Ratgeber

Früher in Rente? So bekommt man einen Schwerbehindertenausweis

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Der Ausweis muss in aller Regel nach einigen Jahren neu ausgestellt werden.

Der Ausweis muss in aller Regel nach einigen Jahren neu ausgestellt werden.

(Foto: Andrea Warnecke/dpa-tmn)

Millionen Menschen haben in Deutschland einen Schwerbehindertenausweis. Den gibt es für Behinderungen, aber auch bei vielen chronischen Erkrankungen. Hier erfahren Sie, wie man den Ausweis beantragt und welche Vorteile damit verbunden sind.

Acht Millionen Menschen haben in Deutschland einen Schwerbehindertenausweis. Wahrscheinlich gibt es aber viel mehr Menschen, die schwerbehindert sind, da viele nicht wissen, dass man auch bei vielen chronischen Erkrankungen den Ausweis bekommen kann. Schwerbehinderte werden vom Staat auf vielerlei Art und Weise entlastet und unterstützt: Es gibt Steuererleichterungen, Unterstützungsgelder und Schwerbehinderte dürfen früher in Rente gehen. Wie und wo beantragt man aber den Schwerbehindertenausweis? Hier sind alle wichtigen Informationen.

Entscheidend für einen Antrag auf Schwerbehinderung ist zunächst der Grad der Behinderung (GdB), der von einem Arzt oder einer Ärztin auf Antrag festgestellt wird. Ab einem GdB von 50 gilt man als schwerbehindert und kann somit einen Schwerbehindertenausweis bekommen. Der niedrigste GdB ist 20, der höchste 100. Im Alltagsgebrauch sprechen viele Menschen von einem "Behinderungsgrad von 50 Prozent" - das ist aber falsch. Der GdB wird ohne Prozent angegeben.

Auf dem Weg zum Schwerbehindertenausweis müssen drei Schritte befolgt werden. Diese sind:

  • Mit dem Hausarzt/der Hausärztin sprechen
  • Dokumente sammeln
  • Antrag beim Versorgungsamt stellen

Wie lange die Bearbeitung der Schritte dauert, ist höchst individuell. Sobald der Antrag beim Versorgungsamt eingegangen ist, sollte die Bearbeitung aber nach drei Monaten abgeschlossen sein. In manchen Bundesländern kann es aber länger dauern.

Antrag auf Schwerbehinderung: Gespräch mit dem Hausarzt

Wenn Sie vermuten, dass Sie das Recht auf einen Schwerbehindertenausweis haben, dann sprechen Sie als Erstes mit Ihrem Arzt. Der kann Ihnen sagen, ob Ihre Vermutung stimmt und welche Atteste und Nachweise Sie für den Antrag brauchen werden. Ganz wichtig: Damit ein Arzt Atteste und Nachweise erstellen kann, muss eine Entbindung von der Schweigepflicht erfolgen. Ohne schriftliche Zustimmung vom Patienten darf kein Mediziner Auskunft an Dritte geben. Viele Versorgungsämter bieten gesonderte Formulare an, die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden.

Schwerbehindertenausweis beantragen: Unterlagen sammeln

Um den GdB festzustellen, brauchen die zuständigen Versorgungsämter viele Dokumente. Eigentlich gilt hier der Grundsatz: Je mehr, desto besser. Alles, was als Nachweis für die Beeinträchtigung im Alltag dienen kann, sollte beigefügt werden. Hier eine Liste von Dokumenten, die man einreichen kann und soll:

  • Befunde und Gutachten von Ärzten
  • Laborberichte
  • Dokumente über Aufenthalte in Krankenhäusern, Reha-Zentren oder Ähnliches
  • Dokumente von Pflege-, Unfall- und Krankenkassen
  • Amtliche Gutachten von Behörden
  • Unterlagen und Vereinbarungen vom Arbeitgeber oder der Agentur für Arbeit
  • Alle bereits gestellten Anträge an Pflegekassen oder anderen sozialen Leistungsträgern
  • Namen von besuchten Einrichtungen wie Sonder-/Förderschulen, soziale Einrichtungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen et cetera
  • Die eingereichten Unterlagen müssen nicht nur die Hauptbehinderung betreffen. Alles was, Sie im Alltag beeinträchtigt, wird vom Versorgungsamt berücksichtigt.
  • Antrag beim Versorgungsamt stellen

Sobald alle Dokumente beisammen sind, kann der Antrag gestellt werden. Je nach Wohnort sind die Anträge unterschiedlich. Überall muss aber ein Formular ausgefüllt werden. Darin werden Angaben zur Person, zur Berufstätigkeit und zur Gesundheit gemacht.

Sobald der Antrag mit allen Unterlagen abgeschickt ist, beginnt das Warten. Die Bearbeitung kann mehrere Monate dauern, außerdem kann es auch sein, dass das Versorgungsamt weitere Dokumente anfordert, die dann nachgereicht werden müssen. Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann erhalten Betroffene einen Bescheid, in dem der festgestellte GdB mitgeteilt wird. Ab einem GdB von 50 wird ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Dieser ist dann in der Regel fünf Jahre gültig und muss vor Ablauf verlängert werden. Es gibt neun Behinderungsgrade, die von 20 bis 100 in 10er Schritten steigen.

Menschen mit Behinderung können einen Steuerfreibetrag geltend machen. Er liegt bei einem GdB zwischen 45 und 50 etwa bei 1140 Euro, bei einem GdB zwischen 55 und 60 bei 1440 Euro und steigt kontinuierlich weiter - bei einem GdB von 95 bis 100 liegt er bei 2840 Euro.

Neben dem GdB stellt das Versorgungsamt noch sogenannte Merkzeichen fest. Das ist nicht bei allen Schwerbehinderten der Fall. Je nach Merkzeichen kann es aber zusätzliche Nachteilsausgleiche geben: Es können gleichzeitig mehrere Merkzeichen auf einem Schwerbehindertenausweis zu finden sein. Genauso ist es auch möglich, einen Schwerbehindertenausweis ohne Merkzeichen zu haben.

5 Tage mehr Urlaub, keine Überstunden, besserer Kündigungsschutz, früher in Rente

Arbeitnehmer sind übrigens nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber von ihrer Schwerbehinderung zu erzählen. Viele verschweigen es, weil sie befürchten, beruflich benachteiligt zu werden. Dabei ist in der Regel das Gegenteil der Fall. Der Arbeitgeber muss per Gesetz Schwerbehinderte fördern. Ihnen stehen etwa fünf Tage bezahlter zusätzlicher Urlaub im Jahr sowie das Recht zu, Überstunden zu verweigern. Zudem können Schwerbehinderte nicht so ohne weiteres gekündigt werden. Erst muss das Integrationsamt dem zustimmen.

Mehr zum Thema

Zudem können Menschen mit Schwerbehinderung mit 62 Jahren in Rente gehen - vorausgesetzt, sie haben mindestens 35 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Bei der Rentenhöhe kann es dann aber zu Kürzungen kommen.

Der Ausweis muss aber in aller Regel nach einigen Jahren neu ausgestellt werden. Das gilt laut einem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg auch dann, wenn der GdB unbefristet festgestellt wurde (Az.: L 8 SB 2527/21). Auf diese Entscheidung weist das Rechtsportal anwaltauskunft.de hin. Hintergrund der Befristung ist laut Gericht, dass so künftige Veränderungen des Gesundheitszustandes berücksichtigt werden können.

Quelle: ntv.de, awi/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen