
Die Halbinsel Sirmione am Gardasee im August 2022: Der Wasserstand des Sees war nach einer schweren Dürre kritisch gesunken.
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Der Weltklimarat IPCC legt seinen jüngsten Bericht vor - die Quintessenz aus vielen Berichten der vergangenen Jahre. Die Lage sieht demnach nicht gut aus, die Zeit wird langsam knapp. Doch, betont der Weltklimarat: Wir könnten etwas bewirken, wenn wir nur wollten.
Es ist mal wieder so weit: Der Weltklimarat IPCC stellt einen weiteren Bericht zum bisher wenig erfolgreichen Kampf gegen die Erderwärmung vor. Erneut mahnen die Autoren, dass schnell gehandelt werden muss, um das Klima zu retten. So weit, so wenig überraschend. Doch es gibt auch Positives zu berichten: "Es gibt Hoffnung", sagte der Weltklimarats-Vorsitzende Hoesung Lee bei der Präsentation der Ergebnisse in Interlaken. Deutlich wird aber auch: Das Zeitfenster, um die Hoffnung nicht sterben zu lassen, ist klein.
Was der Weltklimarat diesmal präsentierte, war der sogenannte Synthesebericht. In ihn fließen sechs verschiedene frühere Berichte ein, darunter drei Teile des 6. IPCC-Sachstandsberichts und drei Sonderberichte. Was sind also die wichtigsten Botschaften daraus? Hier eine Übersicht:
- Die CO2-Emissionen steigen wieder
Traurig, aber wahr, von sinkenden CO2-Emissionen kann noch lange nicht die Rede sein. Im Gegenteil, die Emissionen steigen nach einem kleinen Rückgang wegen der Corona-Pandemie wieder steil nach oben. "Das Tempo und der Umfang der bisherigen Maßnahmen sowie die derzeitigen Pläne sind unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen", stellt der Weltklimarat fest. Auch UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich alarmiert: "Das Tempo der Erwärmung ist das höchste seit 2000 Jahren", sagte er in einer Reaktion auf den Bericht. "Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre ist so hoch wie zuletzt vor zwei Millionen Jahren. Die Klima-Zeitbombe tickt." Sollte es so weitergehen, wie bisher, steuere die Welt auf eine Erwärmung von 2,2 bis 3,5 Grad zu, warnte der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas. - Die Folgen des Klimawandels sind bereits zu spüren
Es gibt nichts mehr zu leugnen: Bereits jetzt leiden Menschen weltweit unter den Auswirkungen des Klimawandels, so der IPCC-Bericht. Besonders hart davon getroffen würden nicht die Verursacher, die reichen Industrienationen, sondern ausgerechnet die schwächsten Menschen und Ökosysteme. "Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Regionen, die besonders anfällig für den Klimawandel sind. In den letzten zehn Jahren war die Zahl der Todesfälle durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme in hochgradig gefährdeten Regionen 15 Mal höher", sagte Aditi Mukherji, eine der 93 Autoren des Syntheseberichts.
- Wir können das 1,5-Grad-Ziel noch einhalten
"Der Report hat eine Botschaft der Hoffnung", sagte Weltklimarat-Vorsitzender Lee. Denn es ist der Menschheit tatsächlich noch möglich, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu deckeln, wie es 2015 im Pariser Klimaabkommen als Idealziel vereinbart wurde. Doch die Anforderungen sind gewaltig: Die weltweiten CO2-Emissionen müssten bis 2030 um 48 Prozent gegenüber 2019 sinken, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. "Wir können heute noch nicht sagen, dass wir es nicht schaffen", sagte Klimaforscher Hans-Otto Pörtner im ZDF, der federführend am aktuellen Sachstandsbericht des IPCC mitgearbeitet hat. "Aber wir können natürlich sagen, das Risiko ist durch die Verzögerungen der letzten Jahrzehnte massiv gestiegen, dass wir das 1,5-Grad-Ziel reißen werden."
- Wir müssen jetzt rasch handeln
"Kümmern uns später drum", funktioniert so nicht. Denn je länger man wartet, desto drastischer werden die notwendigen Maßnahmen zur Klimarettung, betont der Weltklimarat. Bereits 2018 hatte das IPCC auf das beispiellose Ausmaß der Herausforderung hingewiesen, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Fünf Jahre später ist diese Herausforderung aufgrund des anhaltenden Anstiegs der Treibhausgasemissionen noch größer geworden.
"Wir brauchen ein umgehendes Absenken der weltweiten Emissionen auf Netto-Null binnen 30 Jahren, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten", sagte auch Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der an mehreren IPCC-Berichten mitgearbeitet hat, laut einer Mitteilung des Instituts. "Wenn die Menschheit so weiter macht wie jetzt mit den CO2-Emissionen, werden wir die Pariser Klimaziele reißen", warnt auch Klimawissenschaftler Jochem Marotzke. Es bleibe für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens nur "ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung", betonte auch Pörtner. Die Politik müsse "aufhören, Verzögerungsstrategien zu fahren". - Die Technologie ist da, Geld auchWeltklimaratWir könnten, wenn wir nur wollten, ist eine weitere Botschaft des neuen IPCC-Berichts. "Durchführbare, wirksame und kostengünstige Optionen zur [Emissionsreduzierung] und Anpassung sind bereits verfügbar", heißt es darin. Dazu zählten Solar- und Windenergie, Energieeffizienz, Verringerung der Methanemissionen und der Stopp der Waldzerstörung. Dadurch könne zugleich weiterer Nutzen entstehen, weil Menschen ein gesünderes Leben ermöglicht werde. Beispiel: Kohlenstoffarme Elektrifizierung, Gehen, Radfahren und öffentliche Verkehrsmittel verbesserten die Luftqualität, die Gesundheit, die Beschäftigungsmöglichkeiten und sorgen für mehr Gerechtigkeit, so das IPCC. "Der wirtschaftliche Nutzen für die Gesundheit der Menschen, der sich allein aus der Verbesserung der Luftqualität ergibt, wäre ungefähr gleich groß oder möglicherweise sogar größer als die Kosten für die Verringerung oder Vermeidung von Emissionen."
Aufgabe des Weltklimarats (IPCC) ist es, die Politik neutral über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimaveränderung und über mögliche Gegenmaßnahmen zu informieren. Dem IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) gehören 195 Staaten an. Alle fünf bis sechs Jahre veröffentlicht der IPCC umfassende Überblicke über den aktuellen Stand der Klimaforschung. Der aktuelle Bericht ist also maßgeblich für dieses Jahrzehnt.
An Geld für die Umsetzung der nötigen Maßnahmen fehle es jedenfalls nicht, betont der Weltklimarat: "Es gibt weltweit genügend Kapital, um die Treibhausgasemissionen rasch zu reduzieren." Nur müsse eindeutig mehr investiert werden: Den Schlüssel dafür hielten vor allem Regierungen in der Hand. Aber auch Investoren, Zentralbanken und Finanzregulierungsbehörden könnten dabei eine Rolle spielen.
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP