen in ihrem Wortlaut sehr ähnlich klingen, raten Experten zur Skepsis. Und vielleicht Angeboten wie Fakespot oder ReviewMeta zu nutzen. Die versprechen, dass sie gefälschte Rezensionen vor allem bei Amazon erkennen und herausfiltern. Ihr Algorithmus ist der Grund, warum unsere Gemüsereibe im Test 0,3 Sterne verliert. Als zusätzliches Prüfungs-Werkzeug sei das gar nicht verkehrt, sagt Weiß in "Wieder was gelernt". Alles, was zur Wahrheitsfindung beitrage und den Kunden mehr Sicherheit gebe, sei sinnvoll.

Netzwerk von 165.000 Rezensenten

Der Wahrheitsfindung dienen auch Rezensionen, die von einem "verifizierten Käufer" oder einer "verifizierten Käuferin" stammen. Denn diesen Zusatz gibt es nur, wenn der Account das Produkt auch wirklich gekauft und anschließend dann vermutlich auch benutzt hat. Ein kleines Qualitätssiegel, sozusagen.

Aber verifizierte Käufe und die anschließende Bewertung sind mittlerweile auch ein Geschäft. Die Agentur Fivestar Marketing zum Beispiel lockt mit bis zu 30 Prozent mehr Umsatz auf Amazon, wenn Händler bei ihr Bewertungen kaufen. Ganz legal, heißt es auf der Webseite. Denn angeblich hat sich die Agentur ein Netzwerk von 165.000 Rezensenten aufgebaut, die die Produkte ganz normal kaufen und benutzen. Nur, dass sie am Ende auch wirklich Bewertungen schreiben. Gegen Geld, versteht sich. Das gibt es als Anreiz dafür, das zu machen, worauf die meisten Kunden aus Bequemlichkeit verzichten.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

"Wieder was gelernt" ist ein Podcast für Neugierige. Hören Sie rein und werden Sie dreimal die Woche ein wenig schlauer.

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Ist das legal? Die meisten Plattformen und Händler verbieten gekaufte Bewertungen in ihren Nutzungsbedingungen, stellt Bitkom-Expertin Weiß ohne Raum für Interpretationen klar. Wenn aber echten Kunden ein finanzieller Anreiz fürs ehrliche Abgeben einer Bewertung geboten werde, sei das schwieriger zu beurteilen. Denn dieser Anreiz "macht eine Bewertung nicht per se falsch", erklärt die Juristin. Sie vergleicht das Angebot mit Kundenbindungsprogrammen wie Punktesystemen, bei denen die bloße Beteiligung mit Vergünstigungen oder Gutscheinen belohnt wird. "Kritisch wird es dort, wo ich für eine positive Bewertung bezahlt werde", sagt sie. "Oder, das gibt es auch, für eine Negativ-Bewertung, um einem Konkurrenten zu schaden."

Falsch positiv oder falsch negativ?

Genauso positioniert sich Fivestar. Das Problem sind nicht die falschen Positiv-Bewertungen, sondern die falschen Negativ-Bewertungen, schreibt die Agentur auf ihrer Webseite. "Fake-Bewertungen, die den Mitbewerber schlecht machen, sind keine Seltenheit", heißt es. "Besonders aus dem Hotel- und Gaststätten-Gewerbe werden immer wieder Horror-Storys von regelrechten Kampagnen gegen einzelne Unternehmen bekannt, die mit einer Flut von negativen Rezensionen zu kämpfen haben."

Auch besonders schlecht gelaunte Kunden sind demnach ein Problem. Genauso, wie abgelehnte und nachtragende Bewerber oder entlassene Mitarbeiter. Und die gefälschten Bewertungen löschen lassen? Fast unmöglich, behauptet die Agentur - obwohl fast alle Händler auf ihren Plattformen genau für diesen Fall unterschiedliche Werkzeuge anbieten.

Fivestar aber will mit anderen Mitteln gegensteuern: Für 23 Euro verkauft die Agentur eine Amazon-Bewertung. Im Zehnerpack sind es 220 Euro, man spart als Händler 10 Euro. Deutlich günstiger wird es, wenn die Bewertungen Google, den App Store von Apple und Facebook betreffen.

Gericht entscheidet gegen Fivestar

Ganz so legal, wie die Sterne-Experten ihr Angebot vermarkten, scheint es aber nicht zu sein. 2019 hat das Landgericht München entschieden, dass die Bewertungen der Agentur illegal sind. Das Urlaubsportal Holidaycheck hatte geklagt, weil Fivestar tolle, aber erfundene Bewertungen an mehrere Hotels, die auf Holidaycheck warben, verkauft hatte.

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Auch Amazon findet das Angebot unanständig. "Wir wollen, dass unsere Kunden vertrauensvoll einkaufen können mit der Gewissheit, dass Bewertungen, die sie lesen, authentisch und relevant sind", teilt ein Sprecher mit. "Wir haben klare Teilnahmebedingungen für Rezensenten und Verkaufspartner definiert, die den Missbrauch unserer Community-Funktionen verbieten. Wir ergreifen bei einem Verstoß Maßnahmen, die eine vorübergehende Sperre, einen dauerhaften Ausschluss oder rechtliche Schritte beinhalten können."

Das Rezensenten-Netzwerk, das Fivestar angeblich aufgebaut hat, muss sich dennoch wenige Sorgen machen, wenn stimmt, was die Agentur behauptet. Wenn die Tester lediglich animiert würden, überhaupt Bewertungen zu schreiben, spiele es keine Rolle, ob sie Geld dafür bekommen, erklärt Rebekka Weiß. Nur, wenn das nicht der Fall ist, empfiehlt die Juristin, den Nebenverdienst zu überdenken: "Fake-Bewertungen sind wettbewerbsrechtlich relevant und können verfolgt werden."

Onlineshopping ist für viele Menschen ein Segen und wunderbar bequem. Einfach abends auf der Couch durchs Netz surfen und den Kleiderschrank befüllen, die Wohnung oder die Küche verschönern. Aber Bequemlichkeit ist auch gefährlich. Beim Onlineshopping vor allem in den Bereichen, in denen wir uns nicht auskennen, sagen Experten. Weil uns der direkte Kontakt fehlt und die Möglichkeit, Dinge anzufassen und auszuprobieren. Dann erfahren wir erst zu Hause, ob die neue Reibe unsere Ansprüche erfüllt.

Quelle: ntv.de

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